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Auch traf er im Lager einen Offizier, der früher bei dem Regimente Schwarzenberg gedient hatte, längere Zeit in Wien lebte, und den Berichterstatter erkennend, zu sich rief, und zwar mit den Worten: „Nun ZündholzColumbus, wie geht's?" Dieser Offizier bedeutete Müller, daß er sich Alles gut ansehen möge, daß er (der Offizier) Wien sehr bedauere, daß es werde sehr Leiden müssen, indem ein Drittheil der Kroaten hinreichend wäre, das arme Wien zu zerstören. Als Müller diesen Offizier verließ, begegnete er einem Manne, dessen Namen ihm unbekannt, den er aber täglich im Gerlowißischen Kaffeehaus gesehen zu haben sich erinnerte, und der den Kroaten im Lager Geld austheilte.

5 Uhr Nachmittag. Drei Bauern von Inzersdorf beklagten sich beim Ober-Commando, daß ihnen die Kroaten die Gewehre weggenommen hätten, und wollten andere erhalten.

5. Uhr Nachmittag. Zwei Polizei-Soldaten in der Montur wurden vom Volle aufgegriffen, von mehreren Garden aber mit Gewalt befreit, und, um sie vor ferneren Mißhandlungen zu schüßen, dem Studenten-Comitee übergeben.

Nachmittags erhielt die 3. Landwehr- Compagnie des Infanterie - Regimentes Erzherzog Stephan, welche am 9. October 1848 die 2. Compagnie desselben Regimentes im Luftschlosse zu Schönbrunn abgelöst hatte, den Auftrag, in die Heumarktkaserne einzurücken.

Schon bei dem Hinausmarsche am 9. war diese Compagnie angewiesen, den Weg bei der Belveder-Linie hinaus, längs der Eisenbahn über Meidling einzuschlagen, und auf der Meidlinger Straße nach Schönbrunn zu marschiren.

Die damalige Stellung des Militärs gegen das Civil machte dem Commandanten, Hauptmann Franz Benkiser, eines ganz isolirten Postens räthlich, auf Alles gefaßt zu seyn, die Mannschaft wurde daher strenger überwacht, um jede Besprechung oder Fraterniftrung mit der gegenüber auf der Wache stehenden Compagnie Penzinger Nationalgarde möglichst zu verhindern.

Am 10. gegen Abend mochte dieses Zurückziehen des Militärs bei den wachhabenden Penzinger Nationalgarden Bedenklichkeiten und Besorgnisse eines allenfälligen Ueberfalles erregt haben, da viele Garden nach und nach den Schönbrunner Hauptwachposten verließen. Es gelang jedoch dem Hauptmann Franz Benkiser und den anderen Offizieren des Landwehr-Bataillons Erzherzog Stephan, die Garden zu beruhigen, worauf die llebrigen auf der Wache verblieben.

Nachdem am 11. Okt. in Folge des erhaltenen Befehles alle detachirten Posten, mit Ausnahme der entferntesten, welche verständiget wurden, die Compagnie oben beim grünen Berg zu erwarten, eingezogen waren, marschirte Hauptmann Franz Benkiser, Oberlieutenant Wallner, Lieutenant Zwon arz, und Lieutenant Limböck mit der Compagnie, welche mit der angemessenen Vor- und Nachhut versehen war, auf den bezeichneten Weg; der Gefreite

Winkler, welcher den Marschbefehl in Civilkleidern überbrachte, erhielt den Mantel eines Privatdieners, ein Gewehr, eine schwarze Kappe, und mußte als Wegweiser dienen. Die Truppe marschirte mit versorgtem Bajonette.

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Kaum hundert Schritte vom grünen Thor hinausgerückt, war eine bedeutende Menschenmasse mit den verschiedenartigsten Gewehren und Waffen aufgestellt, und es fielen einzelne Schüsse auf das Militär, theils von vorne, theils von den Flanken, und gleich darauf begann das Sturmgeläute von der dortigen Pfarrtirche Untermeidling (jezt Wilhelmsdorf).

Obgleich die Compagnie mit einigen Zugtheilen der 1., 4., 5. und 6. Compagnie auf 70 Rotten stark angewachsen, und überdieß noch mit 30 Grenadieren von Ferrari verstärkt war, jeden Zusammenstoß mit dieser größtentheils betrunkenen, unzweckmäßig und mitunter abenteuerlich bewaffneten Volksmasse nicht zu scheuen gehabt hätte, so ging der Commandant nach den erfolgten ersten Schüssen vor die Mannschaft seiner Vorhut auf einen ihm entgegenkommenden Nationalgarde-Offizier zu, welcher von einer bedeutenden Menschenmasse begleitet wurde, und frug ihn, was das Schießen und Sturmläuten zu bedeuten haben soll, worauf der Nationalgarde-Offizier etwas verblüfft frug: ob dieses die Schönbrunner Wache sey? Auf die bejahende Antwort Benkisers sagte der Gardeoffizier zu dem Volke: „Ich meine, wir lassen's ziehen.“ - Ein freudiges „ja wohl" erscholl aus der bewaffneten Volksmenge. Hauptmann Benkiser, welcher den Gardeoffizieren versicherte, daß fie jedenfalls das Vernünftigste thäten, ersuchte denselben Sorge zu tragen, daß nicht mehr auf die Truppe gefeuert, und das Sturmläuten eingestellt werde, worauf der Garde-Offizier mit dem Sacktuche winkte, und das Schießen wie das Sturmläuten verstummte.

Auf diese Weise rückte diese Compagnie ungehindert bei der Belveder-Linie ohne aller weiteren Anstände in die Getreidemarkt-Kaserne ein.

„Die Maßregeln des Gemeinderathes," sagte der Freimüthige, „sind entschieden, und wir müssen gestehen, daß der Gemeinderath größeres Vertrauen genießt, als der Reichstags-Ausschuß. Das Volk fängt an, den unverantwortlich lauen, zurückhaltenden Maßregeln des Reichstags-Ausschusses zu mißtrauen, welche dem Feinde immer mehr Zeit zur größeren Entwicklung seiner feindseligen Maßregeln geben muß."

,,Der Reichstags- Ausschuß will „Ruhe, Ordnung und Sicherheit," diese in allen Variationen schon tausend Male lächerlich gewordene Phrase, in einer Zeit, wo der Bürger um sein Eigenthum, jede Familie um ihre Angehörigen besorgt ist! Wenn Jellačić's Horden auf der einen Seite plündernd einfallen, und auf der andern die Geschüße am Belvedere

ihre Rachen öffnen werden und das kann in wenigen Stunden geschehen

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,,Der Gemeinderath hat: 70,000 Patronen anfertigen, und die dazu gehörige Anzahl von Kugeln gießen lassen; die Veranstaltung getroffen, daß die gehörige Anzahl von Zündern angefertigt werde; angenommen, daß eine Gattung von Kartätschen, die aus den Fenstern geworfen, Hunderte zu vernichten im Stande find, angefertigt werden; den Landsturm organisirt; der Reichstag führt immer die Phrase loyalen Boden" im Munde, und vergißt, daß im gegenwärtigen drängenden Momente der Boden der Revolution und des Krieges der loyale Boden" ist."

Ein Plakat wegen Freizügigkeit:

,,Mitbürger! Es sind leider Fälle vorgekommen, daß Personen, welche sich in jeßiger drohender Zeit von Wien wegzubegeben beabsichtigten, gewaltsam aufgehalten wurden. Es ist durchaus unzuläßig, daß die persönliche Freiheit in irgend einer Weise beschränkt werde, und muß in dieser Beziehung dringend aufgefordert werden, sich jeden Uebergriffes enthalten zu wollen. Uebrigens erwartet der Gemeinderath der Stadt Wien, daß jener in den Tagen der Gefahr vielfach erprobte Muth, die Aufopferung und Ausdauer des größten Theiles der Bewohner, auch den Uebrigen als Beispiel vorleuchten, und sie aneifern werde, ihrer Bürgerpflicht Genüge zu leisten, und nicht durch ihre Abreise bei den Zurückbleibenden Entmuthigung hervorzuru fen. Wien, den 11. October 1848.

Bom Gemeinderathe der Stadt Wien."

Ungeachtet der schönen, im obigen Plakate ausgesprochenen Grundsäße der Bürgerpflichten, des Muthes, der Aufopferung und Ausdauer, haben es die heldenmüthigen Bewohner von Wien dennoch für sicherer erkannt, in Massen zu fliehen, und den wenigen übriggebliebenen Gutgesinnten den Rücken zu kehren, sie und die Stadt ihrem Schicksale zu überlassen um bei ihrer Rückkehr unverschämt zu bramarbafiren.

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Im Gemeinderathe zeigte Stifft an, daß dem Nationalgarde-Ober-Commando ein Stab beigegeben worden ist, der die Vertheidigungsanstalten der Stadt allsogleich in Angriff zu nehmen habe. Das Studenten-Comitee ersuchte den Gemeinderath, er möge den Akt in der Registratur des Hoffriegsrathes ausheben lassen, der über das Geheimniß der Erzeugung congrev'scher Raketen Aufschluß gibt, wornach über Wesselys Antrag, daß man sich an das Nationalgarde-Ober-Commando wenden soll, ob die Enthüllung dieses Staatsgeheimnisses zur Vertheidigung der Stadt unumgänglich nothwendig sey. In diesem Falle solle es nur dem

Commandanten der Nationalgarde-Artillerie eröffnet werden. Dieser Antrag wurde angenommen, Wessely und Böh beauftragt sich in dieser Beziehung zum Ober-Commando zu begeben.

Gleichzeitig wurde diese Commission über Antrag Gassenbauers beauftragt, den Ober-Commandanten aufmerksam zu machen, die Kunstschäße des Zeughauses in gehörige Verwahrung bringen zu lassen.

Der im Gemeinderathe gestellte Antrag, den Mußtag zum Ausziehen um 14 Tage zu verlängern, wurde angenommen und dem Magistrate zur Amtshandlung zugewiesen.

Mautners Antrag, der Gemeinderath möge durch die französische Gesandtschaft das ganze diplomatische Corps auffordern, daß dasselbe für den Fall, als Ban Jellačič oder irgend eine andere militärische Macht die Stadt Wien feindselig angreifen oder belagern würde, einen energischen Protest dagegen einlegen möge, wurde angenommen.

Freund stellte das Amendement hiezu, das diplomatische Corps solle gleichzeitig erklären, daß wenn Jellačič in seiner gegenwärtigen feindlichen Stellung verharren würde, dieß als eine Blokade angesehen werden möge. Auch dieses Amendement wurde angenommen, und Stifft und Freund beauftragt, die Note zu verfassen. Angerer wollte von diesem Schritte erst den Reichstag verständiget wissen, Schierer dagegen, daß dieß erst nach Ablauf der Note geschehe, welch' leßterer Antrag auch angenommen wurde.

Es erschien im Gemeinderathe eine Deputation der Brünner Nationalgarde, und gab ihre Sympathien für Wien kund, und erklärte, den lezten Blutstropfen hingeben zu wollen für die Errungenschaften, die sie den Wienern verdanken.

Der Geschäfts- Antrag, eine Deputation an den Ban Jellačič zu senden, um ihn zu bewegen, von Wien's Mauern wegzuziehen, wurde verworfen.

Schumann's Antrag, ein Plakat zu erlassen, daß alle in jüngster Zeit Bewaffnete sich an die Nationalgarde anzureihen haben, wurde genehmiget und beschlossen, in diesem Plakate auch anzuführen, daß Kinder und Frauen bei Allarmirungen zu Hause bleiben sollen.

Ueber Khun's Antrag, die Barrikaden an den Linien zu einer gewissen Zeit so weit offen zu lassen, daß die Zufuhr von Lebensmitteln nicht beirrt werde, wurde angenommen und beschlossen, sich mit dem Ober-Commando dieserwegen in das Einvernehmen zu sehen, wozu Gräff, Angerer und Khun bestimmt wurden.

Gassenbauer's Antrag, das Unterkammeramt zu beauftragen, da

ür zu sorgen, daß das Laternenlicht auf dem Glacis bis zum Morgen er halten werde, wurde angenommen.

Auf die dem Gemeinderathe gemachte Anzeige von der Ankunft der Linzer - Garden, wurde beschlossen, daß dieselben so gehalten werden sollen, wie die übrigen fremden Garden.

Ueber Würth's Antrag, Anstalten zu treffen, daß zu jeder Zeit disponibles Geld vorhanden sey, wurde der Magistrat beauftragt, die erforderlichen Maßregeln einzuleiten.

Freund stellte den Antrag, die Redaction der Presse aufzufordern, die mitgetheilte Nachricht: Der Gemeinderath habe die ungarische Hilfe anzusprechen beschlossen, zu widerrufen, und sich überhaupt bei Veröffentlichung der Beschlüsse des Gemeinderathes an die autorisirten Protokolle zu halten, wurde angenommen. Ist geschehen.

Gemeinderath Kubenik kam von der Universität, berichtete über die eifrige Anfertigung von Zündern daselbst, und veranschlagte einen neuen Vorschuß von 100 fl. C. M. zu diesem Zwecke, welches genehmiget wurde. Wessely beantragte, daß diese Zünder nur durch das Ober- Commando, und dann weiter durch die Bezirks- und Compagnie Commanden an die Garden und Arbeiter Colonnen ausgefolgt werden sollen, welches angenommen und deshalb eine Note an das Ober-Commando erlassen wurde.

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Ueber mehrere in den Gemeinderath eingelangte Gesuche wegen Verpfle gung der Arbeiter stellte Dr. Folwarzny den Antrag, es solle die Stadt in Bezirke eingetheilt und für dieselben Beamte bestimmt werden, welche die Verproviantirung und Einquartirung aller zuziehenden Garden und Arbeiter unter der Controlle des Gemeinderathes besorgen, welches angenommen und die Organ firung dieser Eintheilung Brodhuber und Magistratsrath Krones übertragen wurde.

Abermals ein Plakat wegen Verpflegung:

,,Kundmachung. Die gegenwärtigen außerordentlichen Verhältnisse und die Nothwendigkeit, für die hinlängliche Approvisionirung der Stadt Wien die möglichste Sorge zu tragen, machen es dringlich nothwendig, daß alle Jene, welche sich mit der Erzeugung oder Bereitung von Nahrungsmitteln beschäftigen, dabei auch ununterbrochen thätig bleiben. Es ergeht daher an alle betreffenden Gewerbsleute, und namentlich an die Bäcker der Stadt und sämmtlicher Vorstädte die dringende Aufforderung, in so lange der gegenwärtige Zustand dauert, sowohl persönlich bei Hause zu bleiben, als auch ihre Hilfsa:beiter möglichst bei Hause zu halten, um im Falle des Bedarfs sogleich mit der Bereitung von Brot und sonstigen Lebensmitteln vorgehen zu können. Wien, am 11. October 1848.

Bom Gemeinderathe der Stadt Wien."

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