Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

nennt vor der Welt,' rief er, ist nicht von Gott, sondern vom Teufel. Der Teufel ist es, der die Feiertage gebietet und die Arbeiten an denselben verbietet, der Teufel macht den Unterschied der Speise, läßt Bittfahrten laufen und Kirchen stiften. Wenn ihr Sorge habt um solche auswendige Werke, so seid ihr gleich wie die Heiden.' Rothmann fand in Münster zahlreichen Anhang und viele mit Schulden beladene Leute verehrten ihn gleich einem Gott', in der Hoffnung, sich an fremden Gütern ungestraft vergreifen zu können, denn vorerst galt alles Kirchengut für herrenlos und leicht zu gewinnen. Aber auch Leute von Ansehen und Gewicht wurden ihm zugethan; der kühnste und verwegenste derselben war der Tuchhändler Bernt Knipperdollinck. Als Bischof Erich, der im März 1532 von dem Stifte Besiv genommen hatte, um Mitte Mai plötzlich starb, erhob sich gleichzeitig in Münster, Osnabrück und Paderborn der religiöse Aufruhr. In Münster drang das Volk in die Kirchen ein, nahm das Kircheneigenthum, selbst die Opfer von den Altären gewaltsam weg, und mißhandelte die Geistlichen auf offener Straße. Der Rath stand dem revolutionären Treiben ohnmächtig gegenüber. Sämmtliche Pfarrkirchen der Stadt wurden mit Prädikanten besetzt. Vergebens forderte der an Stelle Erich's zum Bischof erwählte Graf Franz von Waldeck, bisheriger Administrator von Minden, die Stadt zum Gehorsam auf.

Auch der neue Bischof, zugleich Bischof von Osnabrück, war nur ein weltlicher Herr, der nicht einmal die Diaconatsweihe empfangen hatte, einen anstößigen Wandel führte und ganz unter dem Einflusse des die Neugläubigen begünstigenden Waldeck'schen Edelmannes Friedrich von Twiste stand.

In Münster riß die neugläubige Partei die Gewalt an sich. Knipperdollinck setzte bei den Gilden die Wahl eines Ausschusses von sechsunddreißig Männern durch, welche das Evangelium' zur Herrschaft bringen sollten. Die Prädikanten verlangten, der Rath solle die Katholiken zwingen, von ihren ,gottlosen Ceremonien' abzustehen. Der katholische Gottesdienst sei eine Lästerung und Verleumdung Gottes, es gebühre darum der Obrigkeit, ,die Halsstarrigen und Gotteslästerer mit der Strafe der Geseße zu treffen', denn sie führe das Schwert nicht umsonst. Die beiden Bürgermeister und mehrere Nathsherren verließen die Stadt, Bürger und Klosterleute brachten ihre Urkunden und Kleinodien in Sicherheit. Der Bischof schnitt der Stadt die Zufuhr ab und schien zu den äußersten Mitteln greifen zu wollen. Plöglich aber erklärte er sich, wahrscheinlich beeinflußt durch Philipp von Hessen, zu einem Vergleiche bereit. Auf einem Landtage in Telgte, wohin er sich mit seinen Räthen und dem Domcapitel begeben hatte, um die Huldigung des Landes entgegenzunehmen, sollte durch Schiedsrichter über eine Ausgleichung mit Münster verhandelt werden. Zum Zwecke derselben gingen Boten hin und her. Inzwischen beschlossen die Parteihäupter in der Stadt,

Der Protestantismus in Münster.

297

durch eine Gewaltthat den Bischof sammt allen geistlichen und weltlichen Abgeordneten des Landtags gefangen zu nehmen. Sie schickten in der Nacht auf den 26. December 1532 gegen tausend Bewaffnete in aller Stille nach Telgte ab. Diesen gelang die Ueberrumpelung des Städtchens und die Gefangennahme der meisten Adelichen, Geistlichen und Erbmänner. Nur einige Domherren konnten sich flüchten, und der Bischof entkam dem Gewaltstreich, weil er zufällig am Tage vorher nach Jburg abgereist war. Die Gefangenen wurden im Jubel nach Münster geführt. Hier bringen wir euch die Ochsen, schrie Kippenbroick, ‚hört, wie sie brüllen.'

Man erwartete jezt offenen Krieg zwischen dem Bischof und der Stadt. Aber durch Vermittlung des Landgrafen von Hessen, mit dem der Bischof ein Schuß- und Truzbündniß abgeschlossen hatte, kam im Februar 1533 ein Vertrag zu Stande, nach welchem die Neugläubigen die sechs Pfarrkirchen behalten, dagegen den Bischof, das Domcapitel und die geistlichen Collegien bei ihrer Religion unbehindert belassen sollten 1.

Kurz vor diesem Vertrage hatte Philipp, als Freund des Evangeliums', gegen den Willen der gesammten städtischen Obrigkeit und gegen den Widerstand der Stiftsherren die Protestantisirung der Stadt Hörter mit Gewalt durchgesezt. In der Collegiatkirche zu St. Peter fanden Bilderstürmereien statt 2.

Ein von den Münsterischen Prädikanten aufgestelltes Bekenntniß ihrer Lehre wurde vom Rathe der Stadt dem Landgrafen zugeschickt, damit er es durch seine Räthe und Gelehrten corrigiren' und darin ab- und zufügen lasse“ 3.

Jedoch die Prädikanten waren nicht mehr gefügig. Bernt Rothmann, dessen Lehre von dem Bürgerausschuß als mit dem Evangelium vollkommen übereinstimmend' erklärt worden war, veränderte diese Lehre von Tag zu Tag. Seine Lehre ist seltsam und wandelbar erfunden, meldete der neugläubige städtische Syndicus von der Wieck im November 1533 dem Landgrafen, er hat so vielfältig darin verwandelt, heute weiß, ein ander Zeit schwarz gelehrt, daß keine verständigen Leute seinen Lehren und Predigen mehr glauben. Es ist ein armer verdorbener Haufe, der an Bernhart hängt, und ich kenne darunter Niemand, der so viel seiner Schulden halber vermochte, daß er zweihundert Gulden aufbrächte. Auch über die anderen. Prädikanten klagte gleichzeitig der Nath dem Landgrafen, sie hätten durch unverschämte Predigten gegen beide Sacramente und andere Geheimnisse der Religion großes Aergerniß angerichtet und den Lauf des Evangeliums' gehemmt 5. Rothmann hatte Anfangs zum Abendmahl Semmel und Wein

1 Das Gesagte behandelt ausführlich und vortrefflich Cornelius 1, 125–213.

2 Cornelius 2, 100.

Kampschulte 102.

3 Cornelius 2, 143.

4 bei Cornelius 2, 370.

5 bei Cornelius 2, 361.

[ocr errors]

61

in eine große Schüssel gethan und die Communicanten daraus zugreifen lassen. Später verwendete er Oblaten, brach diese zur Bekräftigung seiner Lehre bisweilen entzwei und warf sie zur Erde mit den Worten: Seht, wo ist hier Fleisch und Blut? Wenn das Gott wäre, würde er sich wohl von der Erde aufheben und an den Altar stellen. Landgraf Philipp selbst schickte zwei Prädikanten, Lenning und Fabricius, nach Münster, und berief sich, als der Bischof über diese vertragswidrige Einmischung Beschwerde führte, auf sein,Gewissen: er wolle gern, daß Jedermann den Glauben hätte, den er habe, aber dabei der Obrigkeit Gehorsam leiste 2. Einer dieser hessischen Prädikanten wurde auf Anstiften Rothmann's sogar von der Kanzel gerissen.

Während dieser Vorgänge waren hauptsächlich durch den Einfluß der Münsterischen Gewalthaber in mehreren Städten des Bisthums religiõse Aufstände ausgebrochen: in Warendorf, Alen und Beckum wurden im Juni 1533 die Kirchen erstürmt, die Bilder und Sacramentshäuser zerschlagen, die werthvollen Kleinodien geraubt 3.

In Münster gewann mit gewaltthätiger Unterdrückung der Katholiken und unter vielen Kämpfen mit den gemäßigten Neugläubigen die politisch und religiös radicale Partei die Oberhand.

,Die Anzahl der Abtrünnigen in Münster, sagt Kerssenbroick, der Geschichtschreiber der Wiedertäufer, ,haben hauptsächlich vermehrt Leute, welche das Vermögen ihrer Eltern durchgebracht und Nichts für sich durch eignen Fleiß erworben hatten; Leute, welche von Jugend auf dem Müssiggang ergeben, auf Borg gelebt hatten und, des Mangels überdrüssig, darauf bedacht waren, die Clerisei und die wohlhabenden Bürger zu plündern und zu berauben; welche der Geistlichkeit nicht der Religion, sondern des Geldes wegen übel wollten und die Gemeinschaft der. Güter einzuführen sich bemühten. Nachdem die Meuterei, mit diesem unnützen Schaum des Pöbels geschwängert, einige Monate in der Brut gesessen hatte, so brachte sie endlich die gräuliche Geburt zur Welt, welche, mit der Milch der Unverschämtheit genährt, in Kurzem zu dem schrecklichen und verfluchten Ungeheuer, der Wiedertäuferei, aufgewachsen ist.'

Im Jahre 1532 hatte Rothmann noch mit Entschiedenheit gegen die Wiedertäufer gepredigt, aber seitdem im Sommer des folgenden Jahres zahlreiche Anhänger des Melchior Hofmann aus Holland und Friesland nach

1 Torpius, Wahrhafftige Historie, wie das Evangelium zu Münster angefangen. Vl. C. 2 Brief vom 24. Dec. 1533, bei Cornelius 2, 375.

3 Cornelius 2, 189. 197.

Wiedertäufer in Münster. 1534.

299

Münster gekommen waren, hatte er sich denselben angeschlossen und trat bald offen zu der Secte über. Er wurde ein eifriger Vertreter der Lehre, welche Jan Mathys, ein Bäcker zu Harlem, ein neuer Prophet', der sich für den verheißenen Henoch ausgab und sich auf heimliche Offenbarungen berief, durch seine auch nach Münster gesendeten Apostel verkünden ließ. Die Zeit der Bedrängniß der Heiligen, so predigten diese Apostel im Auftrage des Propheten, sei vorüber, die Zeit der Ernte herangekommen. Gott werde sein Volk schüßen und befreien und seine Feinde ihm unterwerfen; man solle zu den Waffen greifen, nicht allein zum Schuße der Heiligen, sondern zur Vernichtung der Gottlosen. Unter der Herrschaft Christi würden die Auserwählten ein glückseliges Leben führen, in Gemeinschaft der Güter, ohne Gesez, ohne Obrigkeit, ohne Ehe.

In Münster fanden diese Apostel, unter welchen der muthige und beredte Jan van Leiden, ehemals ein Schneider, besonders hervorragte, seit Január 1534 einen so starken Anhang unter Geringen und Vornehmen, daß sie schon in wenigen Monaten die ganze Stadt als ihr Eigenthum betrachteten und den Propheten' aus Amsterdam herbeiriefen, um an dem Triumphe der Heiligen Theil zu nehmen. Jan Mathys traf in Münster ein. Der Herr habe, hieß es unter den Melchioriten in den Niederlanden, Straßburg um seines Unglaubens willen verworfen und an dessen Stelle Münster als neues Jerusalem auserwählt 1.

Am 23. Februar 1534 wurden Knipperdollinck, der bei der ganzen revolutionären Bewegung eine bedeutende Rolle gespielt hatte, und dessen Parteigänger Kippenbroick zu Bürgermeistern erwählt. Münster war nunmehr im Besize der neuen Propheten. Während die Einheimischen schaarenweise die Stadt verließen, strömten auf den Ruf Rothmann's und Knipperdollinck's von allen Seiten, aus Coesfeld, Echoppingen, Warendorf und anderen Städten Gesinnungsgenossen nach Münster. Gott habe, hieß es in den von Rothmann verfaßten Einladungsschreiben, einen heiligen Propheten nach Münster gesandt, der das Wort Gottes mit unglaublicher Kraft und Anmuth, ohne alle menschlichen Zusäße verkünde. Wenn den Brüdern ihr Heil am Herzen liege, sollten sie kommen mit Weib und Kindern, und Salomon's Tempel im heiligen Sion und den rechten Gottesdienst aufrichten helfen. Kommt, schrieben bekehrte' Frauen und Männer an ferne Verwandten und Freunde, denn hier sollt ihr aller Nothdurft genug haben'. ,Die Aermsten, die bei uns sind und die vormals verachtet waren als die Bettler, die gehen nun so köstlich gekleidet, wie die Höchsten und Vornehmsten, die bei euch oder bei uns zu sein pflegen. Und es sind die Armen also reich durch Gottes Gnade geworden, wie die Bürgermeister und die Reichsten in der Stadt."2

[blocks in formation]

,So sind gekommen, schreibt Gresbeck, die Holländer und Friesen, die Bösewichter aus allen Landen, die nirgends bleiben konnten, die zogen nach Münster und versammelten sich da.'

Gleich am ersten Tage nach der Wahl der neuen Bürgermeister begann die Plünderung und gräuliche Entweihung der Gotteshäuser und Klöster. Die kunstreiche Domuhr wurde mit Hämmern und Beilen zerschmettert; die schönsten Bilder und Glasmalereien wurden zerstört, die heiligen Hoftien auf den Boden geworfen und mit Füßen getreten. Alle Erzeugnisse der Kunst und Wissenschaft fielen der Vernichtung anheim; acht Tage lang brannten die Archive und Bibliotheken der Stadt. Da nach den Worten der Schrift alles Hohe erniedrigt, alles Niedrige erhöht werden solle, so wurde in Kurzem der Beschluß gefaßt, die Kirchen dem Erdboden gleich zu machen; mehrere wurden gänzlich zerstört; andere verloren ihre Thurmkappen. Das reiche St. Maurigstift, wo Rothmann das Werk der Zerstörung des alten Glaubens begonnen, brannte man von Grund aus nieder. Um alle Erinnerung an die christliche Vergangenheit auszulöschen, wurde die Eintheilung und Ordnung des Jahres nach den christlichen Festen abgeschafft; der Sonntag und die Feiertage wurden aufgehoben; selbst das Wort: Kirche, sollte verschwinden. Die Kirchen erhielten den Namen,Steinkuhlen'; der Dom hieß die große Steinkuhle', der Domhof der Berg Sion'. Bei einer einmal im Dome abgehaltenen Spottmesse wurden unter dem Gelächter des Pöbels Kazen, Hunde, Ratten und Fledermäuse geopfert, und Rothmann predigte dem Volke: ein solcher Spott seien alle Messen der Welt.

Am 27. Februar begann die Schreckensherrschaft mit der Verkündigung des Befehles: alle Einwohner müßten entweder die neue Taufe nehmen, oder die Stadt verlassen. Bewaffnete Banden riefen in den Straßen: ,Hinaus, ihr Gottlosen, Gott will erwachen und euch strafen. Die Wiedertäufer haben, schrieb der Bischof, ,alle frommen Bürger, Männer, Frauen und Kinder mit großer Bedrohung und Schrecken von ihren Häusern und in Armuth aus der Stadt verjagt, ihrer Secten Anhang und fremde Ankömmlinge in der Geistlichen und Weltlichen Wohnungen und Güter gesezt, Kranke, Schwangere und gebrechliche Personen, Männer und Frauen, die auch in solchem Ausjagen in Todesnoth gekommen und verstorben, elendiglich vertrieben, daß in keinen Landen, auch von keinen Unchristen, Türken oder Heiden solche unerhörte, unmenschliche Grausamkeit vernommen. Und wird mit der Verjagten Häusern und Gütern durch die Wiedertäufer elendiger und böslicher denn mit einigen Feindes- oder Raubgütern gehandelt, getheilt und umgeschlagen, und die frommen und ehrbaren Leute, die ihrer Höfe, Häuser und Güter beraubt sind, müssen an fremden Orten elend verdrückt und umherirrend Wohnung und Unterhalt suchen.'

« ZurückWeiter »