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drängten zum Thore hinaus und sahen neugierig in das Thal hinab. Hochbeladen in langer Reihe kamen die Heuwagen heran, auf den Wiesenbäumen darüber saßen und ritten die Buben des Dorfes schreiend und die Arme schwenkend. Hinter den Wagen schritten zwei Spielleute mit Sackpfeife und Fiedel, sie führten eine lustige Weise spielend die Schaar der Arbeiter. Denn Männer und Frauen, mit Laub und Wiesenblumen bekränzt, hielten einander an den Händen und sprangen troß der Arbeit des heißen Tages lustig den Reigen; vom Pfade ab zogen sie die Kette bald seitwärts über die Flur, bald zwischen den Wagen hindurch. Ihnen folgten die Herren des Klosters, voran die beiden Schulen; auch die Schüler sprangen und tanzten durcheinander, manche saßen zu Pferde und trieben die Gäule zu lustigen Säßen. Sogar die Väter gedachten nicht sehr ihrer Würde, mehr als einem war das Haupt schwer, so daß er von den andern geleitet werden mußte, und man merkte auch, weshalb er so unsicher schwankte, denn ganz am Ende fuhr ein Wagen mit leeren Fässern, welche zwischen den Bretern kollerten, und mit Trinkgefäßen, deren Henkel an die Leiterbäume gehängt waren. Endlich hob ein Bruder sein lateinisches Trinklied an und viele stimmten ein und fangen die Schlußverse mit kühnen Bewegungen der Arme, und eilte eine Magd, die sich verspätet hatte, bei dem langen Zuge der Väter vorbei, dann geschah es wohl, daß einer der Begeisterten sie in den Arm kniff oder auch in die Backen. So wälzte sich der Schwarm schreiend und singend dem Kloster zu. Die untergehende Sonne warf ihr goldenes Licht auf heiße Gesichter und glänzende Augen, die Treiber knallten mit ihren Peitschen um die Wette, sogar die Thiere schritten lustiger vorwärts.

Plötzlich stockte der Zug an dem Kreuzwege, wo ein Pfad von Osten heranlief, die Buben auf den Heuwagen sprangen empor und wiesen in die Ferne, die Wagen hielten an, die vordersten Knechte schrien nach rückwärts, Spiel und Gesang

endeten in einem Mißton. Denn von dem Seitenweg her tönte wilder Klageruf widerwärtig in die Festfreude. Langsam bewegte sich eine andere Abtheilung der Klosterleute vom Holze her dem Flußthale zu, mit gesenkten Häuptern und Wehgeschrei trugen sie einen undeutlichen Gegenstand heran. Die Leute im Zuge verstanden wohl, was der Ruf bedeutete, dort war Einer erschlagen, und die Rüstigen liefen über das Feld dem trauernden Haufen entgegen. Zu einem wirren Knäuel vereinigten sich die beiden Haufen. Die Knechte peitschten ängstlich ihre Gespanne zu schnellerem Schritt, um sie in den Klosterhöfen zu bergen, die Anderen umstanden entsetzt eine Bahre, auf der ein totwunder Mann lag. Schnelle Fragen und Antworten folgten einander, Heugabeln und Messer wurden geschwenkt und an Stelle des lateinischen Schelmenliedes klang wilder Racheruf über das weite Thal. Tutilo spornte sein Roß zu schnellen Säßen. Als der gefürchtete Mönch in das Gedränge stob, fuhren die Leute auseinander, im nächsten. Augenblick aber begann wieder Wehgeschrei und Totenklage. Der Mönch sprang ab, beugte sich über den Mann und sah nach der schweren Kopfwunde. Dann gebot er ihn in das Krankenhaus des Klosters zu tragen und forderte Bericht über die Missethat. „Wo sind die Gespanne?" frug er unruhig um sich blickend, wo ist Hugbald?"

„Die Gespanne geraubt, die Knechte geschlagen und fortgeführt, Hugbald gefangen und mit ihm der Scholasticus Immo," riefen ihm die Leute entgegen, bis auf seinen Wink der alte Bruder Bardo vortrat und stöhnend das ganze Unheil verkündete. Die Waldwiesen, auf denen Bardo die Heumahd zu ordnen hatte, lagen weitab von den übrigen Gründen, welche aus den Höfen des Klosters bewirthschaftet wurden. Sie waren neuerer Erwerb, doch Niemand hatte beim Auszuge geahnt, daß dort ein Feind laure. Ungestört hatten die Arbeiter in den Tagen zuvor gemäht und das Heu gewendet, nur von einem Bewaffneten begleitet, wie bei fernen Feldarbeiten auch

im Frieden Brauch war. Aus Vorsicht hatte heut Hugbald geboten, daß die Knechte ihre Rosse abspannen und während die Heuhaufen gesetzt wurden, unter Aufsicht eines Reisigen auf freier Höhe, von der weite Umschau war, zusammenhalten sollten, bis er selbst das Einbringen gebiete. Als er endlich gekommen war, begleitet von dem Schüler Immo, hatten die Knechte ihre Gespanne zu den Wagen zurückgeführt. „Schon vorher war uns unheimlich geworden," kündete Bardo, „denn wir hatten in der Ferne hinter den Büschen einzelne Bewaffnete erkannt, welche hin und her ritten. Gerade als sich der Zug der beladenen Wagen in Bewegung setzte, brach ein Schwarm Reiter aus dem Holz und ritt über die Felder auf die Gespanne zu. Unsere Reisigen hoben die Wurfspeere und warfen sich ihnen entgegen, auch die Knechte ergriffen die Heugabeln und sprangen gegen die fremden Reiter, aber klein war die Zahl der Unsern, im Nu waren sie umringt. Der Mann, welcher auf der Bahre liegt, fiel sogleich vom Rosse in sein Blut, nur Hugbald schoß den Wurfspeer und schlug mit dem Schwerte, drei waren gegen ihn, doch der Jüngling Immo fuhr wie ein Wirbelwind zwischen sie, ich sah zwei vom Pferde stürzen und die ledigen Thiere laufen. Ganz tapfer hielt sich unser Scholasticus und er hatte den Hugbald frei gemacht, aber dieser rief: „wie mag ich zurückkehren ohne die Wagen" und warf sich aufs Neue einem andringenden Haufen entgegen bis er entwaffnet und mit Weiden gebunden war, und gleich ihm der Jüngling Immo; darauf wurden auch die Knechte übel geschlagen und gefesselt. Mit großem Gefolge stob Graf Gerhard, den wir alle kennen, heran und rief mit zornrothem Gesicht: „Verderben über euch, ihr Wigbertleute, mein ist das Heu, mein die ganze Markung. Nichtig ist die Schenkung, deren ihr euch von meinem Vater her mit Unrecht rühmt; die Gespanne und eure Dienstleute treibe ich fort, eine geringe Entschädigung sind sie für den Verlust, den ich durch viele Jahre von euch erlitten. Läßt sich noch einer von euch Ge

schorenen auf dieser Flur blicken, so sollen ihm meine Gewaprneten die Haut über die Ohren ziehen. Ihr Mönche aber wandelt stracks zurück, nur die heulenden Mägde lasse ich euch. Und sagt eurem Abt: will er seine Dienstleute lebend wiedersehen, so soll er sich eilen das Lösegeld zu senden, denn ich gedenke sie nicht lange im Kerker zu füttern. Hinweg mit euch, denn euer Anblick ist mir verhaßt." So ritt er mit einem Fluche aufwärts dem Buchenwald zu und hinter ihm zogen die Heuwagen und die Gefangenen. Wir aber standen weinend um den gefällten Mann, mühsam trugen wir mit den Weibern seinen Leib auf den Baumästen hierher." Als der Alte geendet hatte, begannen die knienden Weiber wieder ihr Wehegeschrei und der Racheruf der Wigbertleute klang durch das Thal.

Tutilo sah auf die zornige Schaar wie ein Häuptling, der die Zahl seiner Getreuen mustert. Sie sagen, Graf Gerhard will für König Heinrich ins Feld reiten, hier merket die Treue der Königsmannen. Als ein Walddieb ohne Aufkündigung des Friedens hat er das Kloster ruchlos gekränkt. Ihr aber, fromme Knechte des Wigbert, gedenkt der Vergeltung, schreit zu den heiligen Nothhelfern um Rache, daß sie ein gehäuftes Maß Unheil über den Verfluchten senden, bereitet eure Wehren, schlagt an der Glocke des Erzengels den Nothschlag zur Warnung für Alle, die noch im Felde sind, daß sie sich sammeln, und entzündet die Feuerzeichen auf den Höhen, damit auch die Entfernten wissen, daß unser Kloster von Feinden bedrängt ist. Folgt mir zu den Höfen, damit wir um Thor und Mauer sorgen, denn aus dem Frieden sind wir gesetzt in Unfrieden und auf Abwehr denken wir und Vergeltung. Du aber, Bardo, bändige deinen Schreck und ziehe jene Straße nach St. Peter, damit du einem Andern Bericht gebest; ich sehe dort den Abt Bernheri herabsteigen, geringe Freude wäre mir ihm jetzt zu begegnen." Er schwang sich auf sein Roß und sprengte voraus dem Kloster zu, einem Kriegsmann ähnlicher als einem Mönch.

Den Andern aber hob sich der Muth, als sie seinen wilden Zorn erkannten, und hinter ihm eilte der große Schwarm von Männern und Weibern auf der Landstraße dahin, während Bardo mit den Brüdern, die das Unglück geschaut hatten, traurig dem Abte entgegen ging.

In der Halle des Grafen Gerhard beleuchtete der rothe Schein vieler Kienfackeln die Holzwände und die rußigen Balken der Decke. Gegenüber der Thür führten einige Stufen zu dem erhöhten Raum, auf welchem der Herrentisch stand, dort brannten große Wachslichter, ein weißes Tischtuch war aufgedeckt und neben den Thontellern blinkten silberne Kannen und Becher. In der Halle waren zwei lange Tafeln gerichtet mit Sißen darum und unten an der Thür eine dritte kleine, alle mit Holzgeräth und irdenen Krügen bestellt.

Der Kämmerer des Grafen trat an die Thür der Halle und blies auf einem Horn, das er am Halse trug, den Ruf zum Mahle in den Hof. Klirrend drangen die Schwertmannen in die Halle und reihten sich hinter den Holzstühlen, auf der rechten Seite die freien Vasallen und unterhalb, wo das Tischtuch aufhörte, ihre Knechte, auf der linken Seite die unfreien Hofleute mit den Knechten. Die Freien waren meist bäuerische Genossen, welche lungernd in den Dörfern des Grafen saßen, bis sie zum Schwertdienst entboten wurden, die Unfreien aber, obgleich sie die schlechtere Bank besetzten, achteten sich für heldenhafter, weil viele von ihnen im Herrenhof hausten, täglich hinter dem Grafen ritten und schönes Gewand und gute Rosse von ihm empfingen. Die Freien wiederum waren stolz auf ihre Herkunft und verachteten die Knechtschaft der Geschmückten, so daß die beiden Bänke in Eifersucht lebten. Ganz unten an der Thür aber, getrennt von den Andern, harrten an besonderm Tisch die beiden Fechter, Ringrank und der Sachse Sladenkop, unehrliche Leute, welche ihr Blut dem Grafen verkauft hatten und öffentlich mit scharfem Eisen gegen ihres

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