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I.

Paul Wiener,

Mitreformator in Krain, Gebundener des Evangeliums in Wien, erster evangelischer Bischof in Siebenbürgen.

Von Dr. THEODOR ELZE, evangelischem Pfarrer in Venedig.

In den Küstengebieten des adriatischen Meeres und deren nächsten Hinterländern hatten die Lehren und Grundsätze der Reformation schon frühe Anklang und Verbreitung gefunden, und selbst ein Theil der humanistisch gebildeten höheren Geistlichkeit hatte sich hier denselben zugeneigt. In Venedig predigte schon 1520 Fra Andrea von Ferrara auf dem Stephansplatz öffentlich unter grossem Zulauf Luther's Lehren 1), und 1542 wurden die Predigten des berühmten Generalvicars der Kapuziner Fra Bernardino Ochino von Siena in der Apostelkirche daselbst Anlass zu dessen Verfolgung, Flucht und Uebertritt in die evangelische Kirche 2). Die Gesinnungen und der Tod des edlen Cardinals Gasparo Contarini in Bologna (gest. 24. August 1542) sind allgemein bekannt 3). Vittore Soranzo, Bischof von Bergamo (1547-58), welcher derselben Richtung zuneigte, entging nur durch mancherlei Zugeständnisse an Rom dem Gefängniss und seiner Absetzung 4). Johannes VI. Grimani, Patriarch von Aquileja (1545-93), konnte wegen seiner Ansichten über die Lehren von der Gnade und der Gnadenwahl

1) Marino Sanuto in seinen Diarien, XXIX fol. 297b, schreibt am 25. Dec. 1520 von ihm: „Dieser folgt der Lehre Bruder Martin Luther's, eines sehr gelehrten Mannes in Deutschland, der dem h. Paulus folgt und sehr gegen den Papst ist, der vom Papst excommunicirt worden". (Markus-Bibliothek in Venedig.)

2) K. Benrath: Bernardino Ochino von Siena, Leipzig 1875, S. 106 ff.

3) K. Hase: Kirchengeschichte, u. v. A.

4) Er war wegen Verdachts der Ketzerei zwei Jahre im Castello S. Angelo zu Rom in Untersuchung (1552-54); Gius. Cappelletti: Le Chiese d'Italia, vol. XI, Venezia 1856, p. 517.

Jahrbuch des Protestantismus 1882.

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erst nach vierzig Jahren (1585) den Cardinalshut erreichen 1). Pietro Bonomo, Bischof von Triest (1501-46), der einflussreiche Secretär und Rath dreier Kaiser, Reuchlin's wohlwollender Freund, ein Gönner junger gebildeter Männer wie Girol. Muzio und Primus Truber, hatte in seinem Gewissen die Communion unter beider Gestalt gebilligt 2). Sein Nachfolger. Franz II. Josephich gen. Rizzano (1547-48), vorher Bischof von Zengg (1541-46), ward wegen seiner Hinneigung zur Reformation bereits nach wenigen Monaten amtlichen Wirkens in Triest seines Bisthums entsetzt und vertrieben 3). Peter Paul Vergerius, gewesener päpstlicher Nuntius, Bischof von Capodistria (1536-49, gestorben in Tübingen 4. October 1565), und sein Bruder Joh. Bapt. Vergerius, Bischof von Pola, traten förmlich zur evangelischen Kirche über 4). In Krain billigten nicht nur Christoph Freiherr von Rauber, Bischof von Laibach (1497 bis 1536), und sein Nachfolger Franz Kazianer Freiherr von Katzenstein (1536-44) wie Peter Bonomo von Triest die Austheilung des Abendmahles unter beiderlei Gestalt, wenn sie auch dieselbe nicht gestatteten 3), sondern ein späterer Bischof von Laibach, Peter von Seebach (1558-68) hatte selbst, bevor er diese Würde erhielt, in Oesterreich als Pfarrer das Abendmahl so ausgetheilt ").

Bei solchen Beispielen unter den Bischöfen war es natürlich, dass auch die ihnen untergebene Geistlichkeit sich vielfach der

1) Gius. Cappelletti 1. c. vol. VIII, Venezia 1851, p. 522 f. Gius. de Leva, Giov. Grimani Patriarca d'Aquileja in den Atti del R. Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti, Serie V, Tomo VII, Venezia 1881, p. 407-454.

2) Herr Paulus (Wiener) und ich (Primus Truber) wir haben gute Erinnerung gehabt, dass der Herr Christoph Rauber, Franciscus Kanntzianer seligen, beide Bischöfe zu Laybach, und Herr Petrus Bonomus seliger, Bischof zu Triest, in ihrer letzten und sterbenden Noth das ganz Sacrament haben empfangen, wie sie es ohn Verletzung ihrer Gewissen nit anders empfangen wollen." Brief Primus Truber's an Bischof Peter von Seebach, Laibach 8. Juli 1561. (Krain. Landes-Archiv.)

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3) Dan. Farlati: Illyricum sacrum, tom. IV, Venet. 1769, p. 135 sq. Pietro Kandler: Indicazioni del Litorale.

4) Chr. H. Sixt: Petrus Paulus Vergerius, Braunschweig 1855, S. 105 ff.
5) S. oben Anm. 2.

6) Ir mögt Im sagen, von wegen der Hoffnung, Ir gn. (Bischof Peter von Seebach in Laibach) werde zu vnser Kirchen tretten, dieweil Ir g. in Osterreich das h. Sacrament In beiderlei gestalt geraicht." Brief Primus Truber's an Jobst von Gallenberg, Landesverweser, und die Verordneten in Krain, Urach 11. April 1562. (Krain. LandesArchiv.)

evangelischen Richtung zuneigte. In der That waren denn auch schon im Jahre 1525 der aquilejische Erzprister in Krain und die ihm unterstehenden Geistlichen sowie im Jahre 1527 mehrere Domherren des Laibacher Kathedral-Capitels, wie Dr. Leonhard Mertlitz, Dompropst, Georg Dragolitz, Generalvicar, und Paul Wiener derselben zugethan 1). Namentlich der Letztgenannte wandte sich später ganz der Reformation zu und ward in weiten Kreisen einer ihrer hervorragendsten Herolde und Häupter. Auch ist unter den reformatorischen Männern Oesterreichs kein anderer, in dessen Lebensgeschichte sich die Entwicklung der Kirchenreformation in den verschiedenen Ländern dieses Reiches so voll ausgeprägt und verkörpert hat, wie in derjenigen Paul Wiener's, der in hochangesehener kirchlicher und weltlicher Stellung zuerst Gehilfe des krainischen Reformators Primus Truber ward, dafür längeres Gefängniss in Laibach und Wien erduldete, und schliesslich, zur Auswanderung nach Siebenbürgen begnadigt, dort als erster Bischof der evangelischen Kirche A. B. starb.

Ueber Paul Wiener's Familie, Abkunft und Jugend ist fast nichts bekannt. Er stammte aus Laibach 2) und hatte noch einen Bruder, der später (1536) in kön. ungarischen Diensten vor Clissa seinen Tod fand, so dass Paul sich veranlasst sah, dessen Witwe und Kinder durch zwölf Jahre aus seinen eigenen Mitteln zu unterhalten 3). Paul Wiener selbst erscheint bereits im Jahre 1520 als Domherr in Laibach, Generalvicar und Rath des Bischofs Christoph Rauber daselbst ). Zehn Jahre später (1530) war er Mitglied des geistlichen Standes im krainischen Landtage und Einnehmer der Landschaft3); im Landtage des folgenden Jahres (1531) ward er in einen engern ständischen Ausschuss zur Abfassung der Instruction für die fünf Abgeordneten auf die von K. Ferdinand nach Stein.

1) Jahrbuch der Gesellschaft f. d. Geschichte des Protestantismus in Oesterreich, I, 23.

2) Mart. Schmeizelius: Dissert. Epist. de statu Eccl. Luth. in Transilvania, Ienae 1772, p. 43, nennt ihn Labaco-Carniolanus. Wenn Raupach dieses deshalb anzweifelt, weil dieser Name sich damals im Erzherzogthum Oesterreich finde, so ist zu bemerken, dass derselbe zu jener Zeit und noch heute in mehreren Ländern ziemlich verbreitet ist. 3) P. Wiener's Supplication an K. Ferdinand v. J. 1548 (s. später).

4) Zufolge einer Vormerkung des Laibacher Bischofs Thomas Chrön (Kren)

v. J. 1601; Mitth. des histor. Vereins f. Krain 1862, S. 17.

5) Landtags-Protokolle, Bd. 1. (Krain. Landes-Archiv.)

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