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nimmt, dass die Zuckerbildung der Stärke durch lösliches Gluten bewirkt werde.

Zweiter Abschnitt.

(In diesem zweiten Theile des Berichts spricht Chevreul zuerst von den Versuchen, welche in den Abhandlungen von Payen und Persoz, Couverchel, Guérin-Varry und Lassaigne enthalten sind. Hier folgt nun die Critik Chevreul's über die verschiedenen Resultate der genannten Chemiker.)

Die Stärke besteht aus einer Hülle und einer innern Substanz, welche sich sehr von einander unterscheiden, da letztere allein in heissem Wasser auflöslich ist. Diese Thatsache wurde von Raspail aufgestellt. Diese lösliche Substanz ist weder, nach Raspail, arabisches Gummi, noch, nach Biot und Persoz, reines Dextrin. Denn im ersten Falle müsste die Stärke, durch Behandlung mit Salpetersäure, Schleimsäure geben, und in beiden müsste kaltes Wasser fein zertheilte Stärke leicht auflösen, wie dies beim arabischen Gummi und dem Dextrin der Fall ist. Wir müssen daher der Meinung von Payen und Persoz und der von Guérin eine besondere Aufmerksamkeit widmen, da sie keine solche Schwierigkeiten darbieten. zu beantwortenden Fragen sind folgende: Ist die auflösliche Substanz der Stärke ein reiner, unmittelbarer Bestandtheil, die Amidone nach Payen und Persoz? oder besteht sie aus Amidin und Amidein*), wie Guérin behauptet? Wäre sie ein einziger unmittelbarer Bestandtheil, so müsste dieser durch die Einwirkung des kochenden Wassers genau sich in Amidin und lösliches Amidein verwandeln.

Die

Untersuchen wir nun die Gründe, aus welchen man, der Ansicht von Payen und Persoz zufolge, die innere Substanz der Stärke als Amidone zu betrachten hat.

Da die Amidone in Wasser unter 650 sich nicht auflöst, und nur in heissem Wasser es thut, so sieht man sogleich, warum die Stärke von kaltem Wasser so wenig angegriffen wird, und sich in Kleister verwandelt, wenn sie in einer gehörigen Quantität Wasser erhitzt wird, und in Gallerte, wenn

*) Amidin ist Saussure's Amidine, Amidein aber das Amid'n von Guérin. A. d. Uebers.

man, nach ihrem Auflösen in Wasser, die Flüssigkeit gehörig eindampft und erkalten lässt.

Die Amidone ist die einzige bekannte Substanz, welche durch Jod blau wird; sie fällt ferner Barytwasser, basisch-essigsaures Blei und Galläpfelinfusion. Daraus schliessen Pay en und Persoz, dass, wenn diese Eigenschaften sich bei Substanzen zeigen, welche aus Stärke erhalten wurden, die der Einwirkung der Hitze, des warmen Wassers, der Diastase, der Säuren u. s. w. ausgesetzt wurden, nothwendig ein Antheil der Amidone der Stärke dem einwirkenden Körper widerstanden haben müsse. So z. B. behaupten sie, dass die Eigenschaft des Amidins, des löslichen Amideins und des HüllenAmideins von Guérin durch Jod gefärbt zu werden, von der Amidone abhängig sei.

Dieser Schluss erscheint sehr befriedigend; denn es ist natürlicher, blos einem einzigen Körper eine merkwürdige Eigenschaft, welche als Bezeichnung eines Charakters dienen kann, zuzuschreiben, als mehreren Körpern. Andererseits aber, wenn mehrere Substanzen aus einem einzigen Ganzen eine solche Eigenschaft zeigen, so kann man doch nicht immer daraus schliessen, dass diese Substanzen nur unreine Produkte seien. Wir meinen, dass ein Chemiker durch eine solche Erscheinung sich immer angespornt fühlen muss, besondere Versuche anzustellen, um zu untersuchen, ob diese den Substanzen gemeinschaftliche Eigenschaften blos einem einzigen Körper angehören. Nur dann lässt sich ein genügender Schluss daraus ziehen, wenn diese Versuche, unter Vergleichung der Resultate und der Kraft der angewendeten Agentien angestellt

worden sind.

Weil die Stärke durch die Einwirkung der Schwefelsäure sich gänzlich in festen Zucker verwandelt, will man behaupten, dass desshalb nur ein einziges Princip, nemlich die Amidone in der Stärke vorhanden sein könne. Diese Behauptung verliert aber ihren Werth, wenn mn bedenkt, dass sehr viele, sehr von einander verschiedene, unmittelbare Bestandtheile, gleich der Stärke diese Umwandlung erleiden. Es wäre also möglich, dass sich in der Stärke zwei Principien, das Amidin und das lösliche Amidein befänden, welche diese Eigenschaft zeig

ten.

Denn jedesmal, wann die Einwirkung der Schwefelsäure

nicht vollständig erfolgt, bildet sich eine unkrystallisirbare, geschmacklose und nicht gährungsfähige Substanz. Aus dieser Erscheinung liesse sich dann wiederum auf die vorige Hypothese entgegnen, dass eines der vorhandenen Principien mehr als das andere geneigt sei, sich in Zucker zu verwandeln. Diese Annahme wäre eben so wahrscheinlich als die vorige, wo man annimmt, dass ein einziges Princip der Stärke, ehe es ganz zu Zucker wird, sich in eine nicht zuckerartige, auflösliche Substanz verwandelt.

Wir wollen nun auch die Gründe untersuchen, welche Guérin bewogen, die Stärke, als aus Amidin, löslichem Amidein und Hüllen - Amidein zusammengesetzt, zu betrachten.

Nach Guérin ist die innere Substanz der Stärke eine Verbindung von Amidin und löslichem Amidein. Bringt man sie mit siedendem Wasser in Berührung, so löst sie sich ganz darin auf, mit Ausnahme eines Theils, welcher mit der Hülle zurückbleibt und das Hüllen - Amidein bildet. Concentrirt man die filtrirte Flüssigkeit, und lässt sie sorgfältig erkalten, so scheidet sich das lösliche Amidein als gallertartige Masse aus. Man kann selbst eine ordentliche Gallerte erhalten, welche nichts anderes ist, als ein von den Tegumenten befreiter Stärkekleister. Dampft man sie zur Trockenheit ab, und nimmt den Rückstand wieder mit Wasser auf, so löst sich das Amidin mit etwas Amidein auf, und der Rückstand von Amidein enthält etwas Amidin. Man erklärt dies durch die Unlöslichkeit des Amideins und die Verwandtschaft des Amidins zum Wasser.

Die Gründe, welche Guérin bewogen, das Amidin und das lösliche Amidein als unmittelbare Principien der Stärke anzunehmen, sind folgende: Das Amidin ist neutral und farblos wie die Stärke; es wird stark durch Jod gefärbt; das Wasser zieht Amidin und lösliches Amidein aus der Stärke aus. Was den letzteren Umstand betrifft, so machte Guérin folgenden Versuch in Gegenwart der Commission. Ein Papierfilter wurde in einen unten zugeschmolzenen Trichter gesetzt; dann wurde Wasser darauf gegossen bis der Trichter und das Papierfilter halb voll waren. Dann brachte man auf das Papier zerriebene Stärke und so viel Wasser, um das Filtrum ganz zu nässen. Endlich brachte man, mittelst einer ausgezogenen Pipette, eine Schichte Jodwasser auf den Boden des Trichters. Innerhalb Journ. £ prakt. Chemie. II. 6.

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einiger Minuten bemerkte man gar keine blaue Färbung, was bewies, dass keine Stärke durch das Filter gegangen war. Endlich aber, nach 6 bis 12 Minuten, sah man farblose Streifen, welche sich sogleich blau färbten, so wie sie mit dem Jod zusammenkamen. Diese Erscheinung kann aber blos von einem aufgelösten Körper herrühren. Aus diesem Versuche scheint also hervorzugehen, dass die Stärke an das kalle Wasser eine auflösliche Substanz abtritt, welche, in Berührung mit Jod, blau wird, und dass diese Erscheinung nicht von einem Antheile von in Wasser suspendirter Stärke herrührt. Kann man aber daraus, dass eine in Wasser lösliche, durch Jod blau werdende Substanz, durch das kalte Wasser der Stärke entzogen wird, schliessen, dass die ganze, in heissem Wasser lösliche Stärke nur aus Amidin und löslichem Amidein bestehe? und dass ferner diese beiden Substanzen sich schon vorher in der Stärke befänden, ehe sie mit heissem Wasser behandelt wurde? Aus folgenden Gründen können wir dieser Behauptung nicht beistimmen:

1. Es könnte der Fall sein, dass eine Substanz, von der Art wie die Amidone, das Vermögen besässe, sich durch Jod zu bläuen, wie das Amidin und das Amidein, in welche sie sich durch die Einwirkung des Wassers und einer gehörigen Temperatur verwandelte; alsdann könnte man aus der Färbung des Jods durch Stärke nicht mit mehr Recht auf die Gegenwart des Amidins und des Amideins in der Stärke schliessen, als aus der Färbung der Auflösung mit kaltem Wasser auf die der Amidone.

2. Die Substanz, welche sich durch Jod blau färbt, und aus der zerriebenen Stärke durch kaltes Wasser ausgezogen wird, kann, in Bezug auf die unlösliche Masse in so geringer Quantität vorhanden sein, dass man nicht, wie Guérin es that, schon schliessen kann, dass die Stärke 0,60 ungefähr Amidin enthalte. Angenommen, das kalte Wasser löse nur sehr wenig von der Stärke auf, das heisse hingegen löse 0,60 Thl. von in kaltem Wasser löslichem Amidin auf, nachdem das Amidein davon entfernt wurde, so scheint es natürlicher, dass eine Substanz, wie die Amidone, die ganze Stärke ausmache, und dass letztere nur durch die Einwirkung von heissem Wasser in Amidin und Amidein verwandelt werde.

Was das Hüllen Amidein betrifft, so besteht es wahrscheinlich aus Tegument und derselben Substanz, welche die Hauptmasse des löslichen Amideins ausmacht. Es scheint übrigens das Tegument, wenn nicht der Holzfaser ganz gleich, doch wenigstens ihr sehr ähnlich zu sein. Das einfachste Verfahren,es rein darzustellen, scheint das von Payen und Persoz zu sein; es besteht darin, dass man die Stärke mit einer hinlänglichen Menge von Diastase behandelt. Wenn wir aber annehmen, dass durch die Diastase das Tegument der Stärke von der innern Substanz isolirt werde, dürfen wir, wie Payen und Persoz, daraus schliessen, dass die Eigenschaften des Amidins und löslichen Amideins, sich in Berührung mit Jod blau zu färben, von der Amidone oder damit gemengter unverwandelter Stärke herrühre? Gewiss nicht, denn wir müssten dann auch als bewiesen annehmen, dass es nur eine einzige Substanz, nämlich die Amidone gebe, welche durch Jod blau gefärbt wird, was uns nicht so ausgemacht zu sein scheint, wie Payen und Persoz glauben.

Aus allem diesen ergiebt sich folgendes:

1. Da die Analyse der Stärke von Guérin mit heissem Wasser vorgenommen wurde, so kann man, nach den Modificationen, welche viele organische Substanzen durch das Wasser und die Hitze erleiden, annehmen, dass das Amidin und das lösliche Amidein nur das Resultat einer unter solchen Umständen Statt gefundenen Umwandlung sind. Man könnte noch folgenden Versuch anstellen: ein bestimmtes Gewicht gepülverter Stärke vollständig mit kaltem Wasser ausziehen, und die Auflösung im luftleeren Raume verdunsten lassen; die rückständige Masse abwiegen und mit derjenigen vergleichen, welche das heisse Wasser auszieht. Im Falle der erste Rückstand beträchtlicher wäre als der zweite, müsste man ihn ebenfalls mit heissem Wasser ausziehen, und sehen, wie er sich gegen die Auflösung in kaltem Wasser verhält. Wären dann die Produkte, welche das kalte Wasser und das heisse Wasser geben, qualitativ und quantitativ gleich, so könnte man mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass das Amidin und das Amidein die wirklichen unmittelbaren Bestandtheile der Stärke seien.

2. Unsere Kenntnisse über alle Verhältnisse, welche das

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