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der Erdgarten ist zu einer Wildniß geworden, überall Wustung und zertrümmerter Bau früherer Geschlechter, wie ein Rudel Wölfe bellen die noch leben in der Einöde. Und wo noch ein Volk männerreich auf dem Boden haust, den es sich durch Brand und Mord gewann, da leben die Sieger zuchtlos, stets gierig nach Goldschatz und Fleischeslust. Gänzlich verderbt Hat der üble Teufel dies Geschlecht, das er besitzt, und doch verstopfen sie die Ohren gegen die Botschaft der Gnade, auch wenn sie das Kreuz schlagen und sich Christen nennen. Keine Rettung gibt es für die, welche nach Gottes Ebenbild aufrecht gehen, als die eine, daß sie alle die harten Nacken beugen dem einen Herrn, von dem geschrieben steht, sanft ist mein Joch.“

In der Landschaft, welche sie jezt betraten, lagen in den Thälern oder auf halber Höhe der Berge, wo ein kräftiger Quell aus dem Boden rann, hie und da Dörfer und einzelne Höfe fränkischer Ansiedler, die Höfe klein, die Häuser zerfallen und nothdürftig geflickt, daneben oft leere Brandstätten. Hof und Dorf waren umwallt, aber auch Wall und Graben waren verfallen und zerrissen. Nur wenig Leute sahen sie auf dem Felde, in dem Dorfe rannten die Kinder und Frauen an den Hofzaun und starrten den Reisenden nach; stolz grüßte der Führer und der achtungsvolle Gegengruß zeigte, daß er den Leuten für einen ansehnlichen Mann galt. Zuweilen war am Hausgiebel über dem Zeichen des Besizers ein Kreuz gemalt, dann segnete der Reisende die Bewohner an der Thür mit dem Christengruß, erstaunt vernahmen ihn die Leute und eilten auf die Reiter zu. Aber der Führer trieb hastig vorwärts und im Trabe der Roffe verklangen die Zurufe und Fragen. Wieder kamen sie an ein Dorf, ohne Zaun standen die hohen. Strohdächer, welche fast bis zum Boden reichten, selbst die Fliederbäume fehlten, welche ihre schwarzen Beeren sonst in jedem Hofe wiesen. Nackte Kinder, bräunlich und schmugbedeckt wälzten sich neben den Ferkeln auf der Dungstätte, kleiner waren die Leute, rundlich und platt die Gesichter und statt der

bedächtigen Ruhe, mit welcher die Reiter anderswo von den Dorfbewohnern begrüßt wurden, tönten ihnen hier lautes Geschrei, Schelte und Verwünschungen in fremder Sprache entgegen.

„Sind die Fremdlinge häufig auf eurem Grunde?" frug der Fremde.

„Es sind Wenden von ostwärts, in mehren Dörfern hausen sie hier und in Thüringen, sie zahlen Zins dem Grafen des Frankenherrn, aber übelgesinnt bleiben sie und widerbellig."

Er hielt das Pferd an und horchte auf die Verwünschungen, welche ihnen von einem häßlichen Weib nachgeschrien wurden, dann spornte er wieder das Pferd und rief: „Vorwärts!" Schnell fuhren sie dahin, der Führer richtete sich oft im Sattel auf und wandte die Augen rechts und links. Nach einer Weile ritt der Fremde an seine Seite: „Gefällt dir's, so sage mir, was unsere Rosse so flüchtig vorwärts treibt."

„Nur wenig verstehe ich die Sprache der Wenden," antwortete Ingram, „aber das Weib, der arge Lasterbalg, wünschte uns Unheil, wenn wir auf unserm Wege den Kriegern ihres Volkes begegnen würden. Unruhe ist in der Luft, schon seit dem Morgen fliegen die Habichte und Krähen nordwärts. Mich reut's, daß ich solche nicht gefragt habe, die in unserer Sprache reden.“ Er rief seinem Rosse zu und flog voraus, die Reisenden hatten Mühe ihm zu folgen; dem nächsten Hofe, welcher auf einer Höhe sichtbar wurde, ritt er in gestrecktem Laufe zu und winkte den Anderen zurückzubleiben. Die Reisenden sahen ihn auf dem Hügel halten, bald jagte er wild herunter und vor ihnen dahin. Als sie endlich einen steilen Aufstieg erreichten, frug der Fremde: „Willst du uns nicht sagen, ob Gefahr droht?"

,,Der Hof war leer, auch die Ställe leer, jedes Haupt entwichen, mich wundert, daß kein Flüchtling uns entgegenkommt," versezte der Führer finster.

„Vorwärts,“ rief er, wenn ich euch nicht verlassen soll.“

„Gedenkst du die Gefahr zu meiden, wenn wir vor dem Abend die Roffe ermüden?" bemerkte der Andere ruhig.

,,Ich will sehen," versezte Ingram kurz und ritt wieder vor. So ging es eine Stunde vorwärts, durch Buschholz und über Wiesengrund, endlich sahen sie in der Entfernung seitwärts vom Wege einen großen Hof unter Lindenbäumen, das Roß des Führers flog wie ein Pfeil dem Hofe zu, sie erkannten, daß der Führer einigemal anhielt, dann mit weiten Sprüngen hinter den Bäumen verschwand. Langsamer folgten die Reisenden. Da sie heran kamen, fanden sie das Dach_zerrissen, die Thür eingeschlagen, die Kohlen eines Feuers vor dem Hause. Der Führer beugte sich über Etwas das im Grase lag. Es war ein toter Mann, das Haupt durch einen Keulenschlag gebrochen. „Dies war der Wirth des Hofes," sprach der Führer mit zuckendem Munde. „Er war von Geschlecht ein Franke, aber ein gastfreier Mann. Und er ist gefallen als ein Krieger. Seht dorthin." Erde war aufgewühlt und zu zwei runden Hügeln geschichtet. „Die Räuber haben ihre Toten begraben." ,,Wann ist es geschehen?" frug der Fremde traurig.

„Gestern bevor der Tag warm wurde," versette der Führer und wies auf den Leib eines Slavenrosses, das durch einen Speerwurf des Hofbesizers getroffen danebenlag. Der Fremde sprang ab und eilte nach dem Hause: „Komm, daß wir Hilfe bringen, wenn dort noch Jemand athmet."

„Du sorgst vergeblich,“ entgegnete der Führer. „Seine Tochter Walburg und seine kleinen Knaben sind fortgetrieben. Die Kuh mit der Blässe ist geschlachtet, auf seinem Rosse Goldfeder sitzt ein Slave; die Wenden wissen aufzuräumen, sie lieben nicht halbes Werk."

Der Fremde ergriff einen Spaten und begann ein Grab zu schaufeln. „Rathsam wäre dir von dieser Stätte zu entweichen," rief der Führer unruhig. Der Andere wies auf ein Kreuz, das mit blauem Waid in den nackten Arm des Toten gezeichnet Freytag, Werke. VIII.

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war: „Er ist von meinem Glauben und ich darf nicht gehen, bevor ich seine Hülle vor Wolf und Geier gesichert habe.“

Der Führer trat zurück und murmelte: Mancher Mann, der das Kreuz geschlagen, liegt heut still auf blutigem Grunde.“ Die Reisenden höhlten das Grab, legten den Toten hinein, knieten zum Gebet, deckten das Grab mit Erde und steckten ein Holzkreuz darauf. Dann winkte der Fremde den Jüngling hinweg und blieb allein vor dem Erdhaufen liegen.

Unterdeß war der Führer vorwärts geeilt auf der Spur der Feinde, wie ein Jagdhund sprang er über den Grasgrund; schon harrten die Fremden seiner, als er mit glühendem Antlig zurückkehrte. „Ich erkannte die Fährte, die Fußtritte des Weibes und der Kinder; nur eines der Rosse war beschlagen, ich meine, das ist ein Pferd des Ratiz, des Sorbenhäuptlings. Ich treffe ihn wohl in wenig Tagen," rief er drohend. — „Beantworte mir eine Frage, Fremder: Würdest du dich freuen, den Ratiz erschlagen zu sehen mit seinem Haufen ?“

„Nein,“ versetzte der Fremde.

,,Er hat Männer deines Glaubens getötet und führt ihre Kinder in elende Knechtschaft."

„Nein, sage ich dir," wiederholte der Fremde.

Der Führer raunte einen Fluch, plöglich trat er zu dem Roß des Fremden:,,Bekenne mir, was führst du in dem Ledersack, den du so sorglich hütest?"

„Nicht ziemt dir solche Frage," entgegnete der Reisende kalt, ,,und ich weigere dir die Antwort."

„Ich meine du hast Armringe darin und Silber, wie es die fremden Kaufleute in das Land bringen,“ sprach der Führer und starrte begehrlich auf den Ledersack.

„Vielleicht ist darin, was du nennst," sagte der Fremde, ,,vielleicht auch nicht, was kümmert's dich. Dein kann es nimmer werden.“

Der Führer sah ihn mit feindseligem Blick an, dann fuhr es über sein Gesicht wie ein Krampf, er warf sich auf den

Boden und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Der Fremde ergriff seine Art, stellte sich vor den Liegenden, zog ihm die Hand vom Antliß und legte die Art hinein. „Hier ist die Waffe, mein Sohn, und hier ist das Haupt eines Wehrlosen, willst du treffen, so versuche den Schlag. Willst du lieber hören, so achte auf das Wort eines älteren Mannes.“ Ingram ließ die Waffe ins Gras fallen, und saß mit geneigtem Haupt auf dem Boden. „Ich weiß, was dich verstört," fuhr der Fremde fort, die Räuber treiben ein junges Weib in ihre Berge, du denkst daran sie zu entledigen mit den Waffen oder durch Kauf, und du meinst, der fremde Mann soll dir dazu dienen. Spreche ich Wahrheit, so antworte.“

„Sie sprach stolz zu mir," erwiederte er leise, weil ich nach dem Brauch meiner Väter beim Roßopfer unter der Eiche stand, aber mir ist gräulich, daß sie in der Hand des Ratiz bleiben soll, und in meine Seele fiel es wie ein Strahl aus den Wolken, daß ich eilen muß sie loszukaufen. Dann führe ich sie als Gefangene heim, sie wird mein eigen, und ich ihr Herr.“ Und sie muß thun nach deinem Willen," sprach der Fremde kalt, „wie aber, wenn dein Feind Ratiz ebenso denkt?“

Der Führer knirschte mit den Zähnen und warf sich wieder in das Gras.

,,Sie sind wie die Bestien," sagte der Fremde in lateinischer Sprache. „Steh auf, Führer," befahl er mit ruhigem Tone, und vollende vor Allem, was du gelobt hast. Jezt fordert deine Ehre, daß du uns sicher in deine Heimat bringst, wenn wir dir auch fremd und unwillkommen sind. Bist du erst frei von dieser Pflicht, dann erwäge, welches die nächste sein wird. Aber vergiß nicht, daß das Weib, welches du dir begehrst, unter mächtigem Schuß dahin zieht auf dornigen Pfaden. Denn sie wird geleitet durch die geflügelten Boten meines Gottes, die Engel, damit sie erhalten werde für diese Welt oder hinaufgeführt in den Himmelssaal der Christen. Trägt sie auch Sorbenbande, dennoch ist sie in der Hand eines

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