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Die

christliche Mystik,

von

J. v. Görres,

Profeffor der Geschichte an der königlichen 2. M. Universität

in München.

Dritter Band.

Regensburg, 1840.

Berlag von G. Joseph Man z.

THE NEW YORK PUBLIC LIBRARY

ASTOR, LENOX
TILDEN FOUNDATIONS

Vorrede.

Nachdem früher die untere Myftik der Heiligen verhan

delt worden, muß die Betrachtung jezt zu der der Dämonischen übergehen. Am Übergange liegt die Naturmystik, der einen wie der andern als irdische Unterlage sich unterbauend. Die schickliche Stelle, um von dieser zu reden, war also hier gegeben; daß dies nicht in anmuthiger Kürze sich abthun lassen wollte, daran ist der Reichthum der Natur schuld, und die Tiefe, in der diese Dinge wurzeln.

Wie ist es nun um diese natürliche Magie beschaffen; ist sie wirklich der Art, daß kein vernünftiger Mensch ihr Glauben beimessen darf, und daß der kindische um so eher zur Mündigkeit gelangt, je früher er sich von ihr lossagt? Die Frage hat viele Seiten, von denen sie betrachtet werden kann, wie man im Buche sehen wird; der langen Rede kürzester Sinn scheint aber auf Folgendes hinaus zu laufen.

Der Mensch ist ein aus Natur und Geist in eine Persönlichkeit verbundenes Wesen, was nur dadurch sich bilden kann, daß die Natur in ihm etwas vom Geiste, der Geist hinwiederum etwas von der Natur angenommen, und beide nun im Lebensbande aufs engste untereinander sich geeint.

Die Natur in ihm, mit einem ihr untergeordneten Geistigen verbunden, der Nachtmensch in der Persönlichkeit, ist nun, weil aus der Erde hervorgegangen, auch

der Mensch der Erde; er gehört ihr also, auf die Bedingung jedoch, daß sie ihm angehöre. Denn er ist das eigentliche Centrum der Erde und aller ihrer Bildungen, er ist also durch Radien mit allen ihren Reichen und Peripherien verbunden, lebt mithin in ihnen Allen, wie sie in ihm; ist Leib von ihrem Leibe und Geist von ihrem Geiste; fühlt darum auch in Alles sich hinein, wie er Alles aus ihr herausfühlt, und beherrscht durch seine Rapporte alle ihre unteren Kreise, indem er ihnen Allen dient.

Der Geist mit einem ihm untergeordneten Natürlichen verbunden; der Tagmensch in der Persönlichkeit, ist aber seinerseits nicht von der Erde, und gehört ihr also auch nicht an, ungleich dem Vorigen. Denn einem höhe, ren Centrum, als das ihrige verbunden, lebt er, gleichwie dieses wohl im niedern und dem mit ihm geknüpften Peripherischen, also jedoch, daß er frei gelöst und doch wieder dasselbe in sich aufnehmend, es überschwebt, es stets auf sich beziehend, und in seinem Lichte es zum klaren Bewußtseyn bringend. Sein Reich ist das Geistige, dem er entstammt; daher gehen seine Rapporte und Verbindungen in dies Reich; und wie Freiheit das Gepräge aller Geister ist, so ist er auch mit Anerkenntniß dieser seiner Freiheit in dasselbe aufgenommen.

Jener Nachtmensch und dieser Tagmensch sind nun in den einen und selben Menschen verbunden, ursprünglich ohne sich durcheinander zu verwirren oder aufzuheben; weil eben ihr gemeinsames Seyn in Gott, der über ihren beiden Welten steht, die Getrennten auseinanderhaltend, doch in sich zusammenhält. Der Erste hat dem Andern sein leibliches Haus erbaut, und hat Wohnung in ihm genommen; aber der Andere, der mit beim Bau gewesen, durchwohnt nun das Gebaute gleichfalls, und gebraucht sich seiner zu seinem Zwecke. Die ganze Leib

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