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zu sorgen, und ein junger Mann, ein Journalist, iheilte Jelen mit, daß von der Aula aus eine Proscriptionsliste der böhmischen Deputirten unter dem Volke zirkulire, und als Jelen dieß im neu creirten Sicherheits-Comitee des Reichstages dem Abgeordneten Goldmark beschwersam meldete, fand dieser nichts Anderes zu erwiedern, als: er habe dieß eben auch schon gehört, er glaube es aber nicht, und sey übrigens selbst auch nicht ficher. — Weiters theilte ein Student unter dringender Aufforderung zur Flucht dem Abgeordneten Presl im Vertrauen mit, daß auf der Aula und im demokratischen Vereine mehre Redner aufgetreten find, welche den ganzen Aufstand und alles Blutvergießen nur der Rechten des Reichstages und namentlich den Czechen zur Last legten, und darauf drangen, alle Czechen zu ermorden. Dieß war schon deßhald erklärlich, weil, wie bereits bemerkt, leßterer Verein mit der Kossuth'schen Partei alliirt war. Uebrigens wurden die angedeuteten, den böhmischen Abgeordneten Gefahr drohenden Details nicht allein von ihnen selbst, sondern auch von den deutschen Deputirten aus Böhmen bestätigt. So erzählte am 7. October früh ein deutsch-böhmischer Abgeordneter der Linken dem Trautenauer Abgeordneten Dr. Reiß: Wenn's in der verwichenen Nacht etwas ärger geworden wäre, daß Rieger, Hawljček, Strobach und Trojan als Opfer ganz gewiß gefallen wåren. Dr. Reiß beeilte sich den Abgeordneten Trojan sogleich im Geheimen, und weil er von der linken Seite beobachtet wurde, mit kurzen Worten die Warnung zu geben:,,Trachten Sie wegzukommen, Sie sind unter den Bezeichneten," welche Warnung auch Dr. Kiemann dem Trojan ertheilte. *)

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Würde der Reichstag am 7. dahin gewirkt haben, daß die Behörden ihre Thätigkeit angewendet, die Mörder Latours eingezogen, die akademische Legion und die betreffenden Nationalgarde - Compagnien, welche die Vorfälle am Tabor veranlaßt, aufgelöst worden wären; so hätte der Reichstag eine glorreiche Pflicht erfüllt ; aber er verhieß den Verbrechern Amnestie, er verfolgte ganz andere Bahnen.

Am gestrigen Tage sind in das Spital der barmherzigen Brüder 15 Todte überbracht worden; am heutigen starben sechs, darunter Oberstlieutenant Klein. Ueberbracht wurden im Ganzen 95, davon zwei Drittheile unrettbar verloren. — Das Ministerium war gestürzt, gemordet und aus einander gejagt, der Reichstag von der siegreichen Linken *) Vergl. W. Z. Beil. v. 8. Dec. 1848. — Solche Zustände hatten jedenfalls einen kleinen Anstrich von Terrorismus, wenn nicht von Anarchie! — Ich bin so wenig wie irgend ein vernünftiger Anderer ein Freund des Belagerungszustandes; aber lieber 10 Jahre Belagerung, als solche linkische B..... Politik nur einen halben October!! Dr.

und dem bewaffneten Pöbel zu einer Permanenz genöthigt, in welcher er, wo nicht über Latours gräßlichen Mord frohlocken, doch denselben entschuldigen, und bei allem dem vergessen mußte, daß Wien kein Paris sey. Wer dieses nie glaubte, wer der neuen Wiener Localrevolution auf den Grund sah, wer die Massen der dieser Revolution vom Her= zen abgeneigten Wiener Bürgerschaft, so wie deren Muthlosigkeit gegen die freche Aufruhrsparthei aufzutretenkannte, wer es irgend vorher sah, daß dieser wahnsinnige Aufstand bei seinen absurden Anforderungen, Jellačič den magyarischen Anarchisten Preis zu geben, Wien von allen militärischen Kräften zu entblößen, nur entweder gutheißen oder durch Waffengewalt zu unterdrücken sey, der konnte dem tollen Hazardspiele unmöglich lange zusehen, und es war zu entschuldigen, wenn so viele Bürger Wien verließen. Für den Reichstag schwand aller Boden zu seiner legalen Haltung, weil es im Interesse einer in offener Rebellion nicht nur gegen die Regierungsgewalt, sondern gegen die Gesammtmonarchie begriffenen Residenz, nach Vertreibung des Kaisers aus derselben, Maßregeln beschließen oder gutheißen mußte, die außer den Mauern Wiens nicht nur keine Sympathien hatten, sondern von Jedermann verworfen und bekämpft werden mußten. Die böhmischen Abgeordneten hatten das volle Recht, als sie in der bedrohten Person ihres Präsidenten und einiger Mitglieder, sich und den Reichstag verlegt sahen, den Reichstag für unfrei, für terrorisirt und gesprengt anzusehen, und gewiß, wäre irgendwo unter einer slawischen Bevölkerung, selbst bei viel weniger ernsten Umständen irgend ein deutsches Mitglied einem solchen Einflusse ausgeseßt gewesen, ganz Deutschland riefe Wehe über Terrorismus und slawische Barbarei, und selbst das Ideal der Reichscentralgewalt hätte zum Schuße der deutschen Sache verwirklicht werden müssen. Doch nicht diese persönliche Bedrohung, wenigstens nicht hauptsächlich, war der Grund der Entfernung der böhmischen Deputirten. Es war dieses die von ihnen ausgegangene, durch sie zuerst und am bestimmtesten ausgesprochene Ueberzeugung von Desterreichs einzig möglicher Zukunft: Oesterreich muß fallen oder Kossuth muß besiegt und Ungarn durch eine gemeinsame freie Verfassung mit dem GesammtDesterreich vereinigt werden. — — —

Diese Ueberzeugung, und daß dieses nicht anders möglich sey, als durch die Gewalt der Waffen, war den Deputirten Böhmens zu tief eingeprägt, als daß sie durch eitles Wortspiel von Freiheit und Demokratie an derselben je hätten irre werden können. Die böhmischen Deputirten verließen Wien in der sichern Voraussicht, was da kommen werde, und auch kam. Mögen die Reichstagsmitglieder die in Wien zurückgeblieben sind, weil sie entweder nicht so

klar sahen, oder sich nicht entfernen konnten, oder durften, oder am Ende, weil ihnen vielleicht der Wiener Aufstand angenehm war,mögen sie zur Hintanhaltung von Unglück und Ercessen was immer veranlaßt und gethan haben, sie thaten es nur für Wien, und da endlich Wien denn doch im Gegensaße zu den Beschlüssen und Verfügungen des Reichstages gestürmt und erobert werden mußte; so ist erst die Frage, ob nicht auch mehr Unheil vermieden und die Leidensepoche Wiens wesentlich abgekürzt worden wäre *), hätte der gesammte Reichstag, wenn er es konnte, — ausgesprochen, daß er in einer in Rebellion begriffenen und beharrenden Stadt nicht frei tagen könne, und im Interesse von allen Völkern Oestreichs, die Wiens Stimmung nicht theillen, auch nicht ferner tagen dürfe. Wäre im Gegentheile der Reichstag bis zu Ende in Wien zusammengeblieben, und hätte derselbe - wie er es mußte - in seiner Vollzähligkeit jene absurden Beschlüsse gefaßt, die Fellačič von seiner Stellung in Ungarn entfernen, und kein Militär gegen Wien gelangen lassen sollten; wahrhaftig er würde sich selbst an der Rebellion betheiligt, und vielleicht seine Auflösung, das größte Unglück was geschehen konnte, — verwirkt und herbeigeführt haben **).

8 Uhr Vormittags. Es langte beim Ober-Commando die Anzeige an, daß der muthige Commandant des k. k. Militär-Zeughauses, Artillerie-Hauptmann Kastell sammt seiner alten Mutter, die erst kurz vorher aus dem Banate angekommen war, sammt ihrer Nichte im bürgerl. Zeughause unter dem Schuße der Nationalgarde sich befinden; der Plaß-Hauptmann Baron du Beine verfügte sich sogleich mit dem Play-Offizier Kobierski dahin, nahmen den bereits mit CivilKleidern versehenen Hauptmann Kastell sammt seiner Mutter und Nichte mit sich, führten dieselben in das Ober-Commando, und räumten ihnen daselbst ein Zimmer ein.

Ueber die Aeußerung des Hauptmanns Kastell, daß er sowohl um die im Zeughause zurückgelassene ärarische Kassa, so wie um sein eigenes, und der Mannschaft gehörige Eigenthum sehr besorgt sey; beorderte das Ober-Commando sogleich den Plazoffizier v. Eyselsberg in das k. k. Militär-Zeughaus, um mit entspre chender Bedeckung das k. k. Aerarial- wie Privat-Eigenthum zu sichern, was genanntem Plagoffizier auch gelang, obgleich die tobende Volksmasse noch immer mit der Plünderung der Waffensäle daselbst beschäftigt war, welcher er der geringen Bedeckung wegen, durchaus nicht Einhalt thun fonnte.

Bei anbrechender Dunkelheit führte der Plaz - Hauptmann den tapferen Hauptmann Kastell mit seinen Habseligkeiten in das k. k. Artillerie - DistriktsCommando auf die Seilerstätte, und übergab ihn dem Obersten Wellenau.

*) Sanz gewiß! - **) Vergl. Dest. Cour. u. W. 3. 25. Nov, 1848.

Der constituirende Reichstag erließ an diesem Tage nachstehende Proflamation an die Nationalgarde:

,,Nationalgarden!

,,Der Reichstag hat das Wohl und die Freiheit des Vaterlandes, die Unverleglichkeit des constitutionellen Thrones und des Reichstages unter den Schuß der Nationalgarden gestellt. Den höchsten Gütern des Volkes, den ruhmvollen Errungenschaften unseres hochherzigen Volkes droht Gefahr. Sie kann nur durch einiges, kräftiges Zusammenwirken der Volkswehr und der Volksvertreter beschworen werden. Nationalgarden! das Vaterland ruft! Erfüllen wir einig und kräftig die heiligste Pflicht des Bürgers, die Freiheit des Baterlandes zu schüßen. Wien den 7. October 1848." Vom Reichstags-Vorstande; Franz Smolka, m. p. erster Vice-Präsident. Cavalcabo, m. p. Schriftführer.“ Nachstehende Proklamation war an den Straßenecken zur Beruhigung des Publikums angeschlagen:

,,3ur Beruhigung wird nachfolgendes vom Ministerrathe dem hohen Reichstage mitgetheilte Schreiben des Commandirenden, Grafen Auersperg, zur öffentlichen Kenntniß gebracht."

Wien am 7. October 1848. Vom constituirenden Reichstag.

Franz Smolka, erster Vicepräsident.
Anton Wiser, Schriftführer."

„An Einen hohen Ministerrath! Die gestrigen Ereignisse haben mich veranlaßt, die in verschiedenen Kasernen zerstreuten Truppen der Garnison auf einen einzigen militärischen Punkt zu concentriren, um selbe vor jeder weitern Jusulte und Angriff sicher zu stellen. Es ist durchaus dabei keine feindselige Absicht, ja es wird mir sehr erwünscht seyn, bei eintretender Ruhe und Beseitigung jeden weitern Angriffs auf das Militär, von denen jedoch gerade in diesem Augenblicke die verschiedensten Gerüchte herumgehen, diese außer. ordentlichen Maßregeln aufzuheben, und in das gewohnte Verhältniß zurückzukehren."

lleber die stattgefundenen Feindseligkeiten von Seite des Militärs habe ich schon zu wiederholten Malen mein Bedauern und die Versicherung ausgesprochen, daß hierwegen die strengsten Verbote ergangen sind.“ Graf Auersperg m. p. Feldmarschall-Lieutenant."

Wien am 7. October 1848.

Anmerkung. Zur Seite 144 ist nachträglich zu bemerken, daß F. Blaha, Ordonanz

Offizier unter Pannasch, den in den Reichstag geretteten D. C. Streffleur aus der Burg in seine (Blaha's) Wohnung geleitet und am 7. nach Hießing beglei tet habe. Streffleur hat Blaha's Beistand belobt.

Dr.

Wenn auch an diesem Tage keine ferneren Gefechte in den Straßen Wiens vorkamen, so war doch keine Ruhe zu bemerken, oder Ordnung hergestellt. Die bewaffnete Masse des Proletariats, die drohende Stellung der Truppen im Schwarzenberg' schen Garten, die furchtbare Erbitterung der Soldaten gegen die Studenten und meuterischen Grenadiere, dann Vorfallenheiten in der Nähe des Lagers, die immer noch widerlegt, aber nicht geleugnet werden müssen, -beunruhigten die Bevöl kerung in hohem Grade. Troßdem erhielt das Militär alle Verproviantirung aus der Stadt. Die Studenten und rebellischen Garden arretirten viele Individuen, die mit dem Militär in Verbindung standen, solche wurden aber von einzelnen, gutgesinnten Offizieren beim Ober-Commando frei gelassen es war keine Aussicht, wie das Alles enden solle. Der Mord Latours wurde von einzelnen Elenden als eine gute That bezeichnet, ja mit der Theilnahme geprahlt.

Wie die allgemeine Stimmung des Volkes in Wien beschaffen war, möge ein einziges Beispiel als Erläuterung dienen, welches die böhmischen Deputirten anführen. Ein Deputirter begab sich am 7. October zwischen 1 und 2 Uhr Mittags, um die Volksstimmung, namentlich des bewaffneten Proletariats, worunter sehr viele Fremde waren, zu beobachten, auf die Freiung, und ging von hier mit einem Haufen Nationalgarden und Proletariern in eine Kneipe. Hier erzählte ein Gast seine am 6. an einem Gardehauptmann verübte Heldenthat mit den Worten: Ich habe den schwargelben Schuft unter dem Hochaltar (in der Stephanskirche) erblickt, habe ihn mit der linken Hand bei den Haaren hervorgezogen, sofort am Hochaltar ihm mit dem Kolben den Schädel eingeschlagen, und sodann dem noch Lebenden die Schädelhaut bis zum Kinn herunter gezogen. Unter angemessenen Gesten und Händebewegungen seßte er hinzu : ,,Da zappelte er und dieß war eine Wollust für mich!" Und als der Abgeordnete über diese grausenhafte Erzählung unwillkührlich zurückschauderte und die Miene veränderte, ward er sogleich gefragt, ob er etwa die That nicht gutheiße und vielleicht auch ein Schwarzgelber sey? Die nach Möglichkeit herausgestammelte Entschuldigung mag dem Erzähler genügt haben, indem ihm sofort mitgetheilt wurde, daß der eigentliche Tanz erst morgen losgehen werde, an welchem Tage 20 zum Aufhängen bestimmt seyen. Einer von den Anwesenden wendete ein, die Zahl sey zu gering, aber der Sprecher entgegnete: Wir nehmen lauter Große, Wessenberg, Bach, Mayer u. s. w., das gibt aus! Ist der Chef gehängt, so folgen die Andern schon; überdieß ist das nur der Anfang, das Bessere folgt nach."— Wenn nun schließlich bemerkt wird, daß der Kriegsminister nicht einfach hingemordet, sondern mit einem Schlage getödtet, dann durchbohrt, am Pfahle aufgehängt, verhöhnt, verspottet, entkleidet, durch

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