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den Hufschlag, welcher in der Ferne verklang. Der König aber dachte: „Wenn sie nicht so erlaucht wäre von Geschlecht, wäre es besser für mich und sie. Denn gern möchte ich ihr Schläge geben und sie dann wieder lieb haben. Sie aber wollte das Tuch zerschneiden zwischen sich und mir, und sie hat gerungen gegen mein Schwert; ob sie meint, daß ich ihr das vergesse? Was aber den Römer betrifft, so ist mir's im Herzen lieb, daß ihm nicht sein Wille geschieht, denn nichtswürdig war die Forderung und herrisch war der Bote. Jest will auch ich ihm Silber statt dem Gold bieten, das er sich begehrt." Und am andern Morgen lud der König den erstaunten Harietto und sprach: „Um des großen Cäsars willen habe ich Alles gethan und ausgeführt, was die Königsehre mir gestattet und nicht mehr. Dem Gebannten habe ich das Gastrecht aufgekündigt und ihn ohne Geleit entlassen, damit er aus meinem Lande weiche. Und er trabt jezt wohl schon weit von hier über die Haide." Als der König wieder in sein Schathaus ging und sein Angesicht in der Schüffel betrachtete, da sprach er seufzend zu sich selbst: „Eine Sorge wich, aber eine größere kam; nur Eines ist mir lieb, es ist ein ehrliches Gesicht, das ich schaue.“

9.

Bur disburg.

Auch in den jungen Männern der Walddörfer regte sich die Reiselust, als die Reiser der Bäume vom Safte schwollen und das junge Laub aus den Knospen brach. Es war ein heimliches Summen in den Höfen und frische Gesellen hielten im Waldversteck stillen Rath; denn nicht die Alten und Weisen des Gaues hatten den Auszug geboten und nicht die heiligen Opfer des Gaues sollten ihn weihen, nur Unzufriedene lösten sich von der lieben Heimat, willkürlich und auf eigene Gefahr, weil ihnen der Sinn nach besseren Landloosen stand. Anfangs waren nur Wenige entschlossen, ihr Glück in der Fremde zu suchen, vor ihnen Baldhard und Bruno aus Friemar, Söhne des Bero; bald aber ergriff die Sehnsucht auch Andere, jüngere Söhne ehrbarer Wirthe, neben ihnen wilde Gesellen und Waldläufer, die sich lieber rauften als bauten, auch manchen Hausvater, dem seine Nachbarn gehässig waren. Manchen hatte auch ein Mädchen, welches ihm lieb war, heimlich gemahnt, vor der Reise warb er um sie, und wo der Töchter mehre im Hause waren, wagte der Vater sein Kind an die ferne Hoffnung. Diesmal war es kein Zug in unbekannte Ferne, auf dem der Mond und die Sterne führen, der wehende Wind oder der fliegende Rabe; denn die neuen Siedelstätten lagen nur wenige Tagereisen von der Gaugrenze, und die Reise ging durch Wälder und Marken von Landgenossen, die in früheren Geschlechtern denselben Weg gezogen waren. Deshalb sorgten

die Fahrenden wenig um Waffengefahr auf dem Wege und nicht sehr um Nahrung und Viehfutter. Auch da, wo sie bauen wollten, durften sie freundlichen Gruß hoffen, denn ein kluger Wirth hatte im Voraus sorglich um ihre Reise gehandelt und mit dem Volke, dem sie zuzogen, Vertrag ge= schlossen. Und doch rüsteten die Wanderlustigen ihre Abfahrt noch heimlicher als sonst Brauch war; denn nicht alle Häupter des Gaues freuten sich der Reise, durch welche die Zahl ihrer jungen Krieger gemindert wurde, nicht Fürst Auswald und nicht das Geschlecht des Sintram, und diese suchten dem Drange zu wehren, soweit ihre Macht reichte. Auch den Eifer des Königs hatten die Fahrenden zu fürchten, denn er mochte ihnen die Besiedelung stören, bevor sie auf dem neuen Grunde festgewurzelt waren. Darum hatten sich die Wanderlustigen in nächtlichem Rathe zusammengeschworen und die Söhne des Bero zu Führern gewählt, in den lezten Monaten hatten sie für die Fahrt gerüstet, Beisteuer in ihrer Freundschaft erbeten, Wagen und Ackergeräth gezimmert und um Vieh gehandelt soweit sie vermochten. Und sie wollten einzeln und mit wenig Geräusch aufbrechen, um sich jenseit der Gaugrenze zu geordnetem Zuge zu sammeln.

Im ersten Morgenlicht standen die Wagen mit Saatkorn und Hausrath bepackt. Ueber dem festen Bohlengefüge spannte sich die Decke von Leder, die gejochten Rinder brüllten, Frauen und Kinder trieben das Herdenvieh hinter dem Wagen zusammen, und große Hunde, die treuen Begleiter der Fahrt, umbellten das Fuhrwerk. Die Geschlechtsgenossen und Nachbarn trugen zum Abschied herzu, was als Reisekost diente oder ein Andenken an die Heimat sein konnte. Durchaus nicht fröhlich war der Abschied, auch dem muthigen Mann bangte heimlich vor der Zukunft. War das neue Land auch nicht endlos weit, fast Allen war es unbekannt, und unsicher war, ob die Götter der Heimat auch dort Schuß gewährten und ob nicht schädliche Würmer und Elbe Vich und Saat zer

stören wollten oder feindliche Männer die Höfe abbrennen. Auch die Kinder fühlten das Grauen, sie saßen still auf den Säcken und die Kleinen weinten, obgleich die Eltern ihnen Haupt und Hals mit heilkräftigem Kraut umkränzt hatten, das den Göttern lieb ist. Mit der aufgehenden Sonne erhoben sich die Fahrenden, der älteste ihres Geschlechts oder eine weise Mutter sprach ihnen den Reisesegen und Alle flehten murmelnd um gutes Glück und bannten durch Zauberspruch die schädlichen Waldthiere und schweifende Räuber. Die anderen Dorfleute aber, welche daheim blieben, blickten scheu auf die Wanderer wie auf verlorene Menschen, unheimlich dünkten ihnen die Frevler, welche sich von dem Segen der Heimat lösten. Denn immer zog es die Landgenossen mächtig nach der Ferne und doch graute ihnen immer vor einem Leben fern von den Heiligthümern, von Sitte und Recht der Heimat.

Die Wagen bewegten sich knarrend zu den Bergen, von der Höhe sahen die Wanderer noch einmal nach dem Dorf ihrer Väter zurück und neigten sich grüßend gegen die unsichtbaren Gewalten der Flur; mancher unzufriedene Gesell warf auch einen Fluch zurück wider seine Feinde, die ihm die Heimaterde verleidet hatten. Dann nahm Alle der Bergwald auf. Mühsam war die Fahrt auf steinigen Wegen, in welche das Schneewasser tiefe Furchen gerissen hatte, oft mußten die Männer von den Rossen steigen und mit Haue und Spaten die Bahn fahrbar machen, wild erscholl Ruf und Peitschenschlag der Treiber, die Knaben sprangen hinter den Wagen und hemmten den Rücklauf durch Steine, und doch zerrten die Zugthiere machtlos, bis ein Gespann dem andern half oder Männer und Frauen die starken Schultern an die Räder stemmten. War die Reise wegsamer, dann umritten die Männer spähend den. Zug mit gehobener Waffe, bereit zum Kampf gegen Raubthiere oder rechtlose Waldläufer. Als die Wanderer aber nach der ersten Tagfahrt das einsame Waldthal erreichten, welches zur Versammlung bestimmt war, da wurde die Mühe des

Tages über der Freude vergessen, Landsleute in der Wildniß vor sich zu sehen; hell jauchzten die Kommenden von der Höhe und die Lagernden antworteten mit gleichem Ruf, auch solche, die sich sonst wenig gekannt, begrüßten einander wie Brüder. Die Männer traten zu Hauf und Baldhard, ein meßkundiger Mann, bezeichnete den Lagerraum mit Stäben. Dort wurden die Zugthiere abgeschirrt, die Wagen zu einer Burg zusammengestoßen, und im Ringe herum die Nachtfeuer auf zusammengetragenen Steinen entzündet. Während die Hausthiere weideten, von bewaffneten Jünglingen und von den Hunden gehütet, bereiteten die Frauen die Abendkost; die Männer aber schlugen aus Stangenholz den nächtlichen Pferch für die Herde, vertheilten die Wachen und holten aus den Wagen was sie von kräftigem Trunk mitgebracht hatten; dann lagerten sie und sprachen bedächtig von dem guten Weideland, das sie am Idisbach hofften und von dem endlosen Wald im Süden der Berge, wie steinig der Baugrund, wie steil die Gelände und wie darum dies Bergland spärlich bewohnt sei. Als das Mahl beendet war, wurden die werthvollsten Rosse und Rinder im Wagenringe gesammelt und die schlaftrunkenen Kinder unter dem Lederdach geborgen. Nach ihnen stiegen die Frauen in das enge Gemach, nur die Männer saßen noch eine Weile beim Trinkhorn gesellt, bis auch ihnen die Augen schwer wurden und die kalte Nachtluft ihre Fröhlichkeit hemmte. Da hüllten sie sich in Pelze und Decken und legten sich an die Feuer oder unter die Wagen. Es wurde stiller, nur der Wind blies von den Bergen, die Wächter umschritten den Wagenring und den Pferch und warfen zuweilen Holzscheite in die lodernden Feuer. Aber unablässig bellten die Hunde, denn aus der Ferne klang heiseres Geheul und um den Flammenring trabten gleich Schatten im aufsteigenden Nebel die begehrlichen Raubthiere.

In solcher Weise zogen die Wanderer drei Tage langsam durch den Bergwald, der Regen rann auf sie nieder und der Wind trocknete ihnen die durchnäßten Kleider. Zuweilen hielten

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