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Freudensalven zerschossen und in kanibalischer Art gemißhandelt wurde von einer Pöbelmenge, die ihre Schnupftücher in das Blut des Unglücklichen tauchte, und damit jubelnd herumsprang; so wird sich Jedermann über die Stimmung des entfesselten Volkes in Wien seit dem 6. October und über die Stellung der böhmischen Abgeordneten daselbst die richtige Vorstellung machen können.

Urtheilet nun, Freunde der Freiheit, ob die Vertreter des freien Volkes unter solchen Verhältnissen in Wien noch länger bleiben, und das Wohl des Vaterlandes frei berathen konnten? Unter solchen Verhältnissen, wo das Leben jedes Einzelnen wie das eines Geächteten vom Morde bedroht, und jede freie Meinungsäußerung ein Hochverrath gegen das anarchische Treiben der Volkswuth war! Unter Berhältnissen, wo im versammelten Rath der Volksvertreter Waffen aller Gattungen klirrten, Leute aus allerhand Schichten des Volkes Pläge der Deputirten einnahmen, und die vaterlandsmörderischen Wünsche einer herrsch- und gewaltsüchtigen Minorität nach dem terroristischen Willen eines kanibalischen Pöbels zum Beschlusse werden mußten! Nein! und immer nein! Unter solchen Verhältnissen konnte kein Abgeordneter Böhmens länger in Wien verweilen, wofern er nicht durch seine Anwesenheit im Reichstage zu den durch Terrorismus erzielten Beschlüssen seine scheinbare Zustimmung geben, und so an Recht, Wahrheit und Vaterland zum Verräther werden wollte! *)

In Folge der dem Reichstage gemachten Anzeige, daß das Zeughaus geplündert werde, erschien nachstehende Proklamation:

„Der Reichstag gibt hiermit den ausdrücklichen Befehl, die Lokalitäten des Zeughauses gänzlich zu schließen, und daß Niemand als die zur Schüßung des Staatseigenthumes aufgestellten Nationalgarden darin zu verbleiben haben." Im Namen des Reichstages. Franz Smolka, m. p. Vice-Präfident. Cavalcabó, m. p. Schriftführer.

Wien am 7. October 1848.

Diese Proklamation war geeignet den Schein zu retten; denn als solche erschien, war keine Proklamation, waren keine papiernen Verbote oder verbalen Waffen im Stande, das bereits bewaffnete Volk abzuhalten, und das beinahe völlig geleerte Zeughaus zu respektiren.

Man zählte bis jezt ungefähr 150 Todte und 400 Verwundete. Auch vermißte man viele Garden. Furchtbare Errungenschaften!

Die Reichsversammlung genoß das volle Vertrauen der revoltirenden Bevölkerung. An ihrer Macht und Größe, an den großartigen Maßregeln zur Vertheidigung der Stadt, stählte sich das Bewußtseyn und die Haltung des Proleta= riates und der Umstürzlinge. Dem Reichstage verdankte man es zunächst, daß die *) Vergl. W. 3. 1848. 328.

Abreise des Kaisers, wohl eine schmerzliche, aber keineswegs für die gedachten Klassen entmuthigende Wirkung, wie am 18. May, hervorbrachte. Die Völker Oesterreichs haben ihr Geschick in die Hände ihrer Vertrauensmänner, in die Kraft und Gewalt des Reichstages gesezt!

Auf der Universität befanden sich folgende Gefangene: 10 Pioniere, 2 Mann von Nassau Infanterie, 1 Artillerist, 1 Korporal vom Fuhrwesen, ein kaiserlichgesinnter Nationalgarde, und ein Sicherheitswächter, die angeblich beide vom Fenster auf Garden schossen, und von Studenten beschüßt, der Volkswuth entrissen wurden; dann eine Kiste mit Papieren und dem Fracke und Hute des Grafen Latour.

Auf den Wällen leuchteten Wachtfeuer durch die Nacht, ringsherum bivouaquirten die Garden. Es waren auch Männer von Besiß und Intelligenz darunter, Doctoren, Hausherren, Beamte, Kaufleute 2c., Männer mit grauen Haaren, aber mit jungen Herzen, ohne politisches Selbstbewußtseyn, ohne ein richtiges Urtheil über die Ereignisse, viele seit 36 Stunden auf den Posten. Einen schmerzlichen Eindruck machte es auf die Umsturzpartei, daß das Landvolk der Hauptstadt nicht zu Hülfe eilte. Die Bauern waren flüger als Viele in Wien.

Sämmtliches Militär, das die Kasernen in der Stadt und in den Vorstädten verlassen hatte, bivouaquirte auf der Höhe des Belveders. „Von dort aus soll die Stadt bombardirt werden,“ schrieben die radikalen Blätter. „Es mögen an 10,000 Mann dort liegen, doch dürfte es ihnen an nöthigem Geschüß fehlen, da wir die Kanonen aus den Zeughäusern in Besiß haben, und das Militär nur das wenige Geschütz besigt, welches sie aus den Vorstadt-Kasernen mitgeführt haben. Wie wir aus zuverlässigen Quellen hören, würden mindestens 14 Tage dazu gehören, um Wien belagern zu können. Bis jezt fehlt es dem Militär an Allem. Ein Straßenkampf ist nun eine Unmöglichkeit. Am Hof haben gestern 200 Mann alles Militär in die Flucht geschlagen und sechs Kanonen erobert! - Mit Bedauern haben wir vernehmen müssen, daß Nationalgarden und Studenten, welche in die Nähe des Belveders gerathen, von Soldaten nicht nur entwaffnet, sondern auch insultirt werden. Traurig wäre es aber, wenn es sich bestätigen sollte, daß ein Student, ein Nationalgarde, und ein bewaffneter Civilist standrechtlich vom Militär erschossen worden sind. Es hat uns schon schmerzlich berührt, daß gestern ein deutscher Grenadier, der vom Nassau-Regimente gefangen genommen wurde, ebenfalls standrechtlich erschossen worden ist.“ — Solche und ähnliche Lügen war der Inhalt der radikalen Blätter.

Die Gloggnißer und Brucker-Bahn war vom Militär beseßt. Die Mödlinger Garde stieg in Meidling ab, und marschirte in die Stadt. Solche, eine starke Compagnie, kam am Josefsplaß an, ein Offizier derselben erschien beim Obercommando, und wurde vom Plaß-Offizier Dunder mit um so größerer Freude dem Ober-Commandanten vorgestellt, als die Garde im Zeughause ganz erschöpft,

mehrmal dringend um Ablösung bat, und die Mödlinger sich zur Verfügung des Ober-Commando stellten. Dunder schlug in Gegenwart des Offiziers dem Ober-Commandanten vor, mit den prächtigen Mödlinger Garden das Zeughaus zu beseßen, dadurch dem Plündern Einhalt zu thun, und zugleich die dort befindliche erschöpfte Wachmannschaft abzulösen, was auch vom Ober-Commandanten gebilligt wurde. Dunder zog an der Spiße der Mödlinger, welche durch die Straßen einen furchtbaren Trommel-Lärm machten, zum Zeughause, löste die dortige Wach-Mannschaft ab, (welches Geschäft beim Andrange beutegieriger WienerGarden, welche in Uniform ohne Waffen eingelassen, und mit Waffen ausgelassen wurden, und bei der Schwerhörigkeit der Gäste, eine peinliche Aufgabe war,) und ließ sie ins Zeughaus hinein. Aber kaum waren die lieben Freunde darin, so warfen sie ihre Gewehre weg, fielen über andere her, gingen damit hinaus, kamen wieder, trugen wieder fort, ungeachtet des ihnen fundgegeben Reichstagsbefehls, bis daß der genannte Plaßoffizier diesen Unfug auf eine geeignete Weise einstellen, das Thor schließen, und den Schlüssel abziehen lassen mußte. Dem Gewehre-Austausch konnte er aber demungeachtet nicht ganz vorbeugen, weil hochgestellte Personen unter anmassenden Aeußerungen den Eingang forcirten, dadurch dienstlose Garden eindrangen, und als das Waffeneintauschen zu hindern der Wachmannschaft zur Pflicht gemacht wurde, erklärten die Mödlinger Garden dem Plazoffizier Dùnder, sie seyen Winzer, wären verheirathet, hätten die Weinlese, und müßten gleich wieder nach Hause, sie könnten nicht in der Stadt bleiben. Das waren die Garden, die sich dem Ober-Commando zur Verfügung gestellt hatten eigentlich sind sie

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auf Waffen-Erwerb ausgegangen, aber keineswegs um den WienerGarden beizustehen. Den Offizieren muß aber das Zeugniß gegeben werden, daß fie an jener brutalen Demonstration ihrer Garden schuldlos waren und nur viele der lezteren von Disciplin keinen Begriff hatten. Hoffentlich wird bei der Reorganisirung der Nationalgarde darauf Bedacht genommen werden, daß die Compagnien wohl aus Rotten bestehen, aber nicht die Garden undisciplinirte Rotten roher Hauer ausmachen werden.

Das Drängen in das und aus dem Zeughaus war zwar keine Plünderung mehr aber nicht viel weniger. Bei dem rückwärtigen Eingange hielt eine Vorstadt-Compagnie Wache, und die Straßen-Zugänge waren von den ausgezeichneten beiden Compagnien 12 und 13 der Leopoldstadt wacker besegt. Hier kam kein Plünderer durch. Da das hintere hölzerne Thor gegen die Anhöhe ganz demolirt war, so veranlaßte der genannte Plaz-Offizier, daß vom Unter-Kammeramte dasselbe, durch die betreffenden Werkleute geschlossen wurde.

Der Play-Offizier Dunder, welcher die meisten europäischen Arsenale kennen gelernt, und das Wiener als eines der merkwürdigsten gekannt hat,

war bedacht, daß die Waffen nicht in's Ausland wandern. Zu diesem Zwecke machte er den Ober-Commandanten Scherzer darauf aufmerksam, daß Spekulanten die geraubten Schäße des Arsenals über die Gränze schaffen werden wenn solches nicht verhindert würde. Scherzer hat auch wirklich Verfügungen ge, troffen, daß die ärarischen Waffen bei den Linien abgenommen wurden. Daß aber zur Zeit der Wiener Unruhen nur Gutgesinnte nüßliche Verfügungen befolgten, war die Folge der Waffenverschleppung außerhalb Wien und über die Gränze hinaus. In wie weit sich das,,auserwählte Volk Gottes" hiebei spekulirend bewies wissen die Wiener und die Magyaren.

Baron Augustine, Major eines Landwehr-Bataillons aus Böhmen, stellte fich mittelst einer an den Reichstag gerichteten Adresse demselben zur Verfügung, da er von aller Communication entblößt, als selbstständiger Commandant bestand, und keine anderen Befehle erhalten hat.

Die Eisenbahn-Direktion wurde vom Reichstage ermächtiget: die Fahrten herzustellen, um der Hauptstadt die nöthigen Nahrungsmittel zuführen zu können, weil die ärarische Brücke abgebrochen ist. Die Fahrten wurden eröffnet.

Mit heutigem Tage trat der Gemeinderath der Stadt Wien in Folge Beschlusses des Reichstages feine Wirksamkeit an.

Im Reichstage berichtete der Abgeordnete Kudlich, daß im k. Zeughause keine Nationalgarden sich befunden haben, und vom Ober-Commando erfolgte dieserwegen nachstehende Proklamation, welche durch den Saß: „Vorurtheile, die man Euch nach und nach einzuflößen gesucht hat," bemerkenswerth erscheint :

Mitbürger! Man sucht unter Euch Uneinigkeit zu streuen, und hat zu diesem Ende das Gerücht verbreitet, daß Nationalgarden der Stadtbezirke dem Militär in der Vertheidigung des k. k. Zeughauses beigestanden seyen. Ich kann Euch versichern, daß an diesem Gerüchte kein wahres Wort sey, indem mich der Abgeordnete Kudlich, der von 3 Uhr bis 8 Uhr Morgens im Zeughause persönlich zugegen war, des Gegentheils versicherte."

„Bürger! In diesen dringenden Momenten thut Einigkeit mehr als je Noth.

Ich fordere Euch daher auf, derlei Verdächtigungen nicht zu berücksichtigen, und die Vorurtheile, die man Euch nach und nach einzuflößen gesucht hat, nun mehr als je bei Seite zu seßen.“

Wien am 7. October 1848. Vom provisorischen Ober-Commando.

Scherzer, m. p.“

Mittags. Der Minister Kraus legte in der Reichstagssigung zwei Briefe auf den Tisch des Hauses, wovon der erste von Sr. Majestät des Inhalts:

,,Ich habe alle Wünsche meines Volkes zu erfüllen gesucht. Was ein Herrscher an Güte und Vertrauen seinen Völkern erweisen kann, habe ich mit Freude

erschöpft, und durch die Constitution die Selbstständigkeit, die Kraft und den Wohlstand zu erhöhen gesucht.“

,,Obwohl mich die Gewaltthaten des 15 Mai aus der Burg Meiner Bäter vertrieben, bin ich doch nicht müde geworden, zu geben und zu gewähren. Auf der breitesten Grundlage des Wahlrechtes ist ein Reichstag berufen worden, um in Uebereinstimmung mit Mir die Constitution zu entwerfen. Ich bin in die Hauptstadt zurückgekehrt, ohne eine andere Garantie zu verlangen, als das Rechtsgefühl und die Dankbarkeit Meiner Völker. Allein eine geringe Anzahl Irregeführter bedroht die Hoffnung jedes Vaterlandsfreundes mit Vernichtung. Die Anarchie hat ihr Aeußerstes vollbracht, Wien ist mit Mord und Brand erfüllt. Mein Kriegsminister, den schon sein Greisenalter hätte schüßen sollen, hat unter den Händen meuchelmörderischer Rotten geendet. Ich vertraue auf Gott und mein gutes Recht, und verlasse die Hauptstadt, um Mittel zu finden, dem unterjochten Volke Hilfe zu bringen. Wer Oesterreich, wer die Freiheit liebt, schaare sich um seinen Kaiser." Schönbrunn am 7. Oct. 1848. Ferdinand, m, p.“

Daneben sey ein Zettel gelegen, den Kraus, so wie den Brief von Sr. Majes stät, von einem k. Burgwächter erhalten hat. In demselben ist ihm der Auftrag er theilt, dieses Manifest Sr. Majestät zu kontrafigniren und zu publiciren. Von dem Grundsaße ausgehend, daß nur dasjenige Ministerium den constitutionellen Anforderungen entspreche, wenn das Gesammtministerium solidarisch haftend ist, habe er getrachtet, mit Doblhoff und Wessenberg Rücksprache zu nehmen, was ihm nicht gelang. Im Einvernehmen mit Hornbostl habe er beschlossen, dieses nicht zu thun, weil es dem Eide zuwider läuft, den er als constitutioneller Minister geleistet. Er überläßt somit die Entscheidung der hohen Kammer. Die Minister Doblhoff, Krauß, Hornbostl wurden vom Reichstage bestimmt, alle Ministerien zu führen, Ordnung und Sicherheit herzustellen, ein neues Ministerium dem Kaiser vorzuschlagen, und mit dem Reichstage in ununterbrochener Verbindung zu bleiben, dann eine Denkschrift an den Kaiser und eine Proklamation an das Volk zu erlassen. Hornbostl gab seine Dimission, der Reichstag nahm solche nicht an.

Eine telegraphische Depesche der Südbahn meldete, daß 1200 Arbeiter um 4 Uhr Nachmittags nach Wien fahren wollen; nach Neustadt wurde aber Befehl gegeben, daselbst Vorkehrungen zu treffen, sie um keinen Preis nach Wien abfahren zu lassen. Am Hof flatterte noch einer der beiden Riemen von dem Gaskandelaber, worauf den Tag zuvor der Kriegsminister aufgehangen wurde.

Beim N. G. Ober-Commando kamen aus der Umgebung Wien's Garden mit der Anfrage an, ob der von mehreren Seiten angeregte Landsturm in die Stadt ziehen solle, was aber so wie gestern, von Seite der anwesenden Offiziere abgelehnt wurde.

Beim Reichstage wurde die Meldung gemacht, Auersperg habe eine sehr drohende Stellung eingenommen, weßwegen große Erbitterung herrsche.

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