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Wohl lebt unter dem ältern Geschlechte noch frisch die Erinnerung an die verhängnissvolle Berufung der Jesuiten nach Luzern, an die darauf folgenden unseligen Freischaarenkämpfe und an die glückliche Auflösung des Sonderbunds der sieben Kantone. Wohl besitzen wir zwar eine namhafte Anzahl trefflicher Bücher, welche diese denkwürdigen Ereignisse jener Zeit, je nach der politischen Gesinnung ihrer Verfasser, schildern;

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am ausführlichsten und in den markigsten Zügen that dies P. Feddersen in seiner Geschichte der schweizerischen Regeneration". Die jüngern Generationen aber kennen die Geschichte jener Zeit fast nur vom Hörensagen und so ist ihnen die Vergangenheit wie das Buch mit den sieben Siegeln verschlossen, da selten jüngere Leute sich an ein ernsteres Studium der vaterländischen Geschichte wagen. Der Verfasser des vorliegenden Schriftchens hat zu Nutz und Fremmen der schweizerischen Jugend aus amtlichen Akten und unparteiischen Schriften „die letzten Tage des Sonderbundes" beschrieben; er trägt sich mit der Hoffnung, unser jüngeres Geschlecht werde seine Blätter mit Interesse lesen und sich dadurch zum weitern Studium der vaterländischen Geschichte angeregt fühlen. Wir theilen seinen Wunsch und fügen noch bei, dass das gut geschriebene Büchlein auch von den noch lebenden Militärs, die den Sonderbundsfeldzug mitgemacht haben, gelesen zu werden verdient.

M.

Albrecht von Haller's Briefe über die wichtigsten Wahrheiten der Offenbarung nebst Haller's Lebensbild. Herausg. von O. v. Greyerz. 80, 112 S. Bern, R. F. HallerGoldschach.

Einen grossen Theil dieser Schrift füllt die trefflich geschriebene und mit einem Porträt begleitete Biographie Haller's aus. Die beigefügten 14 Briefe desselben sind in doppelter Beziehung von hohem Werthe. Einmal sind sie das schönste Zeugniss für den tief sittlichen und religiösen Ernst in Haller's Charakter und für die schöne Harmonie, zu der er Wissen und Glauben in sich selbst verband. Dann aber, wenn diese Briefe zeigen, dass bei einem solchen hervorragenden Geiste die exakten Wissenschaften den positiv christlichen Glauben nicht zu erschüttern vermögen, haben wir für letztere eine kräftige Stütze an denselben und bilden sie einen schönen Bei

trag zur christlichen Apologetik, indem sich Haller mit denselben an die ähnlichen Zeugnisse aus nicht theolog. Kreisen wie die eines Kopernikus, Euler und Newton anreiht. Die apologetische Verwerthung des Lebens und dieser Briefe Haller's war denn auch der Zweck, den der evangelisch-kirchliche Verein bei Herausgabe dieser Festschrift zu Haller's Gedächtniss im Auge hatte.

Dubs, Dr. J. Das öffentliche Recht der schweizerisch. Eidgenossenschaft. Gr. 8°, Zürich, Orell Füssli & Cie.

Dieses Werk ist ein Volksbuch im besten Sinn des Wortes, indem es sich die schöne Aufgabe stellt, die Bürger unseres Landes mit den öffentlichen Einrichtungen und dem öffentlichen Recht möglichst vertraut zu machen, durch politische Erziehung des Volkes die äussere Aktion desselben zu einer selbstbewussteren zu gestalten.

Egli, Dr. J. J. Taschenbuch schweizerischer Geographie, Volkswirthschaft u. Kulturgeschichte. 8o, 126 S. Zürich, Schulthess.

Ein statistisches und tabellarisches Werk zur leichtern Orientirung im täglichen Handel und Verkehr. Es ist eine reiche Fülle von Stoff auf 77 Tafeln in erstaunlicher Kürze zusammengestellt und in den einzelnen Theilen mit grosser Genauigkeit und Sorgfalt bearbeitet. Der Inhalt des Büchleins wird übrigens rasch an Brauchbarkeit einbüssen und von Zeit zu Zeit einer allseitigen Revision bedürfen, weil die meisten Abschnitte Gebiete behandeln, die im steten Wechsel begriffen sind.

Walter, A. Eine deutsche Antwort aus der Schweiz. 8, 102 S. Winterthur, Westfehling.

Diese Antwort gilt dem Pamphlet Th. Ziegler's, der in gehässigster Weise von Deutschland aus die Verhältnisse der Schweiz nach allen Richtungen hin begeifert hatte. Unser Verfasser, selbst ein Deutscher, möchte in vorliegender Schrift den Beleidigten Genugthuung geben, indem er die Unwahrheiten und Entstellungen seines Gegners durch aktenmässige Belege bekämpft.

Les gisements bitumineux du Canton de Genève. Notice indiquant: Leur formation géologique, leurs propriétés, physiques et chimiques, comparées à celles des gisements connus, leur exploitation, &c. Neuchâtel, Sandoz. 1877. Gr. 4o, 66 p. avec 1 carte.

Die Schrift gibt Aufklärung über die bitumenreichen Molassesandsteine von Boisy, Cologny, Chambésy, vom Nant d'Avanchet bei Vernier, Archamp, &c.

Im Vorworte besprechen die an der Spitze des Unternehmens stehenden Herren Victor Manuel, Anton Rey, beide früher Concessionaire der As

phalt-Minen von Val-de-Travers und Herr Ingenieur Georges Perusset, den Werth der bitumenhaltigen Schichten zum Zwecke der Ausbeute. Es sind deren zwei; der Molassesand soll sich zur Gewinnung von Petroleum und Goudron (mit Einschluss von Leuchtgas) durch Destillation eignen. Das Merkelkalklager soll einen dem Roman gleichwerthigen Cement liefern.

Unter den bituminösen Sandsteinen von Choully, &c. gibt Herr Alex. Rochat- Maury eine geschichtliche Darstellung der bisherigen Versuche, Ausbeute und Gutachten, nebst Vergleichungen und Zusammenstellungen, so weit es den Goudron und das Steinöl betrifft.

Ein Bericht von Bürtin, Berg-Ingenieur von Taninges (Haute-Savoie) enthält die Analyse über mehrere Proben, die er bei Dardagny erhoben hatte. Andere Berichte von Grüner, Prof. de Marignac und von L. L'Hote bestätigen den günstigen Petroleumgehalt.

Herr Ingenieur Renaud gibt einen einlässlichen geologischen Bericht über die Terrains nebst einer erläuternden Profil zeichnung über die Lagerungsfolge der Gesteine bei Pyrimont (Seyssel) und bespricht noch andere bitumenreiche Lagerstätten.

Noch eine Reihe Zeugnisse über den Goudronund Petrolgehalt und über die in der Nähe vorkommenden Cementkalklager, die alle zu den schönsten Hoffnungen berechtigen, sind dem Hefte einverleibt.

Zur Orientierung liegt eine in grossem Maassstabe angefertigte Karte der Umgebung von Genf bei, in welcher die Grenzen der bituminösen Gesteine angegeben sind. M.

(CALVIN.) Le Catéchisme français de Calvin, publié en 1537, réimprimé pour la première fois d'après un exemplaire nouvellement retrouvé et suivi de la plus ancienne Confession de fois de l'Eglise de Genève, avec deux notices par Albert Rilliet et Théophile Dufour. In-16, 434 p. imprimé en caractères du seizième siècle, sur beau papier de Hollande, avec deux fac-simile. Genève, Georg. Fr. 12 Contenu du volume: 1. Albert Rilliet, Notice sur le premier séjour de Calvin à Genève, pour servir d'introduction historique au Catéchisme et à la Confession de foi de 1537. 2. Théophile Dufour, Notice bibligraphique sur le Catéchisme et la Confession de foi de Calvin (1537) et sur les autres livres imprimés à Genève et à Neuchâtel dans les premiers temps de la Réforme (1533-1540). 3. Texte du premier Catéchisme français de Calvin (1537). 4. Texte de la Confession de foi de l'Eglise de Genève (1537). 5. Préambule de la version latine (1538) du Catéchisme et de la Confession de foi, traduit en français.

Edition tiré à 400 exemplaires, le prix des derniers exemplaires sera augmenté.

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Schweizer. Zeitschrift für Gemeinnützigkeit. 1878.

II. Heft: Das Genossenschaftswesen in seiner Anwendung in der Landwirthschaft etc. - Noch ein Jubiläum (Genfer Gemeinnützige Gesellschaft). MittheiJungen des Archivs der schweizer, permanenten Schulausstellung in Zürich. - Die Programm-Sammlung schweizer. Lehranstalten im Archiv der schweizer permanenten Schulausstellung. Lesefrüchte (aus Pestalozzi's Fabeln).

Zeitschrift für schweizer. Statistik. 1877. 4. Quartalheft.

Inhalt: Etwas mehr Licht über die Impf-Frage etc, von Dr. Th. Lotz. Beitrag zur Kenntniss der Vogt'schen Impf-Statistik, von R. Escher. - Die erste schweiz. Mortalitäts-Statistik, von H. Stüssi. Exportation suisse aux Etats-Unis de l'Amérique du Nord en 1877, &e. Das bernische Referendum und die Gemeindepolitik, von A. Chatelanat. Miscellen.

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annehmen kann. Da fehlte nichts an beiden Eltern unseres Erasmus: denn sie (die Mutter) war im übrigen eine brave Frau, an deren Namen nur diese eine Schande klebte. Er (der Vater) stammte aus einer guten Familie von Gouda und war für die Zeit noch ganz gebildet. Baudius weiss auch, dass er für geistreich und witzig galt und darum den Beinamen Eutrapelus bekam, was in einer Randbemerkung durch Praet übersetzt wird. Darum lebte er gewiss später zu Rom als junger Herr (iuveniliter). Eine derartige Vorstellung war natürlich unbrauchbar für den Zweck, den der Compilator unsrer Autobiographie vor Augen hatte, und auch Boxhorn1) folgt einer andern Ueberlieferung, da er sagt, dass Gerard so genannt wurde wegen der Beredsamkeit seiner Predigten. Man sieht es: der Vater eines solchen Sohnes musste auch vortrefflich gewesen sein.

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Der Leser schenkt mir gewiss gerne die Betrachtungen, welche Baudius weiterhin über die Nothwendigkeit oder Entbehrlichkeit von Trauungsfeierlichkeiten zum Besten giebt, ebenso sehr als die von ihm zu Gunsten illegitimer Kinder angeführten Stellen, denen wir noch Edmunds Monolog aus König Lear (1, 2) beifügen können —, um zu hören, was er ferner zur Ergänzung der Autobiographie zu erzählen weiss. Um Margarethas Schande geheim zu halten, sandte man sie nach Rotterdam, und der Vater gab dem Knabender da geboren ward seinen Namen, und er hiess Gerardus Gerardi auf die bei uns gewohnte Art, die vor alten Zeiten auch bei den Griechen und Römern gebräuchlich war. Aber weil der Name in unsrer Sprache der Bedeutung nach verwandt zu sein scheint mit dem Zeitwort „begehren" (desiderare), nahm er den Vornamen Desiderius an; diesem fügte er später das griechische Wort von der gleichen Bedeutung hinzu und wollte Erasmus zubenannt werden."

Die übrigen allgemein bekannten Einzelheiten sind in der Autobiographie wieder zu finden.

Gerard, der aus Trauer Priester wurde, kehrt in sein Vaterland zurück, entdeckt da den Betrug, und obschon alle Beziehungen zwischen ihm und der Mutter seines Kindes abgebrochen sind, sorgt er doch für die Erziehung seines vierjährigen Söhnleins, das er zur Schule schickt, das aber in den ersten

1) Tooneel van Holland (1634) S. 267. Bemerkenswerth ist es, dass dieser Schriftsteller nur die Biographie des Beatus Rhenanus nennt, nicht die früher besprochene.

Jahren sehr wenig Fortschritte in den unangenehmen Fächern (litteris illis inamœnis) machte, für die es nicht geboren war. Der junge Erasmus wird in seinem neunten Jahr durch seinen Vater nach Deventer geschickt

man sieht, sein Vater befasste sich stets mit seiner Erziehung, dahin folgt ihm seine Mutter, „die Hüterin und Versorgerin seiner zarten Jugend" (custos et curatrix teneræ ætatis). Bei welcher Grossmutter wurde er dann wohl erzogen? Hieraus würde man schliessen, bei der von mütterlicher Seite; aus dem vorhergehenden, bei der Mutter seines Vaters.

Die Schule zu Deventer taugte nicht viel,*) aber endlich (tandem) wird der Knabe durch einige Mitschüler auf den guten Weg gebracht. Seine Mutter starb, als ihr Sohn, 13 Jahr alt, in der 3. Klasse sass, an der Pest, und er kehrte nach seiner Vaterstadt zurück; sein Vater wurde beim Empfang dieser traurigen Nachricht krank und starb bald darnach.

Auch diese Berichte stimmen nicht ganz mit andern überein: das hat bereits Bayle schon eingesehen.

Vorerst ist es bekannt, dass Erasmus, kaum 12 oder 13 Jahr alt, nicht allein als witzig, sondern auch als sehr gelehrt galt. Um nun von Rudolf Agricola nicht zu sprechen, der ihm damals voraussagte, dass er ein grosser Mann werden würde, — „und es ging damals mit dem Unterricht noch nicht so schnell" sagt der vormalige Professor von Rotterdam, so finden wir bei Beatus Rhenanus dasselbe von Jan Sintheim gemeldet, einem der besten Vorsteher der Brüderschule zu Deventer. Damals war Erasmus sicher noch nicht 14 Jahre alt, während er im Alter von 9 Jahren eines der besten Institute jener Zeit besuchte, an dessen Spitze Hegius stand, der Freund des Rudolf Agricola 3)

2) Sie heisst barbara. Und darauf folgt der Ausdruck prælegebatur pater meus, welcher für Merula noch unverständlich war, jedoch in einer Randbemerkung der Amsterdamer Ausgabe von 1643 (J. Jansonius) aus einer Handschrift Boxhorns

erklärt wird.

3) Agricola hatte Joh. Baptista Guarini, den berühmten Sohn eines berühmten Vaters, zu Ferrara gehört. Dieser, ein Schüler von Chrysoloras, war der erste Italiener, der öffentlich Untericht im Griechischen gab, er lehrte an verschiedenen Orten; aber im Jahr 1460 war er bereits gestorben. Jener (der jüngere Guarinus), der sein Nachfolger wurde, hatte bis zu seinem Tode den Lehrstuhl zu Ferrara inne: hat also Gerard auch in dieser Stadt einen grossen Theil von den 4 Jahren verlebt um bei ihm griechisch zu lernen?

Von Deventer abgereist, verbrachte er drei Jahre oder besser er verlor sie auf der Brüderschule zu Hertogenbosch, wo unter andern Romboldus Unterricht gab.

Ich möchte nicht gerne den Handschuh für die zwei genannten Schulen aufnehmen; 1) aber ich glaube doch, dass sie damals im Lande der Blinden einäugig und also König waren. Darum kommt es mir vor, dass sie all die harten Worte nicht verdienten, welche die Autobiographie gegen sie und gegen ihre Lehrer vorbringt, sondern dass vielmehr der bittere Hass, der den Erasmus gegen die Dummheit und das Treiben der Mönche beseelte und der von ihm in dem früher erwähnten Briefe an Grunnius niedergelegt ist, die Ursache ist, warum der Compilator seinen Zorn über die beiden Institute ausgiesst, welche Erasmus besuchte. Darin findet man nicht allein das ungünstige Urtheil über Klosterschulen wieder, sondern auch den unehrlichen Vormund, der Schulmeister war 5), den Freund, der den Erasmus umzustimmen trachtete, und einzelne Ausdrücke, welche ich in der Anmerkung folgen lasse.")

Aber ich mag nicht länger zergliedern. Einige Proben von destructiver Kritik sind

4) Vgl. G. H. M. Delprat, de bræderschap von G. Groote, S. 70 u. 128.

5) Ich meine natürlich Petrus Winkel. Unter

den Briefen des Erasmus befindet sich einer an ihn (S. 1885 Le Clerc) ohne Angabe von Ort und Jahr. Man kann daraus nicht entnehmen, dass das gute Einvernehmen gestört war: wahrscheinlich hat das Wort improbitate am Schluss des Briefes (das dort aber unverdrossenen Eifer" bedeutet) Winkel zu einem Bösewicht gemacht. Auch dieser Brief ist zuerst von Merula (S. 161) als von dem jungen Erasmus stammend herausgegeben worden.

6) In dem „Leben" heisst der faule Freund, der vollends dumm aus Italien zurückgekehrt war, Cornelius, in dem Brief an Grunnius Cantelius; von jenem heisst es suum agens negotium, von diesem de suo negotio agens; das Klosterleben wird dort societas angelica genannt, hier angelorum contubernium. In der Handschrift kam ferner ein höchst befremdender Ausdruck vor, den man sogar durch Muthmassungen zu verbessern trachtete. Merula fand Lactahar interim, donec haberet sacram vestem. Er schlug bereits vor Lactabatur - man erinnert sich an die unglückliche 3. Person. Spätere verbesserten lætabatur; aber bei Vergleichung der beiden Schriftstücke findet man in dem Brief an Grunnius das für Uneingeweihte einigermassen schwere Wort wieder in: Blanditiis et indulgentia lactabatur puerilis animus." Erasmus, sagt Rhenanus, kannte bereits als Knabe den Terenz so gut wie seine Finger; und von diesem Lustspieldichter (vgl. Andria 5, 4, 8) ist denn auch dieses Wort entlehnt, das in dem Brief vollkommen an seinem Platze ist, aber im Leben nicht.

gegeben

und sie könnten leicht vermehrt werden. Es wird Zeit, dass wir nachsehen, was nun mit den Ueberresten des niedergeworfenen Baues noch zu machen ist.

Die Ueberlieferung wusste, dass der Vater unseres Mitbürgers Gerard hiess; der eigentliche Name des Desiderius Erasmus war ihr unbekannt. Dafür gab es allerlei Ursachen, unter andern diese, dass er in seiner Blüthezeit nur als Schriftsteller und also auch nur unter seinem Schriftstellernamen (nom de plume) bekannt war; 2) dass er selbst guten Grund hatte, seinen wahren Namen nicht zu offenbaren; 3) dass die Art seiner Werke, die Sprache, worin sie geschrieben waren, und sein Aufenthalt in der Fremde ihn seinem Volk und dem Volk überhaupt entfremdeten.

In dem gelehrten Kreise des Baudius und der Seinigen entstand die damals allgemein gangbare Erklärung. Sie ist ebenso wahr als die von Claudius Civilis, so dass Geert Geerts: Desiderius Erasmus Klaas Burgerhart: Claudius Civilis, und ebenso richtig, als die gelehrten (?) Ableitungen, wovon ich früher Proben mitgetheilt habe.

Wenn ich recht sehe, gibt es sogar zwingende Beweise gegen die Behauptung des Baudius anzuführen, dass Geerts (begeerte, Begierde) durch den jungen Gelehrten in Erasmus sei græcisiert worden. Das Wort Epaouós kommt nämlich, so viel mir bekannt ist, als gewöhnliches Apellativum zuerst bei Suidas vor Bekkers Anecdota liegen natürlich ausserhalb unsrer Betrachtungen und sein Wörterbuch wurde zum ersten Mal im J. 1499 herausgegeben. Es muss also gewiss für den jungen Geert Geerts schwer gewesen sein, ein Wort zu wählen, das wohl als Name eines Heiligen bekannt war, aber bei keinem Schriftsteller jener Zeit in der Bedeutung, begeerte“, (Begierde, Lust) vorkam.

Der Sohn eines Priesters wird überdiess nicht leicht den Namen seines Vaters angenommen haben. Dass er der Sohn eines Priesters war, ist meines Erachtens über allen Zweifel erhaben: das bezeugen Pontus Heuterus, 7) J. C. Scaliger, Patin, $) der den Erasmus gegen den Jesuiten Théophile Reynoud in Schutz nahm, und Cornelis De Loos.) Mögen ausserehliche Kinder

7) In dem Verzeichniss der Bastarde unter den viri docti steht kurzweg bei Erasmus, e sacerdote

natus.

8) Vgl. Bayle. Das Werk von Charles Patin, das ich nicht gesehen habe, ist beschrieben unter 22 des früher erwähnten Essai.

9) In einem Auszug aus seinem Werk De illustr. scriptor. huius temporis (vgl. Kist. und Royaards,

oder Bastarde von hochgebornen oder hochgestellten Personen nicht selten den Namen ihres Vaters getragen haben, so gehörte doch, wenn Gerard zur Zeit seiner Verbindung mit Margaretha bereits Priester war, ihr Sohn zu den Pfaffenkindern, die auch vor der Reformation hier zu Lande sehr in Missachtung standen, und dann ist in diesem Umstand ohne Zweifel vorzüglich der Grund zu finden, warum er sich in reiferen Jahren stets im Ausland aufhielt. Der thörichte Fluch, den so manches Gesetzbuch jetzt noch auf solche Unglückliche legt, drückte vor Zeiten viel schwerer, und wie schwer musste er nicht einem Manne wie Erasmus fallen, der so unbarmherzig verwundete, und bei welchem andere, gemäss der Art der Menschen, darum begierig nach einem verwundbaren Fleckchen suchten.

Wenn demnach Kinder, ausserehelich geboren, ihres Vaters Namen nicht tragen mochten, wohl aber den ihrer Mutter denn die Mutter macht keinen Bastard-10) dann wurde Erasmus natürlich auch nach ihr genannt und sie hiess Rogiers oder Rutgers, und er empfing bei der Taufe den Namen Erasmus, oder im Munde des Volkes Herasmus.

Seinem Taufnamen fügte er zuerst bloss die Bezeichnung Roterodamus bei, stets mit Weglassung des Namens seiner Mutter, und später machte er diesen Vornamen zum Beinamen, dadurch dass er einen lateinischen durch ihn 11) gebildeten Personennamen, Desiderius davor stellte. Roterodamus deutete von dieser Zeit ab einfach seinen Geburtsort an. 12)

In den ältesten Gedichten des Erasmus, die unter dem Titel Silva Carminum von Renier Snoy im J. 1513 zu Gouda herausgegeben wurden, heisst er denn auch einfach Herasmus Roterodamus, ein Name, der auch später noch auf vielen Titeln vorkommt, um allmählig ganz zu weichen vor Arch. 1845 S. 233) ceterum si avorum traditioni in istis partibus fides habenda, parente vicinæ civitatis Goudanæ parocho natus est, prægnantem famu

lam in proximam civitatem ablegante.

10) Einzelheiten und Beweise u. a. bei S. Van Leeuwen, Rooms-Hollands-Regt, 1686. S. 33 f.

11) Unrichtig. Es gibt 5 Heilige dieses Namens; er kommt auch als Taufname vor. Basl. Matrikel 1471-73 vier Desiderii aus der Diocesis Tullensis. Anmerkung des Uebersetzers.

12) Ich habe wohl früher gedacht, dass er das befremdende Roterodamus mit Vorbedacht als Zunamen für sich gebildet habe; aber ich darf diese Vermuthung selbst nicht als wahrscheinlich angeben, seit ich in alten alba academica (Universitätsmatrikeln) neben Roterodamus z. B. auch Medioburgus gefunden habe.

dem würdevollen Desiderius Erasmus Roterodamus. 13) So heisst der erste Druck des Encomium moriæ (Strassburg 1511) Erasmi Roterodami declamatio.

Erasmus oder Herasmus war als Taufname durchaus nicht ungewöhnlich. Man findet Erasmus Osvaldus Schreccefuchsius, Erasmus Sarcerius und andere bei Reusnerus, Icones (Strassburg 1587) genannt. Wir brauchen jedoch nicht im Ausland allein zu suchen. In einem Landgut nicht weit von Breda steht ein Stein, auf welchem die folgende Inschrift eingemeisselt ist. Den blauwen key ben ick genaemt En voor vier hondert jaer befaemt Doch die mij nu weer op doet staen

Dat is Erasmus Falkenhaen.

Der Heilige, nach welchem er seinen Namen erhielt, ist dem Erasmus selbst nicht unbekannt: in seinem Lob der Narrheit, 14) sagt er, es gebe Leute, die da meinen, dass wenn jemand an bestimmten Tagen mit bestimmten Wachslichtchen und bestimmten Gebeten sich an Erasmus wende, so werde er schleunigst reich werden.

Dieser Heilige, so lautet die Legende, war unter Diocletian Bischof einer Stadt im Gebiet des Patriarchen von Antiochien, wo er, ebenso wie zu Sirmium, um des Glaubens willen viel gelitten haben sollte. Später, erzählt man weiter, siedelte er nach Formiæ in Campanien über, wo der Tod ihn ereilte. Im 9. Jahrhundert wurden seine Gebeine nach Gaeta gebracht, wo sie jetzt ruhen, obschon viele andre Städte auf die Ehre Anspruch machen. Man findet ihn oft so abgebildet, dass ihm die Eingeweide aus dem Leibe gerissen werden, und darum gilt er als Patron gegen Kolik, bei Viehseuche und in den schweren Stunden der Frauen. Italiener und Portugiesen identificieren ihn mit St. Elmo (man denke an das St. Elmsfeuer); sein Tag ist der 2. Juni, und die voluminösen Acta Sanctorum bezeugen, dass er in der ganzen Welt verehrt wird, demzufolge ihre Erzählung durch Breviarien aus Spanien, Frankreich, Deutschland und Niederland bewiesen wird. 15)

13) Eine photolithographische Reproduction dieses Werkchens besitzt sowohl die Rotterdamer Stadtbibliothek als das Lesekabinet. Ich erwähne noch einen Titel: Guilielmi Hermanni Goudani Sylva Odarum. Hendecasyllabum Herasmi ad studiosos. Parrh. Guidom. Mercat. 1497. P. Jovius Elogia doct. vir. (Antw. 1557) spricht nur von Erasmus Roterodamus ex insula Batavorum.

14) Leidner Ausgabe Bd. 4, S. 443 C.

15) Vgl. Act. Sanctor. m. Juni, Tom. I, p. 213 §. 22. u. Herzog, Realencyclopædie, Art. Erasmus.

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