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Hause begeben. Braun erfüllte das Versprechen, aber der Major eröffnete ihm, der Arrestant sey vom commandirenden General Grafen Auersperg in das Stockhaus bestimmt worden, somit stehe es nicht in seiner Macht, denselben frei zu laffen. Hierauf begab sich Braun mit einer Begleitung von 3 NationalgardeOffizieren um halb 3 Uhr des Morgens in die Wohnung des Commandirenden, und sprach zu ihm, es sey leider durch den anbefohlenen Abmarsch des G. B. Richter eine solche Aufregung in Gumpendorf, daß bei der Gereiztheit der Grenadiere und der dortigen Bewohner Alles zu befürchten stehe, dann daß die Grenadiere äußerten, sie wollen nur unter der Bedingung ruhig abmarschiren, wenn ihr Kamerad aus dem Stockhause entlassen werde und mit ihnen marschire. Braun bat den General, er möge diesmal Gnade für Recht ergehen lassen, und den Grenadier freigeben. Graf Auersperg erwiederte aber: Sehen Sie ruhig, es wird nichts geschehen, die Grenadiere werden auch ohne den Arrestanten wegmarschiren. Braun bemerkte, Gumpendorf sey eine Fabriksvorstadt, sie seh durch das Verweigern des Gehorsams der Grenadiere in große Gefahr gesezt; denn die Leute drohen den Grenadieren beizustehen, und eher die Vorstadt anzuzünden, ehe fie die Grenadiere wegmarschiren lassen. Doch vergebens war das Bitten! Der General entgegnete: Es kann nicht seyn, mit dem Grenadier, Bataillon werde ich wohl fertig werden, gehen Sie nach Hause, es wird nichts geschehen, ich habe bereits einen General in die Kaserne hinaus bestimmt, der mit den Grenadieren sprechen wird. -Als Braun zur Kaserne zurückgekehrt war, eröffnete er den Widerspänstigen, daß ein General ihnen die Antwort bringen werde, was sie in Etwas beruhigte. Dem Major Richter wurde aber der volle Bescheid des Commandirenden berichtet.

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Gegen vier Uhr Morgens sammelten sich schon bewaffnete Garden, und zwar zwei Compagnien von Hundsthurm und Wieden auf dem Gumpendorfer Pfarrplage. Die sich am Pfarrplage vergrößernden Massen waren alle vom fiebenten Bezirk Wieden, und wollten, als Braun, der Bezirks-Chef von Mariahilf, zu ihnen kam, er möchte auch Gumpendorf allarmiren lassen, um so im Vereine mit den Gumpendorfern den Abmarsch der Grenadiere zu verhindern. Der Bezirks-Chef Braun verweigerte dieß und stellte ihnen vor, wie ein solches Beginnen nicht nur nuglos, sondern auch gegen alle Geseze sey. Aber es half nichts. Man beschimpfte ihn, schalt ihn einen Verräther an dem Volke, einen schwarzgelben Hund, den man niederstoßen sollte.

Gegen 4 Uhr Morgens erhielten die deutschen Grenadiere den Befehl abzumarschiren. Sie weigerten sich und zertrümmerten in der Kaserne Geschirre, Möbel u. dgl. Von Seite des Militärs wurde die Trommel gerührt, eben so wurde von Seite der NationalgardeWieden, jedoch ohne Obercommando- und ohne BezirksCommando-Befehl, Allarm geschlagen.

Troßdem, daß der Bezirkschef Braun zweimal auf die Mariahilfer Hauptwache des Bezirkes den Auftrag sendete, es dürfe durchaus nicht Allarm geschlagen werden, so geschah es dennoch durch die Tamboure der auf dem Gumpendorfer Pfarrplage aufgestell ten zwei Compagnien Wiedner Garden, wahrscheinlich auf Anstift en von einzelnen Garden aus ihrer Mitte. Man muß das eigenmächtige Handeln der Garden zu dieser Zeit mitangesehen haben, um daraus die höchst gefährliche und schwierige Stellung eines Commandanten richtig beurtheilen zu können. Nach dieser Allarmirung durch die Wiedner versuchte es Braun abermals, die Garden von ihrem Beginnen abzubringen. Als ein Theil des Gumpendorfer Bataillons versammelt war, sprach Braun zu demselben, erklärte ihm, daß das heutige Beginnen ungeseßlich, gegen Vaterland, Krone und Freiheit sey, daß jeder freie Staat ein gehorsames Militär brauche, und daß jeder Soldat den ihm ertheilten Befehlen unbedingt gehorchen müsse; ferner, daß ihr heutiges Handeln die Soldaten zum Ungehorsam auffordere. Endlich schloß er seine Rede damit, daß er den Garden vorstellte, die Soldaten ließen sich gar nicht aufhalten, und wie er die Grenadiere kenne, würden sie sich heute, da sie die Rausche von gestern ausgeschlafen, selbst -- wenn es nöthig — mit den Bajoneten Bahn machen und fortmarschiren. „Nichts da!“ — war die Antwort der Garden-,,wir wissen, wie die Grenadiere denken, sie warten nur auf unsere Hilfe; sie dürfen nicht fort; Sie sind ein Schwarzgelber, daher Sie auch die Grenadiere dem augenscheinlichen Verrath preisgeben wollen!"

Nach längerem Hin- und Herreden sah sich der Bezirks-Chef Braun genöthiget, der Gewalt zu weichen, und beschloß, alle, die mit seiner Ansicht einverstanden seyen, sollen austreten und zu Hause bleiben; die llebrigen aber, welche von der unglücklichen Idee- das Militär in der Meuterei zu unterstüßen — nicht ablassen wollen, werde er, da es nach seiner Ansicht - seine Pflicht ist, nicht verlassen, denn er glaube sie nur durch seine Gegenwart vor einer Uebereilung, ja vor Unglück zu schüßen. —

Es kamen Garden von der Wieden, Gumpendorf, Mariahilf, ja sogar vom Neubau einzeln und rottenweise herangezogen, und sperrten, untermischt mit andern dazugekommenen Volksmassen, die Gassen nächst der Gumpendorfer Kaserne ab.

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Augenzeugen behaupten gehört zu haben, daß einzelne Grenadiere den Wunsch aussprachen, die Nationalgarde und das Volk solle sie in ihrem Marsche aufhalten. Viele Garden, welche sich mittlerweile in Züge rangirten, waren bereits vor dem Kasernthore aufgestellt, und sperrten gleich darauf förmlich die Straße ab.

Das Gumpendorfer Bataillon kam unter Anführung Braun's und in Begleitung des Hauptmanns Lemann zur Kaserne marschirt. Die Grenadiere von

B. Heß Infanterie schienen mehr Disciplin und Lust zum Abmarsche zu haben, und bildeten die Avantgarde, durchbrachen abmarschirend wirklich mehrmal die Volksmassen und die Nationalgarde, öfters wurden sie auch wieder zurückgedrängt.

Um halb 6 Uhr wurden Kürassiere aufgestellt. - Dieselben stellten sich vor den aufständischen Kasernen auf. Braun führte sein Bataillon von dem vorderen Thore der Kaserne, vor welcher bereits die Kürassiere, aber zwischen diesen und der Kaserne auch Garden standen, zum rückwärtigen Kasernthore, machte dort abermals fruchtlose Vorstellungen, über welche die Garden, so wie über die Aufstellung beim rückwärtigen Thore schimpften. Die deutschen Grenadiere rüsteten sich zum Abmarsche, ungeachtet ihnen von der Getreide- und Heumarkt-Kaserne andere Grenadiere anscheinlich zu Hülfe eilten. Die Grenadiere wurden von der Kavallerie in die Mitte genommen, und segten sich in Bewegung. Plößlich hieß es, die Grenadiere seven bereits im Marsche begriffen, worauf die Gumpendorfer zu schreien ansingen: Den Grenadieren nach! — und liefen zum andern Thore hin. Nationalgarden warfen sich dem abgehenden Militär entgegen, die Grenadiere mußten das Bajonnet fällen, und gegen die Garde vordringen. Zwei Garden und ein kaiserlicher Offizier wurden verwundet.

Diese Demonstrationen fingen an mit jeder Minute gefahrdrohender zu werden; zu einem eigentlichen Gefechte kam es nicht, obgleich einige Verlegungen stattfanden. Die Garde wurde zurückgedrängt, und das Militär erhielt freieren Abzug, nur wurden die Packwagen zeitweilig aufgehalten, aber von den, das Militär mit gezogenen Säbeln begleitenden Kürassieren des Regiments B. Mengen und Wrbna Cheveaurlegers wieder befreit.

Zu Ende der Gasse, worin die Kaserne steht, wollten die vor den Gumpendorfern marschirenden Garden, (es war eine Abtheilung außer der Linie,) zu feuern anfangen, was aber durch energisches Auftreten des Bezirks-Chefs Braun verhindert wurde. Dann lief Alles den Grenadieren nach und schrie: Fort, fort! Auf den Bahnhof! Braun ging mit Lemann hinterdrein, und unterwegs suchte er die Garden abermals auf bessere Gedanken zu bringen, rieth ihnen, sich beim Bahnhof aufzustellen, zu präsentiren und sich ruhig zu verhalten. Ja, ja! schrien sie, ließen sich aber durchaus nicht aufhalten.

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Die Garde, die sich aus mehreren Bezirken gesammelt, war rathlos und ohne eigentliches Commando; doch wuchs ihre Anzahl mit jeder Minute. Dieselbe lief in ungeregelten Haufen durch verschiedene Gassen, schnitt auf diese Weise dem Militär den Weg ab, und sammelte sich auf der Mariahilfer Hauptstraße. Daselbst angelangt formirte sie sich wieder in Züge, und stellte sich zwischen die Kürassiere und Grenadiere, marschirte sehr langsam, und erschwerte dem Militär den Weg..

Um 6 Uhr marschirten die Grenadiere über das Glacis, fie zwangen die Tambours zu trommeln, damit die Bevölkerung auf ihren gezwungenen Abmarsch aufmerksam gemacht werde. Der Marsch war unregelmäßig, Nationalgarden befanden sich in den Reihen der Grenadiere, eben so Weiber und Civilisten. Die großentheils betrunkenen Grenadiere protestirten fortwährend gegen den Abmarsch. Indessen eilten Nationalgarden und Gesindel im Sturmschritte zur Nordbahn und zur Taborlinie, beseßten den Bahnhof und die Linie, rissen die Eisenbahnschienen heraus und die Telegraphendräthe herab.

Mittlerweile wurde auch in Mariahilf ohne Befehl Allarm geschlagen, und während der Marsch langsam vor sich ging, die Legion aufgefordert, auszurücken und den Bahnhof zu beseßen.

Während des Marsches noch erhielt die das Militär begleitende Nationalgarde die Nachricht, daß der Bahnhof bereits besezt sey. Es wurde ein Theil derselben, welchem sich auch eine Anzahl des Volkes freiwillig anschloß, vorausgeschickt, die Schienen der Bahn auszulösen.

Bon allen Seiten strömten Nationalgarden ohne Führer, ohne Commando herbei, reihten sich in die Züge ein, um das Militär im Marschiren aufzuhalten, oder wenigstens demselben den Marsch zu erschweren, und zwar so lange, bis die Garde stark genug geworden wäre, ihnen denselben mit aller Kraft zu verweigern oder zu verwehren. So ging es langsam fort bis zur Ferdinands- oder zur Schlagbrücke, woselbst ein neuer Versuch gemacht wurde, den Weitermarsch zu verhindern, aber erfolglos.

Bis 7'/, Uhr sah der in der Praterstraße wohnende Plazoffizier Dunder gegen vierzehn Compagnien Nationalgarden der südlichen Vorstädte sammt ihren Offizieren unter seinem Fenster gegen den Bahnhof marschiren, und begab sich sogleich zum Ober-Commando.

In der Leopoldstadt wurde auf diese Schrecken verbreitenden Vorgänge Allarm geschlagen. Die Grenadiere stießen zu den Nationalgarden, Studenten, Arbeitern und Volk, mehrere Joche der Eisenbahnbrücke wurden abgedeckt, die Balken zu einer Barrikade verwendet, das Liniengitter geschlossen. Viele Arbeiter aus der Specker'schen Fabrik, von der Eisenbahn und andern Etablissements waren anwesend, vergrößerten die Massen, und waren besonders thätig, die Grenadiere im Marschieren zu behindern. Die Grenadiere marschirten vom Bahnhofe zu der Taborlinie um sich von Floridsdorf aus mit der Eisenbahn weiter befördern zu lassen.

Das Bataillon Richter kam zur Taborbrücke und eine Division überstieg sammt der Fahne die Barrikade, der Major an der Spiße, und marschirte der zweiten Brücke zu. Diese Division war von Heß; die andern vier Compagnien dieses Bataillons blieben auf der ersten Taborbrücke zurück, obschon es ihnen

wenig Anstrengung gekostet hätte, sich mit der voranmarschiren den Abtheilung zu vereinigen.

Hier stellte der Bezirke-Chef Braun den Garden abermals vor, fie möchten doch, da die Grenadiere nicht da bleiben werden und wollen (?) nach Hause gehen, aber vergebens. Die Nationalgarde marschirte mit, und beabsichtigte einen passenden Punkt zu erlangen, woselbst sie vereint mit den bereits vorausgeschickten Garden und Volksmassen, dem Militär einen entschiedenen Widerstand zu leisten im Stande wäre. Der andere Theil der Grenadiere wurde vom Volke und Garden dadurch zurückgehalten, daß sie den in ihrer Mitte zu Pferde befindlichen General Bredy anhielten, und durch stürmische Reden zu bewegen suchten, die Grenadiere zurückmarschiren zu lassen. Um 7. Uhr kamen einzelne jener Grenadiere, die schon die Brücke passirt hatten, vom jenseitigen Ufer wieder zurück, und schritten einzeln über die Balken. Das Volk begrüßte sie mit Jubel; dieselben mengten sich unter die Garden, sangen, und tranken den ihnen aus den Gasthäusern herbeigebrachten Wein. Es hieß, eine Deputation sey mit der Bitte, das Bataillon solle in Wien bleiben, in die Stadt gezogen und auf diese werde gewartet.

Während dieses vorfiel, verbreitete sich der Allarm - Ruf theils mit, theils ohne Bezirksbefehl in den Vorstädten; Angst ergriff die Bewohner der Residenz, nach und nach rückten die Plagoffiziere ein, und stellten sich zur Verfügung des Ober- Commando.

Der Bezirks-Chef der Alservorstadt de Vuco et Branco, und der größte Theil der ihm unterstehenden Garden sammelten sich, tadelten das Beginnen der die Grenadiere unterstüßenden Garden und blieben, mit Ausnahme weniger Individuen, die nichts zu verlieren hatten aber zu gewinnen hofften, im Bezirke zum Schuße desselben. Derselbe Fall trat auch bei den meisten andern Bezirken ein. Am jenseitigen Donau-llfer sammelten sich um 8 1hr Bauern mit Sensen versehen. Die Leopoldstadt, vornehmlich die Praterstraße wimmelte von Neugierigen.

um 8. Uhr dröhnte die Allarmtrommel durch die Straßen der Vorstädte, Nationalgarden sammelten sich, die Stadt war in größter Aufregung. Aber immer ahnten die gutgesinnten Bewohner nicht, was die nachfolgenden Stunden bringen werden; es war daher immer noch keine Bestürzung sichtbar. Nur das gewohnte Geifern der bekannten Raisonneure in Wirths- und Kaffehhäusern, oder der zerlumpten und rauschsüchtigen Gassen-Politiker war vernehmbar.

Um 8 Uhr erschien beim Ober-Commando F. M. L. Baron Bechtold in Civilkleidern, und wurde als der neuernannte Ober-Commandant der Nationalgarde den anwesenden Offizieren bezeichnet.

Mittlerweile verbreiteten sich die bedenklichsten Gerüchte: Der Ober-Commandanten-Stellvertreter Streffleur gab dem Plaß-Hauptmann du B eine

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