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Von allen Werken Shakespeares hat sich keines durch ein so stetiges Wachsthum an Berühmtheit, an Anziehungskraft und vielseitigster Wirksamkeit ausgezeichnet, als jenes grossartige 'Gedankentrauerspiel', in welchem der unsterbliche Schwan vom Avon seine erhabenste Poesie wie seine tiefste Philosophie niedergelegt hat. Mit Recht sagt S. T. Coleridge, dass Shakespeares Hamlet der Liebling aller Nationen sei, bei denen die Literatur Englands gepflegt worden ist. An ihn knüpfen sich nicht nur die glänzendsten Namen der französischen und deutschen Literatur, sondern er ist sogar in die Entwickelung ganzer literarischer Epochen verwachsen, und man darf von einer Geschichte desselben in einem höhern Sinne sprechen, als bei irgend einem andern Stücke des grossen Barden. Nach Hegel'schen Ideen liesse sich diese Geschichte sogar in drei Perioden eintheilen, von denen die erste, die englische oder Shakespeare'sche der Hegel'schen Thesis, die zweite, die französische oder Voltaire'sche der Antithesis und endlich die deutsche oder Göthe'sche der Synthesis entsprechen würde. Zur Abrundung des Ganzen fehlt auch ein einleitender Zeitraum nicht, der uns in die sagenhafte Zeit zurückführt, in welcher der Stoff des Stückes zuerst seine Entstehung fand.

Am Hamlet hat sich die dichterische Begeisterung ganzer Geschlechter entzündet; ihm verdanken die grössten englischen und deutschen Schauspieler die schönsten Blätter ihres Lorbeerkranzes; an ihm haben die hervorragendsten Kunstrichter ihren Geschmack gebildet und ihren Scharfsinn entfaltet; in ihm finden die philologische Erklärung und Kritik ein nicht minder fruchtbares Feld für ihre mühevolle Thätigkeit, als in den klassischen Werken der Griechen und Römer. Was Wunder also, dass die durch den Hamlet ins Leben gerufene Literatur bereits zu einer fast unübersehlichen Masse angeschwollen und noch immer im Wachsen begriffen ist? Denn so lange das deutsche und angelsächsische Geschlecht nicht von anderen Völkerstämmen verschlungen wird und in ihnen untergeht, so lange wird.

es auch nicht müde werden, dem Hamlet seines grössten Dichters seine Bewunderung und Liebe zu zollen.

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Die älteste bekannte Quelle, auf welche sich die Erzählung von Hamlet zurückführen lässt, ist die Dänische Geschichte des Saxo Grammaticus (Vol. I, 1 p. 138–161 edid. Müller et Velschow, Havniae 1839).1 Die Geschichte ist nach Saxo Grammaticus im Auszuge folgende:

Der König Rörik hatte nach dem Tode Gervendills dessen beiden Söhnen Horvendill und Fengo die Statthalterschaft von Jütland übertragen. Nach dreijähriger Amtsverwaltung ergab sich Horvendill der Seeräuberei und wurde ein so gewaltiger Seeheld, dass er sogar die Eifersucht des Königs Koller von Norwegen erregte, welcher auf Mittel sann, die Macht und den Ruhm Horvendills zu verdunkeln. Nach langem Suchen traf er ihn mit seinen Schiffen bei einer lieblichen Insel an. Beide Helden stiegen an das Land und verabredeten einen Zweikampf unter der Bedingung, dass für den etwa Verstümmelten ein angemessenes Wergeld gezahlt und für den etwa Getödteten von dem Ueberlebenden eine geziemende Bestattung ausgerichtet werden solle. König Koller fiel und wurde ehrenvoll begraben, Horvendill aber kehrte mit Beute und Ehre beladen heim und wusste sich durch reiche Geschenke den König Rörik so geneigt zu machen, dass ihm dieser seine Tochter Geruthe zum Weibe gab. Geruthe gebar ihrem Gemahl einen Sohn, Namens Amleth.

So viel Glück erweckte den Neid Fengo's. Fengo ermordete seinen Bruder Horvendill und fügte zum Brudermord noch die Blutschande hinzu, indem er die Wittwe desselben heirathete. Ja er wusste sogar sein Verbrechen zu beschönigen; er sprengte nämlich aus, dass die sanfte Geruthe von ihrem Gemahl auf das Grausamste gemisshandelt worden sei, und dass er nur, um sie zu schützen, den Horvendill getödtet habe.

Amleth allein schien dies Vorgeben zu durchschauen. Um jedoch seinem Stiefvater nicht verdächtig zu erscheinen, stellte er sich blödsinnig, wälzte sich im Schmutz und entstellte sein Gesicht durch Besudelung. Bisweilen setzte er sich an den

Die erste Ausgabe des Saxo Grammaticus (Handschriften sind nicht vorhanden) erschien zu Paris 1514 cura Jodoci Badii Ascensii; die zweite Basel 1534 typis Joh. Bebelii; 3. Francofurti a. M. 1576 ex officina Andr. Wechelii; 4. Sorae 1644 seq. recogn. et illustr. S. J. Stephanio, fol.; 5. Lipsiae 1771 cura C. A. Klotzii, 4o; 6. Saxonis Grammatici Historia Danica. Recensuit et commentariis illustravit Dr. Petrus Erasmus Müller. Opus morte Mülleri interruptum absolvit Mag. Joannes Matthias Velschow. Havniae, Gyldendal. 1839. 2 Bde Text.

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