Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

fåttigt, daß eine große Menge nöthig ist, um ihn auszufüllen.“ Und wenn dies unser Philosoph und feines Gleichen für übertrieben und schwärmerisch halten, was sagen sie denn zu dem strafenden Worte Jeremias: *),Mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und graben sich hie und da ausgehauene Brunnen, die doch löcherig sind und (auf die Dauer) kein Wasser geben."

Wir wissen Alle wohl, daß vom Gößendienste die Rede ist; aber es ist ja wohl einerlei, ob die. Hand sich einen Gößen schnißt, ob der Goldschmidt einen gießt, ob der Kopf sich einen herbeispeculirt, oder Herz und Phantasie sich einen idealisirt; oder wenn Fenelon nicht recht hat, wäre denn nicht die Schwärmerei auf's Höchste und Schädlichste getrieben, wenn Jesus sagt: **),,Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht werth; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht werth"? Nicht, als wenn der Mensch diese ihm so nahen Wesen nicht lieben sollte. Sein Freund Johannes hat ihn schön commentirt: Wer Menschen nicht liebt, die der Gott lieben, den er nicht

er sieht, wie kann

* Cap. 2, 13.

**) Matth. 10, 37.

[ocr errors]

fieht?" Von Menschen, die uns die Nächsten find, foll die Liebe aufsteigen zu der höchsten Liebe und veredelt zurückkommen auf Menschen. Ich habe an einem andern Orte gesagt, Jesus sey der größte Mystiker gewesen, und man hat großes Aergerniß daran genommen. Ich wiederhole es aber auch hier, und es ist Nichts leichter, als es zu beweisen. Was war von jeher das Eigenthümliche der Mystik? Wie alle Schriften echter Mystiker zeigen, ein Leben in der beständigen Gegenwart Gottes; also ein steter Blick auf ihn, ein hohes Interesse für Alles, was göttlich ist, — in Natur, Schicksalen, Offenbarungen und Anstalten; willenloses Handeln allein nach Gottes Willen, Gebrauch seiner Kräfte und Zurückhalten seiner Kräfte, nach diesem Willen; stilles Warten, bis er sich offenbart; nackender, auf nichts Aeußeres sich stüßender Glaube; hingebende, reine Liebe zu Gott, ohne Rücksicht auf sich selbst. Und das war die Virtuositåt Jesus, des Menschenfohns. Er bearbeitete Holz für seinen Pflegevater und weckte Todte auf. Er war dreißig Jahre unthåtig und ermüdete sich drei Jahre mit Wohlthun. Man sagt ihm, daß der tødte Lazarus schon stinke, und er ruft ihm in die Gruft hinein, wie einem Lebenden; er konnte Legionen Engel zu seiner Rettung herbeiwinken, und er ließ das fürchterliche Gefühl über sich kommen, Gott

habe ihn verlassen. Mit zerschmetternden Donnerworten deckt er den Heuchelfinn der Pharisåer und Schriftgelehrten auf und bittet für die ruchlosen Spotter, Gott möge ihnen vergeben, weil sie nicht wüßten, was sie thåten. Ja, ihm ist Keiner gleichgekommen als Mystiker. Das schließt indeß nicht aus, daß er nicht auch der größte Philosoph und der größte Moralist seyn konnte und war; vielleicht eben wegen seiner Mystik. Leben Sie wohl.

Dreißigster Brief.

A n denselben.

Ich erinnere mich noch recht gut eines Gesprächs,

das ich vor einiger Zeit mit Ihnen über den viel und unnů besprochenen Gegenstand, über den

Teufel hatte, wo wir unterbrochen wurden, uns also darüber nicht aussprechen konnten. Der ganze Begriff eines Satans, eines mächtigen, bösen Geiz stes mit einer Menge von Anhängern, der Nichts als Böses will, nur auf Verführung zum Bösen sinnt, also in Feindschaft mit Gott und natürlich also auch mit Christus lebt, ist Ihnen, wie Sie fagten, so empörend; Sie könnten es eben so we= nig mit der Allmacht als mit der Güte Gottes reimen, sondern es sey Ihnen vielmehr wahrscheinlich, was man auch zu beweisen gesucht habe, daß es ein unter den Juden während des babylonischen Erils entstandener Aberglaube sey, den Jesus ge

schont und stehen gelassen habe, um sie nicht vor den Kopf zu stoßen und sich dadurch die Erreichung seines großen Zwecks, ein sittlich religiöses, geistiges Reich unter den Menschen zu stiften, nicht zu erschweren. Da man nun behauptet, daß die Mystiker so viel mit dem Teufel zu thun haben; da Luther, der sehr auf ihre Seite sich neigte, sich so mit ihm herumschlug; so darf ich wohl erwarten, daß Sie ein Vorurtheil gegen die Mystiker, blos wegen ihres Glaubens an einen Teufel, fassen werden.

Lassen Sie uns darum' offen und unbefangen von dem Gegenstande reden, ohne uns irre machen zu lassen durch den Geist der Zeit.

Daß die Mystiker, die nicht zugleich Theosophen find, sich viel mit dem Teufelbeschäftigen, ist durchaus unrichtig. Sie denken an Furcht und Haß gegen ihn nicht, weil sie ganz in Liebe zu ihrem Herrn leben. Sie wenden Blick und Sinn und Herz von dem gehåssigen Gegenstande weg, und richten Alles auf den liebenswürdigen und ge= liebten. In dicken Bånden der Mystiker kommt oft kein Wort von dem bösen Geiste vor. Ja, Arnold, ein bekannter Mystiker, wurde, obgleich mit Unrecht, beschuldigt, er habe behauptet, der Teufel sey Nichts als wir selbst. Es waren die Theosophen, und besonders Jacob Böhm, der

« ZurückWeiter »