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LITERATUR - ZEITUNG

VOM JAHRE

1845.

ERSTER BAND.

JANU AR bis
bis JUNI.

HALLE,

in der Expedition dieser Zeitung
bei C. A. Schwetschke und Sohn,

und LEIPZIG,

in der Königl. Sächs. privil. Zeitungs- Expedition.

1845.

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ALLG. LITERATUR ZEITUNG

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Siege - von den Truppen, die ihn erkämpft, und zwar bei Belle Alliance nicht bei Waterloo, dem Hauptquartier Wellingtons, waren vier Fünftel Deutsche-folgte ein neuer Friedenschluss. Man hatte so eben reichliche Erfahrungen gemacht, man hatte den günstigsten Anlass Versäumtes nachzuholen. "Handeln die Regenten nicht in diesem Sinne, so schreibt Gneisenau in einem noch ungedruckten Briefe, datirt St. Cloud 7. Jul. 1815, so ziehen sie sich aufs Neue die Vorwürfe der Völker zu”.

schimpflichsten gestürzte Staat nur Raum und Form zu geben hatte, um wiedergegründet, aus der Kraft des Volkes wiedergeboren, das Werk der Befrei ung zu führen. Dem kühnen Beispiel Preussens folgten die deutschen Stämme im Norden und Süden, sie rissen ihre Fürsten mit sich fort; ein neues glorreiches Leben des Vaterlandes war begonnen. Oder ist es ein Irrthum? hat Herr von Gentz recht mit seiner Phrase:,,die Völker, die Jugend, die Freiwilligen haben so gut als nichts gethan; Alles dankt man der wundervollen Eintracht der Höfe". Mindestens in denjenigen Kreisen, die nun die neue Ordnung der Dinge, zu gründen gingen, gewann solcherlei Ansicht nur zu leicht Eingang, nur zu bald Raum. Als den ersten Friedensschluss auszuführen jene Congressverhandlungen folgten, in deren trafic d'ames man,, Seelen gewann und Herzen verlor", in denen unter andern un district comprenant une population de soixante neuf mille ames beliebt wurde, um an der schwächsten Grenze Deutschlands, Koburg, Oldenburg, Mecklenburg u. a. mit kleinen Entschädigungsparcellen zu etabliren, in denen die Anordung der inneren Territorialverhältnisse Deutschlands, als „,unstreitig zu den grossen europäischen Angelegenheiten gehörend", der Mitwirkung der deutschen Commission entzogen wurde (Note des Fürsten Metternich vom 22. Nov. 1814) - als man sich in jenen Verhandlungen immer tiefer verwickelte und verbitterte, ja endlich Verträge abschloss, um Deutsche gegen Deutsche in den Kampf zu führen — da bot unser gutes Glück uns die Erneuerung der Gefahr, einen neuen einigenden Krieg. Der König von Preussen rief seine Völker mit jener glorwürdigen Verordnung vom 22. Mai 1815, über die zu bildende Repräsentation des Volks", um der Nation ein ,, Pfand seines Vertrauens" zu geben. Während Lord Castlereagh dem Parlament (Sitzung vom 25. Mai) vorrechnete, wie vortheilhaft er für England ausbedungen habe, einen beliebigen Theil seiner vertragsmässigen Leistung von 150,000 Mann mit Geld abmachen zu können, und wie in England ein Mann dem Staate 60 bis 70 Pfund koste, wie man früher wohl dem Auslande 30, 40 Pfund für den Menschen gegeben, jetzt aber an die kleineren Staaten für den Mann nur 13 Pfund 2 Shilling zahworüber sich England als über ein Nationalglück freuen müsse" - während dessen zogon unsere Freiwilligen, unsere Landwehren für König Als Mittelpunkt seiner Darstellung des zweiund Vaterland" in den Kampf. Dem glänzendsten ten Pariser Friedens nimmt Schaumann die Haupt

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Schaumanns Buch stellt nun dar, dass es nicht geschah, weiset nach, warum es nicht geschah. Danken wir ihm zunächst, dass er sich solche Aufgabe erwählt hat. Soll das Volk mündig werden, so darf seine Gegenwart nicht der Oeffentlichkeit entzogen; wie sie geworden, nicht Staatsgeheimniss seyn. Das Volk hat ein Recht auf seine Geschichte, sie ist ihm ein Schlüssel zum Verständniss seiner Gegenwart, sie vor Allem schützte vor dem Unheil theoretisirender, abstract formelnder Staatskünstelei. Und mehr noch den Regierenden thut das eine wie andre noth; denn „, die Oeffentlichkeit ist für Regierungen und Unterthanen die sicherste Bürgschaft gegen Nachlässigkeit und bösen Willen der Beamteten, die ohne sie eine bedenkliche Eigenmacht erhalten würden”, wie es in einer königl. preussischen Cabinetsordre vom Jahr 1804 lautet. Verstummt gar auch die Geschichte, die stets wache Mahnung an das, was errungen und gegrundfestet, was gewährt und zugesichert, was des Volkes Kraft und Richtung, des Staates Ankergrund und Klippe ist, daun ungehemmt und ohne Maass regiert die Willkühr immerhin wohlgemeinter Theorien, Rechtsverletzung immerhin im Namen des ungefragten Gemeinwohls; statt des Gesetzes officielle Gesinnung, statt der Verfassung ordre und contreordre. Olle Gott, dass wir aufrichtig historisch werden; dann wird uns seyn, wie dem, der nach langer böser Fahrt auf wüstbewegter See endlich wieder festes Land unter seinen Füssen fühlt. Was uns vor Allem fehlt, das ist dieser feste Boden des Rechtes, eines ächten, unzweideutigen, unantastbaren Rechtes, das uns so weit bindet, wie schützt, schützt wie gegen die Eingriffe der Gewalt, so gegen die Zudringlichkeit der guten Absichten und die Willkühr improvisirter Ausnahmsfälle. Sós μo nov oτw.

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frage,,, auf deren Beantworung allein das ganzel Friedensgeschäft beruhte, die nämlich: soll Frankreich zur Garantie der künftigen Ruhe Europa's bedeutendere Abtretungen, wodurch die Macht der Nachbarn gestärkt wird, machen", - eine Frage, die weit entfernt eine blosse Gebietsfrage zu seyn, sofort die Zukunft Deutschlands auf bedeutungsvolle Weise zur Entscheidung stellte. *) Diesem Centrum lässt er die einleitenden Ereignisse vorangehen. Nur zu wahr ist, was er p. 7 ausspricht, dass jene berühmte Erklärung,,,man habe nicht den Zweck, Frankreich und die Franzosen zu bekriegen, sondern nur vor Napoleon die Ruhe Europa's zu schirmen", allen jenen seltsamen Ausdeutungen Raum gab, welche sich so bald zum Nachtheil Deutschlands vereinen sollten. Dann gilt es die Intriguen nachzuweisen, die sowohl am Hofe von Gent, wie namentlich in Paris. selbst gesponnen wurden. Die Schurkerei Fouché's hatte Gelegenheit, ihre ganze Virtuosität zu entwickeln. Minister Napoleons, handelte er zugleich in Basel mit einem Agenten Metternichs, und an dem Hofe zu Gent wusste man, dass er sich anheischig gemacht habe, durch eine Revolution in Paris dem Kaiser die Eröffnung des Feldzuges unmöglich zu machen. In einem Briefe d. Gent 16. Juni, der mir handschriftlich vorliegt, schreibt die Herzogin von Duras an Marmont über die unerwarte Eröffnung des Feldzuges: cette attaque était prévue par tout le monde et a surpris tout le monde, meme le Duc. Il était à un bal chez la Duchesse de Richmond à Bruxelles; à un instant la salle a été déserte. M. de T... m'a peint la rumeur de la maison: on montait et descendait les escaliers, on jettait les portes, quelques jeunes gens finissoient une contredanse puis partaient pour la guerre. Le Duc enfermé dictoit des ordres, que les aides de camp portaient dans toutes les directions; lui même est parti à 3. heurs du matin. Ceci nous explique bien de choses, il est évident, qui celui sur lequel nous com

ptions tous et sur lequel Vous comptiez vous même, était d'accord avec son maître pour endormir les alliés sous le prétexte d'une revolution dans Paris. Le 15 étoit le terme fixé, et le 15. Napoléon attaque: cela n'est il pas clair? D'ailleurs comment croire, que l'homme n'eût pas été arrêté, si toute cette intrigue ne se fut pas menée d'accord avec l'empereur? On en parlait si publiquement, qu'il aurait fallu être aussi inepte, aussi aveugle, aussi credule ou aussi foible que nous, pour s'y laisser prendre. Napoléon n'est rien de tout cela. Ich will den Gang der Intriguen und Verhandlungen, die sich von dem an zum raschen Schluss drängten, nicht im Einzelnen verfolgen. Nur zu entschieden lief sofort die englische Diplomatie der preussischen den Rang ab. ,,Der Hof von Berlin sey derjenige, von welchem man die wenigste Schonung zu erwarten habe", hiess es in der von Bignon entworfenen Anweisung für die nach Manheim abgeschickte Commission. Hatte man vor Beginn des Krieges ausdrücklich erklärt, dass man trotz aller guten Wünsche für Ludwig XVIII. nicht die Absicht habe: to prosecute the war with a view of imposing upon France any particular government, so lud Wellington bereits am 24. Juni den König nach Cambray, und dieser hielt am 26. dort seinen Einzug; am 28. erliess er jene merkwürdige Proclamation, mit der im Wesentlichen die zweite Restauration gemacht war. Es giebt eine noch ungedruckte Depesche Gneisenau's, datirt,, Henappe an der Oise unweit Guise, 24. Juni 1815", welche die momentane Lage der Verhältnisse lebhaft veranschaulicht: ,, Ew. ... zeige ich hierdurch an, dass der französische General Morand einen Waffenstillstand augetragen hat, weil Buonaparte, um der Welt den Frieden zu geben, dem Thron entsagt habe, und da die verbündeten Mächte erklärt, dass sie es nicht mit dem französischen Volk, sondern nur mit Buonaparte zu thun hätten, so sey jetzt der Zeitpunkt eingetreten, wo sie die Erklärung be

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*) Als Quellen über seinen Gegenstand boten sich unserm Vf. ausser den bekannten Materialien, die er mit umfassendster Kenntniss beherrscht, eine Reihe von diplomatischen Noten und Denkschriften aus den Verhandlungen jener Zeit dar. Es sind zwanzig derartige Aktenstücke (p. I bis CXLIV) mitgetheilt, von denen ausser den beiden, die Herr Schaumann als aus anderen Druckschriften entnommen bezeichnet, auch einige andere schon abgedruckt waren; findet sich No. XVII. Réponse des quatre cabinets réunis à la réponse des commissaires français au projet de traité du 19. Sept. bereits in Schoell histoire abrégée des traités de paix XI. p. 469. und eben da bis auf die Einleitung vollständig die unter No. XV. mitgetheilte réponse des commissaires français au projet de traité du 19. Sept. ; doch sind beide Stücke bei Herrn Schaumann nicht ohne einzelne Abweichungen von den bekannten Texten, die ihm seine handschriftlichen Urkunden geboten haben werden. Die Mehrzahl dieser Aktenstücke jedoch ist hier zum ersten Male gedruckt. Herr Schaumann hat sich veranlasst gesehen, nicht anzugeben, wober ihm diese merkwürdigen Pa

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