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es Geseze und Ausnahmen von diesen Gesehen, gibt es Dinge, Erscheinungen, Wirkungen, die jedes Kind begreift, und Erscheinungen, Wirkungen, die dem tiefsten Forscher ein Geheimniß bleiben. In beiden Welten gibt es einen Zusam menhang und ein Mittelwesen, wodurch Dinge zusammenhangen, gibt es begreiflichen und unbegreiflichen Einfluß, Wechselwirkungen, gibt es eine Stufenfolge, Uebergånge, die Aehnlichkeit miteinander haben. Ich sage: in Hauptumschwüngen und Perioden des Lebens. Sie trauen mir's also leicht zu, daß ich die Spielereien eines gewissen Wißes nicht in Schuh nehmen will, durch die man uns eine Menge Vorbilder angibt, die oft in's Kleinliche und Lächerliche fallen. Wenn der scharfsinnige und berühmte Bonaventura dem Hochmuth fieben Töchter gibt und sagt, sie seyen vorgebildet durch die sieben Jahre, die Ifrael dem König von Mesopotamien dienen müßte; wenn er die gläubigen Seelen auf die Geschichte des alten Testaments verweiset, die Symbol von allen Lastern seyn soll; wenn er behauptet, die 50 Stadien im 21. Kapitel der Apokalypse winkten auf Verge= bung der Sünden, weil, nach 3. B. Mos. 25. im funfzigsten Jahre Alles erlassen werden müßte; die zwölf Edelsteine winkten auf die zwölf Glaubensartikel, auf die zwölf Tugenden dèr Christen, zu

gleich auf die Dreieinigkeit, da vier sich auf den Vater, vier auf den Sohn und vier auf den heiligen Geist bezögen; so kann man kaum glauben, daß es dem gelehrten und weltklugen Mann mit diesen fromm seyn sollenden Andeutungen Ernst war. Eher läßt man es gelten, daß die tausend Jahre in der Apokalypse auf die Ruhe und Vollendung winken sollten, wo alle Bedürfnisse befriedigt sind. Nirgends ist dieser unsinnige Wiß oder wikig seyn sollende Unsinn so weit getrieben worden, als in der sogenannten mystischen oder prophetischen Bibel, die 1712 in Marburg erschien. Da ist Alles in dem jüdischen Cult Vorbild auf Christus; die Bundeslade, der Tisch, Leuchter 2c., das Holz Sellim, das festeste Cedernholz, soll — auf die menschliche Natur Jesus, auf seinen unverweslichen Leib winken; der Leibrock und der Hut mit dem goldenen Blech bedeutet, daß er die Schuld seiner Gläubiger trage; die Kinder um das glåserne Meer winken auf die aus dem Meer der Trübsalen geretteten Gläubigen; (ein edles Bild für diese Dulder!) Um årgsten schweift der, oder schweifen die Verfasser bei dem hohen Liede und der Apokalypse aus; zwei Bücher, die von jcher so vielen Menschen die Köpfe verdreht haben. Das hohe Lied foll wer kann auf so einen Einfall kommen? die mancherlei Gestalten der

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christlichen Kirche von Anbeginn bis an's Ende der Welt darstellen. Nur ein Paar Proben! Die Traube Copher (Hohel. 1, 14) ist — was dächten Sie wohl? - Christi Versöhnopfer, weil das Wort auch Versöhnung heißt. Die kleine Schwester, die noch keine Brüste hat, (K. 8, 8) ist die neubekehrte jüdische Gemeinde, der es noch an Vorrath von Erkenntniß der Wahrheit fehlt. In der Apokalypse könnte man freilich die Erscheinung im ersten Capitel auf Niemand anders als cuf Jesus deuten, aber die weißen Haare sind nicht etwa Bild der Reinheit, sondern bedeuten die mit dem Vater gleiche Aehnlichkeit Jesus, weil bei Daniel der Alte von Tagen so beschrieben wird.

Doch genug des Unsinns! Sie sehen, ich schone die Verirrungen einer falschen Mystik so wenig wie die Verirrungen einer falschen Philosophie, und kann es nicht dulden, daß man die Worte aus dem hohen Liede: „Ich vergleiche dich dem reisigen Zeuch am Wagen Pharaons," zum Tert einer Vorbereitungspredigt von dem Abendmal Jesus nimmt, was wirklich in einer großen Stadt geschehen ist; so wenig, wie ich es dulden kann, daß man uns das höchste Wesen nåher bringe, wenn man ́versichert, in ihm sey die Sehnsucht sich selbst zu ge= båren; es sey dem Leiden und Werden unterthan;

die Welt habe sich selbst geschaffen, von Ewigkeit her geschaffen u. s. w.

Allein, so gut es, ohnerachtet dieser Verirrungen mancher Philosophen, eine wahre Philosophie gibt, so gut gibt es eine wahre Symbolik ohnerachtet dieser symbolischen Spielereien. Durchdenken Sie einmal selbst die Hauptepochen der jüdischen Nation, mit Rücksicht auf ihre religiöse Bildung, ihren Zug nach Aegypten, ihr ruhiges Nomadenleben unter den ersten Pharaonen, ihren Druck unter den folgenden, ihren Auszug aus dem Lande gegen den Willen des Regenten, ihre Lage am arabischen Meerbusen, ihren Durchgang, ihren Aufenthalt in der Wüste, ihre Gefeßgebung, ihre Eroberung von Palästina, ihren Ungehorsam mit seinen Folgen, ihr Glück unter David und Salomo. Behalten Sie nur das Wesentliche, auf ihre Bildung Einwirkende im Auge. Vergleichen Sie nun damit die Schicksale der ersten Christen der christlichen Kirche. Sehen Sie auf die vorzüglichsten Männer in dieser Nation, auf Abraham, seine stufenweisen Glaubensübungen und ihren Erfolg, auf Moses, David, auf Christus; und gewißfallen Ihnen von selbst manche Aehnlichkeiten in dem Bildungsgange dieser Gotteszöglinge und dieser Zöglingsgemeinde. mit dem Gange des Zöglingsvolks auf, und es wundert Sie nicht, wenn unsere Mystiker davon

reden, daß sie sich noch in Aegypten oder in der Wüste befånden, wohl gar am arabischen Meerbu= fen stånden, daß sie von einem Saul verfolgt würden u. s. w. Der Blick dieser Menschen ist nicht untröstlich. In der Wüste sehen sie das Kanaan, hinter Sauls Verfolgungen die Königskrone, am Kreuz die Himmelfahrt. Er ist aber zugleich warnend, daß wir uns nicht gelüften lassen des Bösen, gleich wie es Jene gelüftet hat, daß wir nicht abgöttisch werden, wie Jene es wurden, daß wir nicht Christum versuchen, wie Etliche unter ihnen thaten, auch nicht murren, wie Manche murrten." Bei diesem Blick wird man geleitet, zu bedenken, daß es uns zum Vorbild widerfahren und geschrieben ist zur Warnung. *)

Ich will Ihnen nun noch an einem Beispiele zeigen, wie sich diese Aehnlichkeit in Führungen dem unbefangenen Bibelleser aufdringt, ohne alle Mystik. Stolz, der Verfasser einer trefflichen Schrift, voll Bibel- und Menschenkenntniß, war nie Mystiker, und ist es vielleicht jezt noch weniger; und doch fand er in Josephs Geschichte so viel auffallend Aehnliches, daß Sie erstaunen werden, wenn es Ihnen noch nicht bekannt ist. Hören Sie!

*) 1. Kor. 10, 6 II.

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