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Vergewaltigungen der Katholiken in Frankfurt am Main.

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Auf einem neuen Tage der Schmalkaldener zu Frankfurt am Main Ende April 1536 wurden die Herzoge Ulrich von Württemberg, Barnim und Philipp von Pommern, die Fürsten Johann Georg und Joachim von Anhalt und die Städte Augsburg, Frankfurt, Kempten, Hamburg und Hannover in den Bund aufgenommen. Um die nöthigen Beiträge aufzubringen, verkaufte der Rath zu Hamburg die aus den Kirchen geraubten silbernen Kunstschätze 1.

Unter den Aufgenommenen hatte der Nath zu Frankfurt sich nur schweren Herzens zur Zuwiderhandlung wider den Nürnberger Stillstand' entschlossen. Aber auch er hatte wegen ,übergewaltigen Vorgehens gegen die Katholischen' Processe und kammergerichtliche Executionen und andere Strafen des Kaisers als obersten Richters im Reich zu befürchten, und suchte dagegen Schuß durch engen Anschluß an die Schmalkaldener. Der Rath hatte trot kaiserlichen Befehles und trotz eines vom Kammergericht erlassenen Pönalmandates den katholischen Cultus,aus göttlicher heiliger Direction' unterdrückt 2, und zwar so gänzlich verdrückt und geächtet, daß die Bürger alten Glaubens nicht mal wagen durften, in Mainz eine Messe zu hören, denn sie wurden. hart, so es bekannt wurde, dafür gestraft und vom Pöbel in der Stadt verfolgt, mit Steinen und Koth geworfen, als es allbereit öfter geschehen. 3. Ein Bürger, der sich erkühnt hatte, sein Kind in dem nahe gelegenen Höchst katholisch taufen zu lassen, mußte hundert Gulden zur Buße entrichten und wurde von dem Prädikanten Limberger, einem verlaufenen Mönch, für einen Schelmen und Meineidigen ausgerufen, der als Frevler wider Gottes und des Rathes Gebot aus der Stadt zu verweisen sei 4. Die Vergewaltigung der Katholiken war in Frankfurt nicht schlimmer, als anderwärts, aber sie machte im Reich einen tiefern Eindruck, weil der Nath milde genug war, die in anderen Städten und Gebieten oft grausam verfolgten Juden zu schützen und ganz unbehindert zu lassen in der Ausübung ihres Gottesdienstes. Es ist ja wunderlich und erschrecklich zu hören,' schrieb Cochläus an den Rath, „daß ihr als Christen die Juden bei euch ihre Ceremonien brauchen lasset und

1 Gallois 2, 773. 776. Das war die Antwort, freut sich der Verfasser, auf den Eigensinn der Domherren, die nicht nur ihre Güter wieder haben, sondern auch alle papistischen Kirchengebräuche und Ceremonien wieder aufgerichtet wissen wollten. Der Wandschneider Bernt Besecke machte sich Kleider aus den verkauften reichen Meßgewän-. dern des Maria-Magdalenenklosters und stolzirte damit in der Stadt umher, ein Schwert an der Seite. Gallois 2, 786. Die im Jahre 1537 in Hamburg grassirende Pest, an der über dreitausend Menschen starben (Lappenberg, Chroniken 311, 324), wurde von den Katholiken als eine Strafe des Himmels für begangenen Gottesraub angesehen. 2 Ritter, Evangelisches Denkmal 171–176.

3 * Bericht von Clas Helmholt vom 3. August 1536, bei Senckenberg, Acta et

Pacta 591.

* Königstein 195. 196. Janssen, deutsche Geschichte. III.

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den Priestern christlichen Glaubens ihre Ceremonien verbietet, die vor sechsoder siebenhundert Jahren bei euch gestiftet und so lange her im Gebrauch gewesen sind und jetzt ohne ordentliches Erkenntniß wider alles Recht abgestellt werden. Ihr solltet billig fürchten das Wort Gottes bei Jsaias: Weh dir, der du raubest.' ‚Es ist wahrlich zu besorgen, eure Prädikanten werden es nicht dabei bleiben lassen, sondern einem ehrbaren Rathe weiter in den Zaum greifen. Der Rath stand nach wie vor unter Botmäßigkeit des beim Pöbel allgewaltigen demagogischen Prädikanten Dionysius Melander und einiger Rathsherren, die schwerlich Jemand in der Stadt groß loben würde wegen ehrbaren Wandels, denn nicht an Ehrbarkeit, wie Jedermann kundig, sind sie reich, dagegen reich an Schulden' 2. Melander hatte unaufhörlich von der Kanzel aus den Pöbel aufgehezt, mit Gewalt in die Kirchen einzubrechen: was der Rath nicht genugsam thue, müsse das Volk,mit der Faust vollenden'. Wenn der Rath, predigte er an einem hohen Festtage, dem göttlichen Wort und Befehl nicht folgen wolle, müsse er durch das Volk fühlen, was das göttliche Wort wider die saumjelige Obrigkeit verhänge 3. Wiederholt fanden in mehreren Kirchen Bilderstürmereien statt; die Altäre wurden abgebrochen und geschändet. selbst schlug einmal einen Canonikus des St. Bartholomäusstiftes zu Boden; ein anderesmal vergriff er sich thätlich an einem Prälaten. Er belegte auf der Kanzel den Papst und die Geistlichen mit dem Bann. Niemand dürfe mit denselben Gemeinschaft haben im Kaufen und Verkaufen, Essen und Trinken, woraus viel Unlust unter den Bürgern entsprungen; haben sich durcheinander gerauft und geschlagen. Der Rathsmann Clas Scheit war der Ansicht: man sollte die Pfaffen über die Mauern hängen, er wollte als der Erste dazu helfen, auch kein Erbarmen mit ihnen haben' *.

Auf dem Tage zu Frankfurt wurde die Berechtigung zum Vorgehen gegen die Katholiken daraus hergeleitet, daß im Nürnberger Frieden oder,Stillstand' nur geboten sei, Niemand solle den Andern des Glaubens oder einer andern Sache halber befehden, bekriegen und berauben'; nicht aber sei darin verboten, fernere Neuerung in Ceremonien oder Kirchengebräuchen vorzunehmen. Aber bezüglich der neu eingetretenen Mitglieder erhob sich doch eine Schwierig

1 Ritter 180–181. Aus Dresden vom 8. Juli 1533. Das Original im Frankfurter Archiv, Acta, das Religions- und Kirchenwesen betreffend, 2, 32.

2* In dem Bericht vergl. S. 321 Note 3.

3 Bericht S. 321 Note 3.

4 Königstein 183-195. 219-220. Ritter 162-170. Die Prädikanten mußten oft,mit Knechten und Fackeln zur Kirche gehen. Nachdem sie sechs Jahre gepredigt, nahmen an einem zum erstenmal solemniter gefeierten allgemeinen Abendmahl bei fünfzig Personen Theil; die Frucht ihrer Predigt war demnach nicht groß. Die Prädikanten klagten über geringen Erfolg. Ritter 152–162. 202.

Evangelischer Bundestag zu Schmalkalden. 1537.

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feit. Da man aber für sie zur,Recusation' von kammergerichtlichen Entscheidungen sich nicht auf den Nürnberger Frieden berufen könne, so thue es Noth, heißt es in den Verhandlungen des Tages, ,stattlich zu bedenken und mit Rath der Gelehrten zu rathschlagen, was in solchem Fall zur Hinter= treibung der Kammergerichtsprocesse fürzuwenden sein wolle 1.

Was fürzuwenden' sei, stellten die Gelehrten für den im Februar 1537 in Schmalkalden abgehaltenen Bundestag in Bereitschaft.

Dieser neue groß glänzende' Bundestag zeigte den ,evangelischen Ständen genugsam, zu was sie schon im Reiche gekommen, und daß sie Niemand mehr hätten zu fürchten, nicht Kaiser und König“. Persönlich anwesend auf dem Tage waren Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, Landgraf Philipp von Hessen, die beiden Häupter des Bundes, die Herzoge Philipp von Braunschweig-Grubenhagen, Ernst und Franz von Braunschweig-Lüneburg, Philipp von Pommern, Ulrich von Württemberg, drei Fürsten von Anhalt, die Grafen von Mansfeld, Schwarzburg, Henneberg und Nassau-Saarbrück; ferner Gesandte des Königs von Dänemark, der Herzoge Heinrich von Mecklenburg, Friedrich von Liegnitz, Ruprecht von Zweibrücken, der Markgrafen Georg und Hans von Brandenburg; dann die Abgeordneten oder Vertreter von neunundzwanzig Reichs- und Landstädten: Nürnberg, Weißenburg, Winsheim, Straßburg, Augsburg, Ulm, Frankfurt, Memmingen, Eßlingen, Hamburg, Braunschweig, Minden, Soest, Nordhausen, Constanz, Kempten, Reutlingen, Lindau, Jsny, Biberach, Heilbronn, Schwäbisch-Hall, Bremen, Magdeburg, Lübeck, Hannover, Goslar, Göttingen und Einbeck. Im Gefolge der Fürsten befanden sich über vierzig Theologen und Professoren, unter ihnen Luther, Melanchthon, Bugenhagen, Spalatin, Justus Jonas, Agricola, Amsdorf. Philipp von Hessen hatte unter Anderen seinen Hofprediger Dionysius Melander, den ehemaligen Frankfurter Demagogen 2, mitgebracht und den Humanisten Eobanus Hessus. Es herrschte in der Versammlung volle Zuversicht und ein fröhliches Leben. „Durch Gottes Gnade,‘ schrieb Eoban, sind wir hier auf dem Schmalkaldener Congreß wohl auf, trinken wacker und sind weise.'3

1 * Verhandlungen des Tages 1536 im Frankfurter Archiv, Folioband: ReligionsAynigung 32-61.

2 Vergl. oben S. 77. 322. Melander hatte Frankfurt mit keinem guten Gerüchte‘ verlassen. Er führte einen anstößigen Wandel. Sonderlich hat er,“ sagt Ritter, Evangelisches Denkmal 86, ,ein Eheverhältniß mit einer Person eingegangen und nachmals doch auf solchem nicht bestehen wollen. Im Jahre 1536 hielt er in Frankfurt seinen Kirchgang und Hochzeit mit derjenigen, so er in Hessen sich angefreiet‘.

3 Krause 2, 221-222.

Der vom Kaiser auf den Tag beordnete Vicekanzler Matthias Held stellte den Ständen am 15. Februar in seiner Werbung vor, wie sehr sie gegen den Nürnberger Frieden handelten. Ihre Forderung auf Befreiung von allen kammergerichtlichen Processen, welche die Einziehung geistlicher Güter und ähnliche Gegenstände beträfen, störe fortwährend den Frieden im Reich. Der Kaiser habe auf allen Reichstagen gezeigt, daß er in Religionsund anderen Sachen mit eigenem Nachtheile' mehr den Frieden geliebt habe, als Krieg und Empörung. Er sei auch jetzt bereit, in allen Punkten den Nürnberger Frieden zu halten, aber es sei gegen sein Gewissen, auch denjenigen Ständen, welche sich in diesem Frieden zur Erhaltung der alten Religion verpflichtet hätten, zu erlauben, daß sie möchten unverhindert ihrer Zusage, Versiegelung und Verpflichtung von der alten Religion abfallen und sich ihres Gefallens in die Neuerung schlagen und den Schmalkaldenern_anhängig machen'.

Auf dieses Vorbringen erwiderten die Stände: dem Kammergericht könne nicht, wie der Kaiser verlange, überlassen werden, zu entscheiden, was Religionssachen seien oder nicht. Das sei Aufgabe eines künftigen Concils. Was wäre ihnen zu thun, fragten sie, wenn zum Beispiel in ihren Gebieten. ein Kloster gelegen wäre und ,etliche desselben Klosters Personen', durch das Wort Gottes erleuchtet, das Klosterleben als ein ärgerliches anfähen und das Kloster verlassen wollten, die übrigen Personen aber so halsstarrig wären und in ihren Mißbräuchen verharren und das Einkommen zu ihrem Willen behalten wollten'. Letzteren könnten die Stände doch nicht willfahren, und zwar, sagten sie, ,um merklicher Aergerniß willen und Beschwerden halb des Gewissens, daß wir in unserer Obrigkeit und Gebieten Zwiespalt und einen unserer Confession widerwärtigen Gottesdienst nicht dulden mögen‘.

Wegen der etlichen Personen' sollten alle Anderen ihr Recht auf ihr Eigenthum und ihren katholischen Gottesdienst, auf die freie Ausübung ihres Glaubens verlieren.

Würden nun, fuhren die Stände fort, die Widerwärtigen, nachdem sie das Kloster verlassen, mit vermeinter rechtlicher Handlung wiederum zu ihren vorigen Lehren, Ceremonien und Nutzungen kommen wollen, so sei solchem Ansinnen nicht nachzukommen, denn sie wollen sagen, daß ihre vermeinte Lehre und Religion gerecht sein solle, so sagen wir das Widerwärtige', das Gegentheil. Was insbesondere die Nutzungen anbelange, so seien diese ,wegen des rechten Gottesdienstes da', und weil der katholische Gottesdienst den Ständen nicht leidlich', so könne und möge man die Nuzungen nicht restituiren, es habe denn zuvor ein Concil darüber entschieden, welche Lehre göttlich und welche ungöttlich sei. Denn so sich erfindet, als sich denn anders nicht erfinden mag, daß unsere Lehren und Ceremonien gerecht seien, so ist gewiß, daß dem Widertheil solche Nutzungen nicht gebühren, auch nichts Un

Wie der schmalk. Bund die Vergewaltigung der Kathol. rechtfertigt. 1537. 325

billiges gegen sie geschafft oder vorgenommen sei. Zudem sei es,Niemanden verborgen, daß in solchen Sachen kein Besitz oder Restitution könne angezogen werden, dieweil solche Sachen das Gewissen und Gottes Wort berühren'. Sie hätten darum das Recht, kammergerichtliche Erkenntnisse darin zurückzuweisen.

Die Protestirenden nannten eine derartige Erwiderung einen klaren Bericht, und verlangten auf Grund desselben, der Kaiser solle verfügen, daß das Gericht in solchen Sachen hinfür ohne Unterschied still stehe und sich darin keine Erklärung unterfange'.

Dieser klare Bericht der Stände stimmte überein mit einem von Melanchthon, Justus Jonas, Bugenhagen, Bußer und anderen Theologen abgefaßten Gutachten'. Darin heißt es: Erstlich ist nicht Zweifel, eine jede Obrigkeit ist schuldig, in ihren Gebieten unrechten Gottesdienst abzuthun und rechten anzurichten, die Pfarren und Schulen zu bestellen und den Personen nothdürftige Unterhaltung zu verschaffen. So ein untüchtiger Prediger oder Pfarrherr entsetzt wird und das Amt einem tüchtigen befohlen, so folgt der Sold dem tüchtigen und nicht dem vorigen. Darum haben die Fürsten und Stände dieses Theils recht gethan, daß sie in ihren Gebieten in Stiften und Klöstern den unrechten Gottesdienst abgethan und die Güter in ihre Verwaltung genommen. Was die Domstifte in großen Städten anbelange, so thäten die Städte recht, so sie die abgöttischen Pfaffen und Verfolger der reinen Lehre von sich verjagen und, so es ihnen möglich, die Kirchengüter, so viel zu ihrer Bestellung von Nöthen, zu sich bringen. Das man aber dagegen sprechen will: es sei der Kaiser allein Patronus, derselbige soll solche Güter ordnen und in ihre Rechte bringen, darauf ist eine kurze Antwort: dieweil der Kaiser untüchtige Personen in diesen Gütern schüßet und erhält, so dürfen die Kirchen auf seine Verordnung oder Befehl hierin nicht warten. Exemplum, der Kaiser Decius fordert von Laurentio der Kirchen Schat. Nun hat man gleich wie jezund des Kaisers Hoheit anziehen mögen, aber Laurentius wollt ihm Nichts geben. Und ist den giftigen Schlangen im Kammergericht ihre List nicht zuzulassen, welche die Sachen von Kirchengütern nicht für Religionssachen verstehen wollen. Denn auch dieser Artikel ein Lehrartikel ist, daß die papistischen Pfaffen und Mönche in diesen Kirchengütern siten als Diebe und Räuber.' 1

Bezüglich der seit dem Nürnberger Frieden neu aufgenommenen Mitglieder eröffneten die Schmalkaldener dem Vicekanzler Held: sie könnten,Gewissenshalber Niemanden abschlagen, zu ihnen zu treten. Dadurch, daß sie solche Stände aufgenommen, hätten sie nichts Verweisliches gehandelt und gegen den Nürnberger Frieden gethan'. Darum möge Se. Majestät als

1 bei Neudecker, Urkunden 310-315.

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