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gedulden und ertragen. Die Klosterkirche wurde zerstört. Während der elf Jahre wurden die Schwestern der heiligen Messe, der heiligen Sacramente und aller geistlichen Bücher beraubt; elf Schwestern starben ohne die Tröstungen der Religion. Aber trotz aller Kümmernisse und Entbehrungen ließ sich nicht eine einzige Schwester zum Abfall von ihrem Glauben bewegen 1. Auch fast sämmtliche übrigen Nonnenklöster des Landes blieben ihren Gelübden treu. Mit der Predigt des Evangeliums' war bei den halsstarrigen verblendeten Weibern', beschwerten sich die Bekehrer', Nichts zu erreichen 2.

Für die Kosten des neuen Kirchenwesens, die Besoldung der Prediger, verwendete der Herzog jährlich nicht über vierundzwanzigtausend Gulden 3. Alles gerieth in unabsehlichen Verfall. Wo wir auf dem Lande in den Kirchen Predigt hören, bekannte später Herzog Christoph, sind dieselben dermassen zugericht und ausgepußt, als ob sie gestürmt und geplündert worden, sonderlich schier kein Fenster mehr außerhalb des Chores in den Kirchen ist."4

,Es sei nicht zu bergen, klagten die Abgesandten der süddeutschen protestantischen Städte im Mai 1535 dem Landgrafen Philipp von Hessen, „daß Ulrich sich unholdselig und frevelich in seiner Regierung schicke, sich wenig stattlicher geschickter Räthe befleiße, in der Religion verweislich genug umgehe und dem Nürnberger Frieden zum Theil zuwider handele, so daß aus allem Vertreibung oder anderer Nachtheil zu besorgen sei.5,Niemand ist dem Fürsten, meldeten nach einem Jahrzehnt die Eßlinger Gesandten, ,treu, günstig und hold, alle Menschen schreien über ihn und gedenkt uns, die Zeit seines Verjagens und Verderbens sei vorhanden, Gott wolle, daß es bald geschehe." "

Nur auf die Jagd und andere Vergnügungen bedacht, verabscheute Ulrich alle Beschäftigung mit religiösen Dingen und stürzte das Land in jämmerliche Armuth'.

All die reichen und vielen Kirchengüter, die der Herzog gewaltiglich zu Handen genommen, nützten zu gar Nichts, denn sie wurden verwüstet, und all' das große Geld verschwendet, verschlemmt und verpraßt. Von Jahr zu

1 Gaudentius 360-362.

2 Näheres über die gewaltthätige Behandlung der Frauenklöster in Docum. rediviva, Virg. sacrar. Monim. 69-313. Vergl. Heyd 3, 118 fÜ.

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7 ,Princeps vehementer ab omni lectione abhorret, schrieb A. Blaurer an Bullinger am 25. März 1545,,nihil aliud quam venatur aliaque id genus, digna principe scilicet, agit.' Bei Heyd 3, 182. Ebenso scharf äußerte sich, wie wir noch hören werden, Calvin über den Herzog.

Folgen der Protestantisirung Württembergs seit 1534..

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Jahr steigerte sich die Schuldsumme des Herzogs bis auf etwa fünfundzwanzig bis dreißig Millionen Mark nach gegenwärtigem Geldwerthe 1.

Mit der allgemeinen Verarmung und der Auflösung aller Bande alter kirchlicher Ordnung und Zucht stand in Württemberg, wie anderwärts, die wachsende Verwilderung des Volkes in engem Zusammenhang.

Mit Gewalt hatte der Herzog protestantische Lehre und protestantischen Cultus als Landesreligion eingesetzt und die Dawiderhandelnden mit Strafe belegt 2. Aber die von allen Seiten herbeiströmenden oder herbeigerufenen neuen Prädikanten fanden beim Volke größtentheils eine üble Aufnahme. Sein Volk sei ganz widerspänstig, klagte Jörg Distel, ein Schweizer, der in Entringen amtirte, ,man thue ihm Spott und Schande an, und so ergehe es den anderen Prädikanten fast allen 3. Viele Prediger des Wortes und deren Weiber, schrieb Myconius im Jahre 1539, trügen durch ihren schlechten Lebenswandel Schuld an einer solchen Ausartung des Volkes, daß den Gotteslästerungen, der Trunksucht und Unzucht gar kein Maß mehr gesetzt sei. Man kann ja nicht läugnen, gestand später Johann Brenz mit den übrigen württembergischen Theologen in einer öffentlichen Bekenntnißschrift, ,daß viele Jahre her die äußerliche Zucht der Kirchen verfallen und ihr Leben mit gräulichen Lastern verderbt, ja so gar aus der Art des ehrbaren Lebens unserer Vorfahren geschlagen ist 5. Am lautesten wurden die Klagen

Die Schuldmasse beim Tode des Herzogs im Jahr 1550 belief sich auf 1,600,000 Gulden, die eine jährliche Zinszahlung von 80,000 Gulden erforderten. Kugler 1, 291.

2 So wurde im Frühjahr 1536 in Stuttgart auf dem Markte unter Anderm verkündet: Jeder solle die protestantische Predigt an allen Sonn- und Feiertagen wenigstens einmal besuchen bei Strafe von zehn Schilling für den ersten Uebertretungsfall, das anderemal um einen Gulden und so fort, oder für jeden Gulden mit vier Tagen und Nächten Thurmstrafe bei Wasser und Brod. Gleiche Strafe erlitt Jeder, der an anderen Orten die Messe besuchte. Heyd 3, 176. Gleichwohl war noch in den Jahren 1537 und 1538 der Stadtmagistrat in Stuttgart und Calw größtentheils katholisch. Schnurrer, Erläuterungen 176. In der Vogtei Tübingen gingen von neunzehn Pfarrern sieben zu den Neugläubigen über, darunter wenig brauchbare. Heyd 3, 89 Note

3 Heyd 3, 89.

inde populus agit tam petulanter ac impie, ut nec blasphemiis, nec licentiae bibendi, libidinandi et ferociendi modus positus sit. Bei Heyd 3, 89 Note. 5 Vergl. Döllinger, Reformation 2, 373. Im Jahre 1536 gestanden die protestantischen württemberger Theologen, welche dem Herzog Ulrich ein Gutachten über die Behandlung der Wiedertäufer erstatteten, daß man bei den Rottengeistern einen solchen feinen Schein des Lebens sehe und dagegen bei ihnen und dem großen Haufen der Ihrigen leider ein so ganz wildes, freches und verruchtes Wesen'. Sattler 3, Beil. 44. Im Jahre 1539 stellten die geistlichen und weltlichen Beamten in Tübingen sammt den Universitätsprofessoren am Aschermittwoch eine Festlichkeit auf dem Rathhause an, ‚um Fleisch zu speisen, zu trinken, zu springen und zu tanzen, und es wurde der Gemeinde

über das unter der Herrschaft der neuen Lehre hervorgewachsene jüngere Geschlecht. Zwölf Jahre nach der Einführung dieser Lehre äußerte sich der Prediger Johann Klopfer von Bolheim in einer dem Herzog Ulrich gewidmeten Schrift: Es ist jezt keine Scham noch Scheu, keine Zucht noch Ehre, ja so gar keine Gottesfurcht bei dieser verruchten jungen Welt; die Jugend will sich weder strafen noch ziehen lassen. Bei uns, die wir uns evangelisch zu sein rühmen, ist schier Nichts denn Unbußfertigkeit, Gottesverachtung im Herzen, Unglaube, ja ein freches wüstes, unchristliches, gräuliches Wesen in allerlei Untreu und Bosheit. Der mehrere Theil hält Alles, was Gottes Geist in der heiligen Schrift redet, für schlechtere und losere Dinge, denn altvettelsche Fabeln und Mährlein sind. Was die älteren Leute in den Gemeinden anbelange, so seien diese voll Sehnsucht nach dem Papstthum und ergössen sich in Schmähungen des Evangeliums' und hielten dessen Diener verächtlich und schnöde 1.

verboten, die Fasten zu beobachten'. An der Universität,war das wüsteste Poculiren ganz außerordentlich im Schwange'. Im Jahre 1540 tranken sich in Württemberg binnen sechs Monaten über vierhundert Personen zu Tode. Sattler 3, Beil. 148. Schnurrer, Erläuterungen 178. Horawiz 31.

1 in der Schrift: Ueberaus feine, schöne Vermahnung zur Buße und Besserung unseres sündlichen Lebens (Augsburg 1546) Bl. A 3-4. G3. Vergl. Döllinger, Reformation 2, 79-80.

VI. Deutsch-Franzosen, Franzosen und Türken wider Kaiser und Reich. 1534-1537.

Mit dem Frieden von Cadan waren weder der König von Frankreich, noch der Sultan, noch die Herzoge von Bayern zufrieden.

Troß der ausdrücklichen Bestimmung des Vertrages von Bar le Duc, daß kein Theil ohne Wissen und Willen des andern mit dem Feinde sich verständigen solle, hatte Philipp von Hessen dem Cadaner Frieden zugestimmt, wider Willen des französischen Königs, der die Fortsetzung des Krieges gegen die österreichischen Erblande Ferdinand's verlangte und bereits den Corsarenhäuptling Chaireddin gegen den Kaiser, und den Woiwoden Zapolya gegen Ferdinand zu den Waffen gerufen hatte. Im August 1534 sette Philipp dem Könige die Gründe auseinander, weßhalb er nicht im Stande gewesen, Ferdinand,in seinen Erblanden zu bekriegen'. Er könne, schreibt er unter Anderm, ,nicht genugsam anzeigen, mit was Fleiß und Ernst' schon der unternommene Feldzug ihm ,widerrathen worden von allen Churund Fürsten des heiligen Reiches'. Es waren solche Gewerbe und Anschläge vorhanden, daß wir in unserm Lande nicht ruhig bleiben mochten, wenn wir uns in fernere Handlung und weiter von unseren Landen und Leuten begeben hätten. Wir hätten den Kaiser, das burgundische Haus, die italienische Liga und andere viele Potentaten und Stände wider uns gehabt und wären dadurch gedrungen worden, uns in einen langwierigen Krieg einzulassen und noch ein Heer zur Beschirmung unseres Vaterlandes zu halten, was uns ohne treffliche Hülfe nicht möglich war. Wir hatten gehofft, Sachsen und Bayern sollten sich zu uns gesetzt haben, aber sie haben Solches aus fürgewendeten Ursachen abgeschlagen und uns darum, daß wir diese Eroberung vorgenommen und weiter zu greifen gedächten, als wollte dieses ihnen mit zu Nachtheil kommen, hart angefochten.' '

Franz I. war ganz übel zu sprechen auf den Landgrafen und seine Anhänger, und am französischen Hofe hörte man viele Scheltworte: die deutschen Fürsten hätten den König um sein Geld betrogen, mit fremdem Geld ein Land gewonnen. So erzählte ein französischer Gesandter am Hofe

1 bei Rommel 3, 61-66.

Zapolya's in Gegenwart vieler ungarischen Großen und des bayerischen Agenten Weinmeister. Dieser berichtete darüber voll Schrecken an seine Herzoge, fügte aber tröstend hinzu, Zapolya habe die Herzoge gegen den Gesandten in Schutz genommen, ,Bayern trage keine Schuld, daß sich der Hesse mit Ferdinand vertragen; die Herzoge allein nähmen in allen Dingen den rechten Weg und er setze auf sie größeres Vertrauen, als auf irgend einen König oder Fürsten der Christenheit. Ich antwortete darauf,' schreibt Weinmeister,,ich versehe mich, der König von Frankreich, nachdem seine Gesandten viel bei Euer Gnaden ankommen, sei mit Euer Gnaden wohl zufrieden.' 1

Wie Franz I., so habe auch der Sultan, schrieb Zapolya's Agent, Jsidor von Zegliaso, an Philipp von Hessen und die bayerischen Herzoge, ,großes Mißfallen daran, daß nicht, wie zu hoffen gestanden nach der Eroberung Württembergs, der ganze Bund in Bewegung gekommen sei, um in Desterreich einzubrechen 2.

Die bayerischen Herzoge waren unzufrieden über die Unthätigkeit“ Zapolya's. Da Württemberg, schrieben sie demselben am 30. Mai 1534, glücklich erobert worden, so sei jezt für ihn der geeignetste Zeitpunkt, den Krieg wider König Ferdinand zu beginnen 3. Als dann zu ihrem schweren Kummer der Friede von Cadan abgeschlossen worden und Sachsen und Hessen den König Ferdinand anerkannt hatten, konnten sie ihren Widerstand gegen denselben nicht mehr fortseßen. Sie erklärten sich, den wiederholten Bitten des Kaisers nachgebend, zu,ehrlichen Friedensverhandlungen' mit Ferdinand geneigt. Die bayerische Ehrlichkeit sollte hervortreten.

Während der zu Linz eröffneten Verhandlungen, welche bayerischerseits von Eck und dem vertrautesten politischen Rathgeber des Herzogs Ludwig, Hans Weißenfelder, geführt wurden, schrieb Letzterer am 28. August 1534 an seinen Herrn er und Eck hätten von dem bei den Friedensverhandlungen anwesenden kaiserlichen Gesandten, dem Erzbischof von Lund, so viel verstanden, daß der Kaiser sich vor einem Kriege mit Frankreich besorge, Ferdinand um jeden Preis Ungarn behalten wolle; Kaiser und König seien darum bemüht, mit den Herzogen sich zu verständigen, damit diese weder mit Frankreich noch mit Ungarn ein Bündnißz abschlössen. Daher sei es sein und Ect's Rath, daß dem französischen Könige Alles berichtet würde, was in Linz sich begebe, damit möchte man dem König alle Suspicion ausreden und von Neuem etwas Gutes fürnehmen'. Auch an Zapolya müsse geschrieben werden, aber Alles in großem Geheim', denn die Herzoge hätten zu bedenken, ,wie wir allhier mit unserer Handlung stehen würden, wenn man deß ein

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