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schen Weltreligion. Die beiden andern Mitglieder der deutschen Linken, Hart: mann und Tramp usch dienten nur in Samtröcken mit den schwertgegürteten Lenden und den dunkeln langen Bärten als malerische Stafage für die Hauptgruppe, in welcher sich Blum und Fröbel als Helden bewegten.

Und so sahen wir nun oft um den großen Tisch im rothen Igel die Demokraten, Blum, Fröbel in der Mitte, versammelt fißen, wie mit ihren Jüngern beim heiligen Abendmal. Hier wurden nun im vertraulichen Kreise die Haltung und der Operationsplan der Radikalen gegenüber dem Reichstage, dem Gemeinderathe, dem Ober-Commando und den feindlichen Heerlagern besprochen, die Möglichkeit des Erfolges für den Sieg der Volkssache und dessen Einfluß auf die ganze deutsche Bewegung, und auf die Fortschritte der demokratischen Ideen nach allen Seiten hin erwogen.

Hier liefen von Zeit zu Zeit Berichte vom Studenten- Comitee, vom OberCommando, vom Stephansthurm, oder dem Lager im Belvedere ein; die Ohnmacht des Reichstages wurde bespöttelt, und zuweilen laute Drohungen „von Sprengung desselben" oder „Auseinander jag en des Gemeinderaths" hingeworfen.

Zwischen diesen vier Wänden äußerte zuweilen auch der allezeit bedächtige Robert Blum sein Mißtrauen in die Begeisterung der Wiener, und in ihre Ausdauer. Fröbel suchte Versöhnung zwischen einzelnen Gliedern der „P a rtei" zu stiften, welche sich um eine Commandostelle bei den Mobilen herumzankten; Simon Deutsch, der schwarzbärtige Demokrat par excellence et ignorence, perorirte von der Tapferkeit der Legion, indem er den Hahn einer kleinen Taschenterzerole anspannte; Herr Chaises rühmte sich seiner intimen Verbindungen mit den ungarischen Heerführern; Dr. Becher entwickelte seine militári schen Kenntnisse, und der schmächtige Jellinek zeigte mit seiner gewohnten dialektischen Schärfe, welchen Weg,,nothwendiger und vernünftiger Weise" die innere Entwicklung der Revolution für die Zukunft nehmen müsse.

Zuweilen fuhr dann auch die Bärenstimme des ergrauten Schriftstellers Hauf, Commandanten des Corps d'èlite, mit einer Reihe von Schimpfreden über die Nachlässigkeit des Ober-Commando's dazwischen, während er von einem Plaße zum andern springend, von der Masse von Arbeiten, Mühen and Lasten erzählte, welchen er sich für die nächsten Stunden unterzogen habe. Kühne Handstreiche und Heldenstücke zur Vernichtung der Kroaten und des ganzen Windischgrå 'schen Armee-Corps waren seine Sachen. Wir können aus Diskretion noch nicht der Pflicht eines treuen Historikers nachkommen, und müssen uns für die Zukunft noch andere Persönlichkeiten vorbehalten, welche während dieser Tage im Lager der Demokraten in dem rothen Igel eine wichtige Rolle spielten.

Sehen wir uns einstweilen die Gesellschaft in den andern Zimmern an. An

einem großen Tische, welcher sonst von den Matadoren der Czechen besetzt war, finden wir nun mehrere Mitglieder der gemäßigten radikalen Partei, bestehend aus einigen deutsch böhmischen und polnischen Reichstags-Abgeordneten, aus Juristen und einigen Legionären, welche sich aus point d'honneur dem Kampfe angeschlossen hatten, und aus den Mitarbeitern des „G'rad' aus“ und der „OstDeutschen Post." Unter diesen Männern herrscht eine besondere Diskussion über die schwierige Lage der Verhältnisse, man spricht mit Erbitterung über den Ver rath der Ungarn, welche die braven Wiener zum größten Theile in unselige Wirren hineingezogen, und nun noch den Reichstag und den Gemeinderath zu weiteren revolutionären Schritten drängen wollten; auf einigen Gesichtern dieser kleinen Gesellschaft drückten sich deutlich eine tiefe Abspannung, wehmüthige Stimmungen aus, und mancher schwere Seufzer, welcher sich redlichen Herzen in Anbetracht der unlösbaren Verwickelungen entrückt, ward aus Rücksicht für die nächste Umge bung niedergehalten.

Gegenseitige Achtung und das Bewußtseyn des reinen Willens und wahrhaft patriotischen Mitgefühls machten es möglich, daß sich unter den Mitgliedern dieser Tafelrunde die verschiedensten Stimmen und Ansichten über die gegenwärtige be drängte Lage der Stadt, und über die politischen Verhältnisse, welche damit in Verbindung stehen, kundgaben.

Während Kaufmann in seiner beweglichen, aus dem tiefsten Gemüthe aufschießenden Redeweise seine Entrüstung über den unseligen Mord Lato ur's, und die darüber in's Maßlose fortschreitende Revolution äußerte, und hierin von einem Hageren jungen Mann, ostpreußischen Geblüts, vollkommene Beipflichtung erhält, versucht Friedmann, der Redacteur des „Gerad' aus," in jugendlichem Feuer das Recht der Reichsversammlung und der Hauptstadt zum Widerstande gegen die Windisch grä g'schen inconstitutionellen Proklamationen zu vertheidigen, und Dr. Zimmer, der Abgeordnete für Teplig, beklagte sich eben so unverholen und bitter über das Treiben und Drängen der Demagogen neben an, welche den Reichstags-Ausschuß zum Revolutions-Tribunal umzuwandeln bemüht find. Zuweilen tritt auch Fröbel zu diesem Tisch heran, und theilt dem ihm von Deutschland befreundeten Friedmann mit freudiger Zuversicht die Botschaft mit, daß die Ungarn nur noch zwei Stunden vor Wien ständen, oder daß Jellačič bereits im vollen Rückzuge begriffen sey, worauf ein ungläubiges Lächeln auf allen Gesichtern die Runde macht, und Friedmann ironisch ers wiedert: „Dies sey wohl auch Eines jener vielen Mährchen, welche das löbliche Comitee der demokratischen Vereine so eifrig im Publikum zu verbreiten wisse."

Die übrigen Gäste im rothen Igel um diese Zeit waren meist Nationalgarden und Legionäre aus den Provinzialstädten, welche den Wienern zu Hülfe geeilt waren. So saßen hier Steyermärker, kräftige hohe (?) Gestalten, mit den weiß

grünen Landesfarben auf der grauen Uniform, die schlesischen und Brünner Garden mit den schwarz-roth-goldenen Bändern. Außerdem stürzten immerwährend Legionäre, Ordonnanz-Offiziere, Führer mobiler Garden, bei den Thüren herein und hinaus, Depeschen wurden überbracht und ausgefertigt, die Ablösungsstunden für die Posten des Elit-Corps und der andern Freicorps hier festgestellt, und so ging es fort in buntem Wechsel von Gestalten, Nachrichten, Ausrufen von Freude oder Mißstimmung unter lautem Säbelgeklirr und Zurufen die ganzen Tage des Octobers hindurch.

Bevor wir die flüchtige Skizze über den „rothen Igel“ und dessen welthistorische Bedeutung schließen, wollen wir noch einer entscheidenden Scene gedenken, an welcher das Schicksal vieler Menschenseelen, insbesondere das tragische Loos Messenhauser's haftet.

Es war am Abend des 29. October. In den Vorstädten Leopoldstadt, Jägerzeile, Weißgärber, Erdberg, Landstraße bis zur Wieden lagen bereits die kaiserlichen Truppen. Eine Waffenruhe war auf beiden Seiten eingetreten, welche nur durch einzelne Kanonenschüsse auf den entferntesten Linienposten unterbrochen wurde. Die Ankunft der Ungarn schien endlich zur Wahrheit zu werden. Raketen und Leuchtkugeln hatten verabredeter Weise ihre Nähe angekündigt. Messenhauser hatte jedoch bereits durch den Gemeinderath die Kapitulation der Stadt abgeschlossen, und ein großer Theil der Nationalgarde und Legion die Waffen niedergelegt. Selbst im Studenten-Comitee waren die kräftigsten und ausdauerndsten Mitglieder, welche bisher die Bewegung geleitet, nicht mehr anwesend. Dennoch hoffte der Theil der Legion, und die größere Masse der Arbeiter und Freiwilligen, welche unter unmittelbarem Einflusse der,,Demokratenführer“ standen, auf einen Entsag durch die Ungarn, und auf einen möglichen Sieg.

In einem kleinen Zimmer des rothen Igels sehen wir eine Gruppe von männlichen und weiblichen Gestalten, welche dem Pinsel eines Malers würdigen Vorwurf zu einem historischen Genregemälde bieten könnte. In einer Ecke lehnt müde von der Anstrengung und den Strapazen des Tages Julius Fröbel, das schwärmerische Auge auf den Plafond geheftet, als suche er dort eine neue Combination für seine demokratischen Bestrebungen. Ein schwarzer Sammtrock hebt seine dunkle Gestalt noch mehr hervor, der Stürmer mit der wallenden Feder hängt an der Wand über seinem Kopfe. Neben ihm, unverdrossen plaudernd fißt eine kleine hagere Gestalt von sehr verblichenen Reizen. Es ist die Präsidentin des ,,ersten Wiener demokratischen Frauenvereins, die aufopfernde Freundin des ,,Radikalen." An sie schließen sich in bunter Reihenfolge: ein wild darein blicender, laut scheltender Pole, ein Mitglied des demokratischen Vereins in National-Uniform, die imposant breitschulterige Figur Robert Blum's, das untersezte Weibchen des Ober- Comman' o-Feldadjutanten Fenneberg, und ein

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flaumbärtiger Legionär mit einer breiten weißen Ordonnanzbinde über die Achsel. In einer anderen Ecke bemerken wir auch die romantische F'gur eines Varons..... in Nationalgarde-Uniform, hohe schwarze Stülphandschuhe, langen Stoßdegen an der Seite, wie er hinter einem graublonden Bocksbart eine unendliche Reihe von Flüchen und Vermaledeiungen auf die Feigheit Messenhau fer's, auf den unglücklichen Ausgang des Kampfes mit tiefer Baßstimme hervor stößt. Im Ganzen herrscht eine sehr gedrückte Stimmung in der Gesellschaft. Plöglich stürzt ein Offizier von der Legion in's Zimmer und fragt, ob Fenne berg nicht hier sey? Nein, aber er wird jeden Augenblick erwartet, sagt die Frau des Gesuchten, was wünschen Sie von ihm? Er muß Ober-Commandant werden, Messenhauser verräth uns, die Ungarn sind in der Nähe! - Ja Verrath, Verrath, ruft die romantische Rittergestalt aus dem Hintergrunde mitten hinein, 60,000 Ungarn Windischgräß in die Flanke nehmen Ausfall aus der Stadt machen, Ausfall aus der Stadt machen; Alles niederhauen- Kinderspiel! Hat denn Messenhauser abgedankt? fragte endlich Fröbel in ruhigem Tone. Noch nicht, wie ich glaube, entgegnete der LegionsOffizier. Ja, wir haben ihn die Abdankungsschrift auf dem Stephansthurme oben unterschreiben lassen, bemerkt ein anwesendes Mitglied des Studenten-Comitees. Es entsteht nun ein Streit darüber, ob Messenhauser bereits abgedankt, ob Fenneberg bereits das Commando übernommen, und welche Maßregeln noch ferner zur Vertheidigung der Stadt genommen werden könnten. Blum und Fröbel sind beide der Ansicht, daß die Stadt nicht mehr zu halten sey, werden aber von den übrigen Anwesenden mit großem Lärmen überschrieen. Wir brauchen einen tüchtigen Anführer, Ausfall, 12000 (??) mobile Garden, polnische Legion! u. s. w. Indessen tritt ein zartgebauter Mann mit einem feingeschnittenen Gesicht, dessen größter Theil in einem großen braunen Backenbart gehüllt ist, ins Zimmer. Hier ist Fenneberg also wie ist es, kann man Sie als Ober-Commandanten begrüßen? so ruft man dem neuen Ankömmling entgegen. —

Fenneberg tritt bis an den Rand des Tisches vor, seine-NationalgardeMüge in der Hand und sagt mit hohler Stimme, die Augen bescheiden und schwermüthig zu Boden gesenkt: „Ja, ich war vor einer halben Stunde Ober-Comman dant, nachdem ich den bisherigen Herrn Ober-Commandanten meinen Freund (?) Messenhauser schriftlich erklärt hatte, daß es sich nicht mehr mit meiner Ehre (?) vertrüge, unter seinem Commando zu dienen. Herr Ober-Commandant hat meine Entlassung angenommen. Wenige Minuten später mußte er selbst seine Abdankung einer Deputation von der Universität auf dem Stephansthurme schriftlich übergeben, und ich wurde von dieser (!) Deputation mit dem Ober-Commando betraut. Herr Messenhauser hat jedoch hierauf in der Kanzlei des OberCommando im kaiserlichen Stallgebäude nochmals die Offiziere der Garden zu

sammenberufen *), und wurde von diesen einmüthig zum Ober-Commandanten der Nationalgarde erwählt. **) Hiermit bin ich meiner Pflichten als wahrer Patriot (!) entledigt und zeige Ihnen meine Herren an, daß ich nichts mehr mit den militärischen Maßregeln zu thun habe." -Nichts da, Sie müssen Ober-Commandant werden," ruft man dem tiefverleßten Fenneberg nach dieser pathetischen Rede entgegen, „Messenhauser muß fort, wir müssen einen Ausfall machen.“ Indessen stürzte abermals ein Legionär ins Zimmer; den Stürmer auf dem Kopf, die Arme auf sein Gewehr gestüßt, stellt er sich erschöpft in die Mitte der aufgeregten Gruppe und ruft mit jugendlichem Feuer: „Wir sind verloren, wir sind verrathen! Messenhauser will nicht mehr kämpfen lassen, und wir haben noch Munition in Massen, und die Ungarn schlagen sich bereits bei Schwechat und unser Bolk ist kampslustig. Ein Königreich für einen neuen Commandanten!" ‚Mäßigen Sie sich, bester Freund, man wird ja alles in Ruhe berathen können, bemerkte Fröbel dem jungen Legionär, der aber in seinem ungeheueren Pathos fortfährt: „Mäßigung? wie Mäßigung in solchen verhängnißvollen Augenblicken? Das Volk braucht einen Mann zu dem es Vertrauen hat, einen Mann, wie Herrn Fenneberg. O, wir müssen etwas thun, wir müssen Alles thun, für das Volk und für das Vaterland!" Nun so geh zum Teufel, und schau einstweilen auf den Posten wo du hingehörst,“ ruft ihm endlich ungeduldig ein anderer Legionär zu. „Ja ich soll auf meinen Posten, aber kann ich den Alles thuen?! Das Volk, vergessen Sie auch das Volk nicht; bin ich denn das ganze Volk?!" - Und mit diesen Worten stürzte der patriotische Jüngling wieder zur Thüre hinaus. (Grzb.)

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Bericht an Se. Durchlaucht den k. k. F. M. und Armee-Ober-Commandanten Fürsten Windischgräß zu Heßendorf. Nothneusiedel, am 30. Oct. 1848.

Am 25. d. M. hatte ich eine Brücke über den Donaukanal in dem Prater schlagen und am folgenden Tage leßteren durch die Brigade Grammont mit fünf Bataillons Gränzer und zwei Batterien beseßen lassen. Sie drang vor bis zum Cirkus de Bach. Hierdurch wurde der Besig des Nordbahnhofes gesichert.

Am 28. wurde mir der Auftrag ertheilt, mit sieben Bataillons und drei Batterien unter F. M. L. Ritter von Hartlieb die St. Marger Linie zu neh men, durch die Landstraße wo möglich einzudringen und das Invalidenhaus, das Mauthgebäude 2c. beseßen zu lassen. Diese Linie war stark mit Geschüß versehen und mußte genommen werden. F. M. L. Hartlieb stand mit dem Gros auf seinem linken Flügel, die Brigade Karger am rechten. Zur Direktion der Angriffskolonne entsandte ich den Chef meines Generalstabes, General Zeisberg, auf die Hauptstraße vor. Derselbe sezte sich sogleich mit dem Direktor

*) Wie vorne Seite 833. gezeigt, hat dieß Messenhauser nicht gethan. **) Nicht erwählt, sondern abzudanken verhindert.

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