Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

fein wäre zu vereinigen oder es sich ähnlich ́zu machen? Wenn es heißt: Gott werde seyn Alles in Allem, so ist das nicht auf unvernünftige Thiere, auf Stein u. f. w. zu beziehen, sondern auf die von aller Sünde gereinigten Seelen. Was diese ver= stehen, empfinden, denken, ist Alles von Gott; alle ihre Bewegung, Maß und Ziel wird Gott feyn. So wird Alles auf den ersten Zustand wieder zurückgeführt werden, in dem die Creatur war, da sie den Baum der Erkenntniß Gutes und Böses nicht bedurfte. Einige aber meinen, dieser Zustand werde alsdann erst dauern, wenn kein körperliches Wesen mehr den Creaturen anhängt, weil dies an der höchsten Herrlichkeit hinderlich sey. Ich denke aber, in den geistigen Leibern können nicht allein heilige Seelen wohnen, sondern auch die Creatur, die vom Dienste des vergånglichen Wesens befreiet ist.,,Daß manche geheime (mystische) Vorstellun= gen in der Schrift seyen, wissen auch die Einfältigen," (oft besser als die Gelehrten). So ist's nicht nur mit den Propheten, sondern auch im neuen Testament. Was für Geheimnisse schreibt Johannes? (z. B. nur, im 1. Brief 4; 7, 8.) Und selbst die Briefe der Apostel sind nicht leer daDazu muß denn ein Schlüssel seyn. Ich glaube der Weg ist dieser: Gleichwie der Mensch aus Leib, Seele und Geist besteht, so ist es auch

von.

"

mit dem Sinn der Schrift. Die Einfältigen, (die nicht tiefer dringen) begnügen sich an dem Leib, d. i. an dem in die Augen fallenden historischen Verstande. (Alle wahre Mystiker haben diesen auch als Grund behandelt, auf den jede höhere Wahrheit gebaut werden muß); die weiter gekommen sind, wissen sich schon an der Seele der Schrift zu erbauen. Die Vollkommenen dringen bis auf den Geist durch." (Wir werden sehen, nach welchen Grundsäßen verfahren werden muß, um diese Seele zu finden.)

Genug für heute, und vielleicht schon zu viel! doch, Sie müssen nächstens noch mehr lesen, wenn Sie sich aus der innern Kirchengeschichte überzeugen wollen, wie und wo, durch was Mystiker ent standen sind.

Sechster Brief.

An denselben.

Es foll kein Beweis für die Wahrheit der echten Mystik seyn, aber es ist doch auffallend, daß sie sich durch alle Zeitalter der christlichen Rechnung, in jedem Zustande der Kirche und des Christenthums, unter allen Kirchen und Secten, gegen alle Verfolgungen der herrschenden Kirche und alle Spitfindigkeiten der Scholastiker erhalten hat.

Im ersten Jahrhundert lebte Irenåus, Justin der Mårtyrer, Barnabas. Ihren Schriften liegt echte Mystik zum Grunde; im zweiten, Dionyfius Areopagita. Er hat das Zeugniß der berühmtesten, fråmmsten Theologen aus allen Kirchen und vieler Jahrhunderte für sich. Im dritten, Clemens von Alerandrien, Zeno Vereus und Methodius; im vierten, Didymus von Alexandrien, Ephrem der Syrer, Macarius der Weltere;

im fünften, Chrysostomus und Augustinus; im sechsten, Anaftafius, Gregor der Große; im fiebenten, Marimus und Antiochus; im achten, neunten, zehnten und eilften, Paschafius Radbert, Anselmus Bruno; im zwölften, Bernhard, Abt zu Clair - Vaur, von dem Henke sagt: „Ein für Wahrheit und Frömmigkeit so eifriger, und dabei so allgemein verehrter, beinahe gefürchteter Mann war bei dem überhandnehmenden Modestudium der Theologie sehr nöthig, um zu verhüten, daß die Religionslehren nicht gänzlich zur müssigen Schulunterhaltung, zur Uebung einer spielenden Grübelei und gelehrten Streitlust verwandelt würde;" Hugo und Bernhard de Sancto Victore, Albert der Große oder Groot, von dem wir die herrliche Schrift haben, wie man Gott anhången solle; im dreizehnten und vierzehnten, Gertrudis und Mechtildis, Katharina von Siena, Johann Tauler, von dem Luther sagt, er sey ein Lehrer, wie man seit den Zeiten der Apostel keinen gehabt habe; im funzehnten, Johannes Gerson, Thomas à Kempis, mehr als 1800 Mal herausgegeben, in alle Sprachen überseßt, zu allen Zeiten und von allen christlichen Confessionen and Secten verehrt, und der Verfasser der deutschen Theologie. Der gewiß keiner Vorliebe für Mystik und Gefühl-Christenthum verdächtige

Henke sagt von ihm:,,Ein, für seine Zeit und für das nächste Jahrhundert ganz vorzüglicher Sittenlehrer, der sich nicht nur durch sein Jahrhunderte hindurch geschäßtes Erbauungsbuch, sondern auch durch die Erweckung und Bildung vieler guten Köpfe verdient machte." Im sechszehnten, Johannes von Staupiz, Therese de Jesu, Johannes à Cruce. Im siebenzehnten, Arndt, Richard Batter, Franz von Sales, Skriver, Spener.

In allen diesen Zeiten waren es die frómmsten, in das Innerste des Christenthums am tiefsten eindringenden, auf frommen Wandel mehr als auf alles Wissen bestehenden Männer, die man unter den Mystikern fand. ,,Keiner von allen diesen (Vorhingenannten) konnte auf die Ehre eines Religionslehrers folche Ansprüche machen, als Thomas Brodwardin, zuleht Erzbischof zu Canterbury, Johann Tauler, ein beliebter Prediger zu Straßburg, und Johann von Nûysbroek, ein Augustiner in Brabant. Man zählt diese Månner zu den Mystikern, aber wenn irgend in der katholischen Kirche (fie lebten alle im 14. Jahrhundert, also gab es keine andere christliche Kirche) noch Religion zu finden war, so war es in den Kirchen oder Schulen, oder auch Schriften solcher Mystiker," sagt Henke; und an einem andern Orte: Der gelehrte Johann Bonn war noch

« ZurückWeiter »