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marsch der französischen Truppen unter General Ferrières, verliessen sie Pruntrut. Da wo bey Nangiez die Straße nach Delemont und Biel sich scheidet, trennten sich die Oesterreicher vom Fürsten. Jene schlugen den Weg nach Deutschland ein,' dieser kam mit seinem Hofstaat am 30. April 1792 in Biel an.

In runtrut herrschte allgemeine Verwirrung. Die eis nen reisten ab, während die andern triumphirend wieder eins zogen. Unter diesen Umständen hatte die Bürgerschaft sich bes waffnet und die Thore beseßt. Hinwieder war die fürstliche Bache zum Schuße des Regierungraths, den der Fürst bey seis ner Abreise ernannt hatte, auf dem Schlosse geblieben. Der Regierungrath verstärkte dieselbe durch Jäger, und solche Hands werker und Bauern, die dem Fürsten treu blieben. Es dauerte uicht lange, so musste man sich vertheidigen. Am Auffahrtstag erschienen die rückgekehrten Patrioten an der Spiße von vier bis fünfhundert Bauern, um den Magistrat von Pruntrut zu bere: den, die Uebergabe des Schloffes zu veranstalten. Als dieser sich damit nicht befassen wollte, versuchten sie selbst einen Angrif, der aber mißlang. Die Schloßwache leistete kräftigen Widerstand; die Angreifer zerstreuten sich, und ihre Häupter zogen sich wieder nach Delle zurück.

Die französischen Truppen, welche außer Pruntrut, Dels: perg und Lauffen, die Hauptpåsse des Landes beseßt hielten, blieben meist ruhige Zuschauer dieser Auftritte. Ihre Unthätige teit flößte dem Regierungrath einigen Muth ein, und er ließ unter andern verschiedne Personen mit Arrest belegen. Die Pas trioten ihrerseits, durch die Gegenwart der Franzosen aufges muntert, erlieffen in den Gemeinden Boncourt, Piquerez und Belefond (am 24. 27. und 28. May) Freyheitproklas mationen und pflanzten Freyheitbäume. Doch blieb es immer noch bey kleinen revolutionåren Versuchen, die von Seite der übrigen Gemeinden wenig oder gar nicht unterstüßt wurden. Erst im Monat August, als neue Truppen in Pruntrut eins gerückt waren, traten Revolutionfreunde beherzter auf, und ers richteten in dieser Stadt eine Volksgesellschaft, die nunmehr eis ne Hauptstüße der Feinde der alten Regierung, ein Schrecken ihrer Anhänger und der Mittelpunkt der Revolution ward. Die Einnahme des Schlosses, dessen Garnison ein fortdaurender Ge: genstand von Besorgnissen blieb, ward nun beschlossen. Am 6. Sept. Abends erfolgte der Angriff, man bemächtigte sich des

Gebäudes und vertrieb die Wache und ihren Kommandanten. Die allgemeine Revolution ward nunmehr ernstlich betrieben. Eben jene Deputirte, welche bereits zu Boncourt und Bels lefond aufgetreten waren, versammelten sich im Schloß und ers liessen aus dieser alten Residenz der Landessouveräne am 22. Nov. das Proklama, welches die Verhältnisse der Einwohner des Bisthums zu ihrem bisherigen Souverain und ihre verfassungs mäßige Verbindung mit dem deutschen Reiche für aufgelöst ers klárt; die Freyheit und Unabhängigkeit seiner Gemeinden auss spricht, und diese sówol als überhaupt alle vormals dem Fürfts bischofe zugehörigen Land; und Herrschaften einladet, sich durch Abordnung von Deputirten, jenen anzuschließen. Diese Pròklas mation ward indeß den Gemeinen noch nicht unmittelbar übers macht. Man wünschte sich ihrer Stimmung erst näher zu vers sichern, so wie hinwieder auch des Schußes, welchen der National convent durch ein Dekret (vom 19. Nov.) allen Völkern verheißen hatte, die das Joch ihrer Regierungen abschütteln und ihre ursprüngliche Unabhängigkeit wieder geltend machen wollten. Man wandte sich an den Befehlshaber der französi: schen Truppen, welcher darüber der vollziehenden Gewalt Be richt erstattete. Der Erfolg entsprach den gehegten Wünschen. Ein Proklama des Oberbefehlshaber der Rheinarmee, General Biron, das in allen als Reichslehen zu dem Bisthum Basel gehörenden Gemeinden bekannt gemacht ward, fordert dieselben auf, Abgeordnete nach Pruntrut in die Versammlung der Stellvertreter Rauraciens ju senden. Die Abgeordneten wurden ernannt, und an dem für ihren Zusammtritt bestimmten 17. Dezember. ward die Versammlung eröffnet.

In den übrigen Abtheilungen des Bisthums war inzwischen noch Alles ruhig geblieben. Das Münsterthal, obgleich zum deutschen Reich gehörig, fand in seinem Bürgerrecht mit Bern Beruhigung. Seine politische Lage war nichtsdestominder be denklich und gefährlich, und sie erheischte ein wohl überlegtes und vorsichtiges Benehmen. Biel und Neustadt fahen sich als dem ganzen Streit fremde an. Sie verlangten nichts vom Fürsten, und blieben ihm treu und zugethan. Das Erguel schien gleiche Gesinnung zu hegen, aber die Verfassung, bey der es sich in ruhigen Zeiten sehr wohl befunden hatte, ents hielt gewisse Bestimmungen, die in stürmischen Zeiten nur gar zu leicht Zwiespalt veranlassen konnten. Die Einwohner - des

Erguel, befanden sich im Besiß großer Vorrechte, und sowohl die ihnen eingeräumten Ständeversammlungen, als die Organis sation ihrer Gerichte und ihre Geseße, gaben ihrer politischen Verfassung, unter einer Fürstenregierung eine zur Hälfte repus blikanische Form. Sie waren von jeher auf diese Vorrechte stolz und eifersüchtig. Ueber die kleinste Beeinträchtigung empfindlich, waren sie immer zu klagen bereit und von so argwóhnischem Charakter, daß jede, auch die nüßlichste, Neuerung, welche der Fürst vornahm, ihnen eine widerrechtliche Anmaßung dünkte.

Ein ganz besondrer Stoff zu Unruhen und Zwietracht ers gab sich aus der Abhängigkeit des Erguels von der Stadt Biel, in Hinsicht auf Militárverhältnisse. Zwar mußte eben dieses Verhältniß den Einwohnern des Erguels wichtig seyn, weil sie durch dasselbe, gleich Biel, Schußverwandte der Schweiz wurden; und da sie, durch Geist, Sitten und Handel nicht mine der als durch die Lage ihrer Landschaft, sich zu den Schweizern hinneigten, so waren sie auch wirklich ihrem Banner sehr zuges than, und rechneten sichs zur Ehre, ihr Truppen-Contingent zu liefern, so oft die Eidgenossenschaft Milizen aufstellte, Von ans derer Seite konnte ein unparteyischer Beobachter sich nicht vera bergen, daß jene Abhängigkeit den Nachtheil mit sich führte, die Herzen und die Zuneigung der Erguelschen Angehörigen zu theis len, und daß sie, bey gegebnen Anlässen, ein Stein des Anstosßes für ihre Treue gegen den Souverain werden musste. Der Hof von Pruntrut sah dies vollkommen ein, und war gegen Alles wohl auf seiner Hut, was von Seite der Stadt Biel auch nur den Schein einer Anmaßung auf Souverainetätsrechte haben konnte. Biel seinerseits war auf die militärischen Rechtsamen die ihm in seinen schweizerischen und übrigen politischen Verhälts nissen Gewicht gaben, nicht wenig eifersüchtig. Dies ward ein ewiger Stoff zu Mißtrauen und Zerwürfnissen zwischen dem Fürsten und der Stadt Biel, und hinwieder zu Zankereyen und Zwisten der Ergueler unter sich selbst.

Die Stadt Biel batte seit einiger Zeit die Organisation und die Webungen der Milizen des Erguel vernachlässigt. Jest bey den überall vorhandenen kriegerischen Aussichten, während ganz Europa von einem allgemeinen Brande bedeckt schien, und da die schweizerische Eidgenossenschaft insbesondre sich zu Deckung ihrer Grenzen bewaffnete, ward auch Biel auf seine Milizen bes dacht. Sie bestanden aus drey Bataillons, demjenigen von Biel

und den Gemeinden des untern Erguel, dem des obern und dem des mittlern Erguel. Ein längst gewünschtes Militärreglement für die Organisation und den Dienst dieser Bataillons kam jeßt endlich zum Vorschein; aber, der Verfassung der Landschaft zuz folge, konnte keine Militárordonnanz oder Maßreget in Vollzies hung gefeßt werden, die nicht zuvor den Gemeinden und Depuè tirten des Landes mitgetheilt und von ihnen genehmigt war. Das Reglement ward demnach dem ersten Maire des Erguel übermacht, welcher der Ordnung gemäß die Stellvertreter des Landes zu versammeln und den Gemeinden von dem Gegen: stande der Berathungen Kenntniß zu geben hatte, auf daß sie ihre Deputirte mit gehörigen Vollmachten und Instruktionen versehen. Dem Oberamtmann des Fürsten kam die Zeitbestim mung für Einberufung der Versammlung zu. Er ward dafür. angesucht; aber er verschob, dem Ansuchen zu entsprechen, vermuthlich weil er in dem Reglement solche Bestimmungen wahr zunehmen glaubte, welche Eingriffe in die Rechte des Souverains und in die Verfassung des Landes enthielten. Der Magistrat von Biel schöpfte hinwieder über diese Zögerungen Mißtrauen; er glaubte, man wolle seiner spotten, und beschloß über die Formen hinwegzuschreiten und auf einen bestimmten Tag das Reglement in allen Kirchen verkünden zu lassen. Sobald dies dem Oberamtmann bekannt ward, versanimelte er die sämmtlichen Maires des Landes. Diese ersuchten den Magistrat von Biel schriftlich, die betreffende Auskündigung zu verschieben; gleichs zeitig übermachten sie den Gemeinden eine Denkschrift, um denselben darzuthun, daß das Reglement sich in ́ verschiednen Punkten gegen die Verfassung und die Militärverhältnisse des Landes verstoße. Aber ohne auf die ihm eingesandte Vorstellung Rücksicht zu nehmen, beharrte der Magistrat von Biel auf seinem frühern Beschlusse; das Reglement ward zur Bekannt. machung in allen Kirchen des Erguels versandt, und an die Offiziere gelangte der Befehl, sich auf den 23sten Juny (1790) nach Biel zu verfügen, um ihre Brevets allda in Empfang zu nehmen. Der Oberamtmann fäumte nicht, die Maires neuers dings einzuberufen, welche alsvaleich zwey Glieder aus ihrer Mitte an den Fürsten sandten, mit dem Begehren: er möchte die Bekanntmachung des Reglements untersagen, den Pfarrern befehlen, alle ihnen zugekommne Ausfertigungen desselben den Maires zu übergeben, und den Offizieren endlich verbieten,

sich dem erhaltenen Rufe gemäß nach Biel zu verfügen. · Dar: über entstand im ganzen Land großer Lárm. Man vernahm bald, der Fürst habe Alles gethan, wofür er war angesucht wors den. Die Offiziere des ersten Bataillons gehorchten, ohne des Verbotes zu achten, dem Rufe ihrer Obern. Die des zweyten Bataillons schrieben an den Oberamtmann und begehrten, er möchte es über sich nehmen, das Verbot aufzuheben, widris genfalls sie dennoch abreisen würden. Drohungen und selbst Aufruf zu den Waffen liessen sich jeßt hören. Am Ende erlaubte der Oberamtmann den Offiziers, nach Biel zu gehen, wo ihre Ankunft eine Beschimpfung des Fürsten und ein Tris umph der Stadt war. Ihrer sechzig, sämmtlich zu Pferd, von den Chefs, die ihnen entgegen geritten waren, angeführt, zogen unter lårmender Musik in die Stadt ein. Sie wurden dem Magistrat vorgestellt und dabey Reden und Gegenreden gehalten. Man gab ihnen Feste und ein großes Gastmahl; so kehrten sie, ihrem Banner ergebner als je, zurück.

Der Hof konnte zwar unmöglich Gefallen an diesem Vors gange haben; dessenungeachtet erschien jeßt ein Rescript, das die unverzügliche Bekanntmachung des Militárreglements, sobald dasselbe der Landesversammlung vorgelegt seyn würde, anordnete, und das Benehmen der Offiziere gut hieß. Die Landesversammlung ward am 13ten July abgehalten, und mit einzis ger Ausnahme einer Dragoner-Compagnie, die unterbleiben follte, alles Uebrige angenommen.

So endigte der große Streit, der ohne Nachgiebigkeit des Fürsten leicht blutige Folgen haben konnte. Der. Magistrat von Biel hielt streng auf den Vollzug des Reglements. Die Bataillons wurden fleißig in den Waffen geübt und die dadurch lebhafter gewordenen Militárverhältnisse zwischen Biel und Erguel hatten überhaupt eine solche Annäherung und Einvers ständniß beyder Theile zur Folge, die dem Souverain eben nicht angenehm seyn konnten. Es war daher auch ganz begreif= lich, wenn der Oberamtmann und die Maires ihrerseits in entgegengeseztem Sinne zu wirken versuchten.

Bey dem oben schon berührten stolzen und reizbaren Chas rakter der Einwohner des Erguels war leicht zu erachten, daß ihr Gouverneur oder Oberamtmann häufigem Tadel und Vorwürfen ausgeseßt seyn musste. Der so eben erzählte Vors gang hatte Leidenschaften und Vorurtheile aufgeweckt, und den

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