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Allerdings muß ich Ihnen auch Etwas von dem

neuen Mysticismus sagen, von dem Sie so verächtlich sprechen und mit Recht sprechen, der auch Ursache ist, warum die ganze Mystik als Phanta= siegeburt, dunkle Darstellung, ohne Sinn, als Schwärmerei verachtet wird. Indeß brauche ich Ihnen darüber nur wenig zu sagen. Sie haben die wahre alte Mystik aus meinen früheren Briefen und aus den Quellen kennen gelernt. Der neue Mysticismus ist aber das gerade Gegentheil von dieser alten frommen Mystik. Diese beruht auf innerer Erfahrung, die sich an Tausenden im Herzen auf einerlei Art bewährt hat, jene auf Phantasien, wie sie Dichter schaffen, oft toller, als sie je ein Dichter geschaffen hat. Diese beruht auf Demuth und Glaube, jene auf Stolz und Wissen.

Diese hat einen bestimmten Zweck, jene hat und will keinen Zweck. Es ist in ihr, wie Goethe unübertrefflich kurz und treffend sagt, ein Durst nach Durst. Die neueren Mystiker wåren sehr unglücklich, wenn sie Etwas erreicht hätten; denn was wollten sie nun? Die wahre Mystik hat den erhabenen Zweck: Vereinigung mit Christus und der Gottheit durch die einzigen Mittel, wodurch man sich mit einem höhern, geistigen Wesen vereinigen kann, durch Demuth, Glauben und Liebe. Die wahren Mystiker blieben blos bei ihren innern Anschauungen und Erfahrungen, und ihr Gang kam in Hauptumschwüngen überein mit dem Gang der Natur und des Christenthums, ohne daß sie es wollten, oder auch nur daran dachten. Die neueren Mystiker wollen auch einen Abrahams =, Josephs, Israelsgang gehen; sie wollen ihn gehen, und so zwingen sie sich Etwas auf, machen sich ein Schicksal, was dem Schicksal Abrahams, Josephs 2c. ähnlich ist, ahmen jene Månner im Kleinen nach, wie manche Menschen glauben Jesus ähnlich zu seyn, wenn sie einen ungenåhten Rock tragen. Sie sind Schwärmer, im eigentlichsten Sinne des Worts, Menschen, die auf's Ungewisse hin mit ihrer Phantasie herumschwärmen. Proben davon habe ich Ihnen ja auch aus einigen ålteren Mystikern gegeben.

Merken Sie sich vor Allem die philofophifchen Mystiker, die häufig Bibelstellen anführen und daraus machen, was ihre schwärmende Philosophie will. Ich glaube an den Vater, heißt bei ihnen : ich erkenne einen heiligen Willen, ein ewiges Geset, eine unendliche Verkündigung und Vollziehung desselben im Universo. Ich glaube an den Sohn, heißt: ich glaube an das ewige Gesch der überfinnlichen Welt. Ich glaube an den heiligen Geist, heißt: ich glaube an das Gewissen als Organ, durch welches das Universum im Gemüth zu mir und zur ganzen Menschheit spricht. Wenn Jesus sagt:,,ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben;" so meint er: in der Anschauung des Ewigen nähere. sich dem Gemüth das Heilige und Göttliche. (Wer hätte so Etwas je in den einfachen Worten Jesus. gesucht, besonders da er hinzuseßt:,,Niemand kommt zum Vater denn durch mich."?) Wenn diese Philosophen behaupten, man könne Niemand Religion lehren, so mögen sie nicht Unrecht haben; aber wenn sie behaupten, durch Erzeugung der Religion in dem Innern eines Menschen werde ihm das Universum aufgeschlossen, so werden Sie mit mir sagen: das sey zur Religiofitåt gar nicht nöthig, weil es sonst gar keinen religiösen Menschen gåbe, indem Keinem das Universum, (Universum! das Weltall!) auf

geschlossen sey. Wie der Mensch auf seinem Sandkorn von Erkenntniß des Universums_reden mag, da wir durch die besten Fernröhre nur einen kleinen Theil desselben von fern schimmern sehen können! Man sehe statt des volltönenden Universums, von dem wir so wenig wissen, das einfache Bibelwort: Vater, das jedes Kind versteht; und nun hat Alles Sinn. Was ein Vater ist, wird jedem Kinde aufgeschlossen in seinem Gemüth, sobald es zu einem Menschen herangereift ist. Doch diese Philosophen haben weder einen Vater im Himmel, noch einen Gott, der diesen Namen verdient. Wer das Universum" (das selbstge= schaffene Unding),,betrachtet und zur Erklärung eine selbständige Ursache personificirt und schafft, der hat einen Gott." Also das Geschöpf schafft sich einen Schöpfer!! Er ist nicht, sondern nur zu gewissen Erkenntnißzwecken personificirt. des erbärmlichen Gottes!

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,,Die schaffende und erhaltende Natur Gottes und die Natur der von Gott erschaffenen und erhaltenen Welt werden symbolisch und auf das passendste dargestellt unter den Begriffen der Engel, die zugleich mit dem ewigen Wesen sind und ein feliges Leben genießen,“ sagt ein anderer philosophischer Mystiker. Aber die Engel in der Bibel sind keine Weltnatur, sondern Theile der

Welt, Personen mit persönlichem Charakter, mit bestimmt persönlichen Aeußerungen, Reden, Auftrag in Handlungen. Sehen Sie einmal statt der persönlichen Engelerscheinungen, die Abraham, Zacharias, Maria, Jesus erfuhren, Symbole der erschaffenden, erhaltenden Natur Gottes oder der göttlichen Weltnatur, was wird aus den Erzählungen?,,Die erschaffende und erhaltende Natur Gottes verkündigte dem Abraham Sodoms Untergang. Von ihr erbat sich Abraham Schonung. Diese erschaffende Natur Gottes kündigte Maria, einer Jungfrau, an, sie werde schwanger werden und einen Sohn gebåren u. s. w." Wer kann eine solche Erklärung einfach erzählter Geschichten ertragen? Alles Historische schwindet ganz, und es bleibt nichts als der schalste, gezwungenste, eines jeden verständigen Schriftstellers und noch weit mehr einer heiligen Urkunde unwürdige Mysticismus übrig, nach welchem man aus der Bibel Alles machen kann, was man will.

Eben so gezwungen und unrichtig ist die Allegorie von einem obersten bösen Wesen. In ihm. soll dargestellt werden die Weltnatur, die sich selbst genug seyn will und darum vergånglich wird. Und ist denn das Vergängliche in der Welt etwas, Böses, oder Folge von etwas Bösem? Wenn Tag und Jahreszeiten sind, so muß auch Ver

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