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Nürnberger Religionsfriede. 1532.

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Kurfürsten, werde man bei dem Gegentheil nicht erhalten können. Darum sei nicht zu rathen, daß man darüber streiten und dadurch die ganze Handlung vom Frieden umstoßen solle, indem man ohne Beschwerung des Gewissens die Forderung fallen lassen könne. Es sei genug, daß man den wissens Anderen das Evangelium' anbiete, um dasselbe auf eigene Gefahr anzunehmen, wie es die Fürsten und Städte dieses Theils angenommen. Auf der Forderung bestehen, hieße den Verdacht begründen, als wolle man den anderen Fürsten ihre Unterthanen entziehen und dadurch das ganze Reich vom Kaiser auf sich bringen. In Bezug auf die zweite Forderung schrieb er: Man solle einem Andern nicht thun, was man nicht wolle, daß es einem selber geschehe. Da nun keine Obrigkeit dieses Theils wolle, daß andere Nebenfürsten sie zwingen sollten, den Unterthanen den alten Gottesdienst zu gestatten, so folge daraus, daß man auch die Obrigkeiten des Gegentheils nicht zwingen dürfe, ihren Unterthanen den neuen Gottesdienst zu erlauben.' 1

Der Kurfürst fügte sich den Rathschlägen Luther's. Am 23. Juni wurde zu Nürnberg ein auf die damaligen Bekenner der Augsburger Consession eingeschränkter Friedensvertrag abgeschlossen, dessen Bestimmungen lauteten: bis zu dem nächsten gemeinen freien christlichen Concil, wie solches auf dem Reichstag zu Nürnberg beschlossen worden, soll zwischen den katholischen und protestirenden Ständen der Landfriede unverbrüchlich gehalten werden, so daß keiner den andern des Glaubens oder einer andern Ursache halber überziehen und mit der That beschweren solle. Der Kaiser werde allen Fleiß verwenden, daß innerhalb eines halben Jahres das Concil ausgeschrieben und darnach in einem Jahr gehalten werde; sollte es indeß nicht zu Stande kommen, so würde der Kaiser die Stände des Reiches auf eine gelegene Wahlstatt berufen, um mit ihnen zu berathschlagen, was wegen des Concils und anderer nothdürftigen Sachen ferner vorzunehmen und zu handeln sei. Alle Processe in Sachen des Glaubens', die durch kaiserlichen Fiskal und Andere wider den Kurfürsten von Sachsen und seine Zugewandten angefangen worden, oder noch angefangen werden möchten, seien bis zum künftigen Concil oder dessen stellvertretenden Reichstag suspendirt 2.

Die in Nürnberg vereinbarten Artikel legte der Kaiser am 2. Juli den Ständen zu Regensburg vor. Diese aber verweigerten die Annahme derselben und wollten, daß Alles der Religion halber beim Augsburger Abschiede bestehen bleibe'. Vergebens gab der Kaiser zu bedenken, daß ein Anstand mit Sachsen und seinen Mitverwandten gemacht werden müsse, damit die Hülfe gegen die Türken desto stattlicher geleistet werde und Nuhe und Friede im Reiche sei‘.

1 Vergl. die Schreiben bei de Wette 4, 369-374. 380–385.
2 Näheres bei Buchholz 4, 23–47. Urkundenband 23–37.

Es erwindet fürwahr nicht an kaiserlicher Majestät, schrieb der Frankfurter Abgeordnete, und wird Ihrer Maj. gnädiges und gütiges Gemüth und Herz von den Städten dermaßen gespürt, daß sie Ihrer Maj. über die gebührliche Hülfe Leut und Anderes zuschicken." 1

Bei vielen der übrigen Stände aber,lagen, ungeachtet aller frühern Zusage, die Dinge so‘, daß der Kaiser von Neuem verständigt zu werden verlangte, ob die Stände die bewilligte Hülfe wirklich zu leisten gesonnen seien, damit er nicht in so überschwängliche Kosten, Deutschland zu beschirmen, geführt werde. Also kommt, meldete Fürstenberg, der Anfang aller Handlung wieder an das Ende.2

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Fast alle Fürsten, schrieb er am 7. Juli, ,bis auf zwei oder drei sind verritten: der Kaiser und die Stände libelliren gegen einander, die Stände schreiben in einer Schärfe, die ihnen, wie sie gegen den Kaiser selbst bekennen, nicht zugestanden.' 3

Man verspürte insonders die Praktiken des bayerischen Kanzlers Eck, der falschen Schlange, der im Geheimen mit den Protestirenden und Frankreich und dem Türken-Woiwoden von Ungarn conspirirte, den katholischen Ständen aber in die Ohren blies, der Kaiser verrathe den Glauben, man dürft den Keßern Nichts zugestehen und sollte es Gut und Blut kosten.“ 4

Mit Heftigkeit forderten die katholischen Stände ein Concil und schuldigten nicht undeutlich den Kaiser persönlich an, daß er ‚über so vielfältige Zusage und Vertröstung' an der Verzögerung desselben Schuld trage. Wenn einige Empörung oder Nachtheil daraus erfolge', so wollten sie vor Gott und der Welt protestirt haben, daß sie dessen unschuldig seien und dadurch vielleicht, wenn bei ihren Unterthanen etwa Aufruhr entstehe, an der Türkenhülfe verhindert würden'. Carl dagegen zeigte an, wie viel Fleiß, Mühe und Arbeit er wegen des Concils angewendet habe; nicht an ihm liege der Mangel, sondern an den Ständen, an die er gesonnen und begehrt habe, wie er noch thue, daß man eine ansehnliche Botschaft neben seinem Orator zu dem Papste schicke, die aus bewegenden und hohen Ursachen auch um das Concil anhalte und zugleich Zeuge sei des von ihm angewendeten Fleißes. Die Erinnerung der Stände an seine Zusage und ihre Protestation sei,ganz unzeitig und unbesonnen, und wie Ihre Maj. achten möge, nicht mit Vorwissen aller Stände beschehen“. „Alles, fügt Fürstenberg hinzu,,mit scharfen und spitzigen Worten.' 5

1

*

Fürstenberg am 2. Juli 1532, in den Reichstagsacten 45 fol. 27. 2* Reichstagsacten 45 fol. 29.

3 * Fürstenberg am 7. Juli (Sontag nach Udalrici) 1532, in den Reichstagsacten

45 fol. 29.

** in den Aufzeichnungen vergl. oben S. 16 Note 1.

* Reichstagsacten 45 fol. 29.

Stellung des Kaisers in Sachen des Concils. 1532.

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Den katholischen Standpunkt gänzlich verlassend, gingen die Stände sogar so weit, vom Kaiser zu verlangen, daß er, wenn der Papst ein allgemeines Concil nicht zum allerförderlichsten' berufe, selbst ,vom Amtswegen aus kaiserlicher Gewalt ein solches zu Stande bringen, wenigstens ein deutsches Nationalconcil versammeln solle1. Diese Forderung entsprach der zwischen dem Kanzler Eck und dem Landgrafen Philipp getroffenen Verabredung 2.

Dazu aber war der Kaiser in keiner Weise zu vermögen. Er werde in Nichts einwilligen, erklärte er dem glaubenseifrigen Kurfürsten Joachim von Brandenburg, was dem Willen des Papstes und dem Ansehen des apostolischen Stuhles entgegen sei 3. Nicht der Papst, eröffnete er den Ständen, trage Schuld an der Verzögerung des Concils, sondern der König von Frankreich, mit welchem ungeachtet aller Schreiben und Botschaften Nichts über die Art und den Ort des Concils habe verabredet werden können. Mit begierlichem Fleiße werde er beim Papste anhalten, daß ein solches Concil binnen sechs Monaten ausgeschrieben und dann in einem Jahre gehalten werde. Komme es nicht zu Stande, so werde er einen neuen Reichstag berufen, den Ständen die Ursache der Verzögerung anzeigen und mit ihnen berathschlagen, wie die gemeine Nothdurft deutscher Nation, sei es durch ein Concil oder durch andere Mittel und austrägliche Wege, am besten versehen werde, damit die Nation in gute gleichförmige Einigkeit, Regel und Verstand unseres heiligen Glaubens kommen möge, zu einem Troste gegen Gott und der Mutter, unserer christlichen Kirche' 5.

Der mit dem Kurfürsten von Sachsen und seinen Mitverwandten in

1 Regensburger Reichstagsabschied in der Neuen Sammlung der Reichstagsabschiede 2, 355 § 5.

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3 Aleander am 22. Juni 1532, bei Laemmer, Mon. Vat. 137. Kurfürst Joachim,

jagt Aleander, ,è veramente per ogni conto heros quidem christianus'. S. 132.

4

• Die französische Politik, welche jede Beilegung des religiösen Zwiespaltes in Deutschland zu hintertreiben suchte, legte dem Zusammentritt eines Concils alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg. Vergl. Pastor, Reunionsbestrebungen 74 fll. Der Neid Frankreichs und die Leichtfertigkeit Englands seien Ursache (la envidia di Francia y la liviandad de Inglaterra han sido la cosa), daß bisher das Concil nicht zu Stande gekommen, erklärte Papst Clemens VII. dem kaiserlichen Beichtvater Garcia de Loansa, und that viele Schwüre', daß er nicht (worüber selbst in Rom Gerüchte umliefen, vergl. die Briefe bei Heine 114 Note) mit dem französischen Könige unter der Decke spiele. Brief Garcia's vom 14. April 1531, bei Heine 115. 417. Vergl. auch 171-172 und den Brief des Papstes an den Kaiser 308–309. 539.

5 Sammlung der Reichstagsabschiede 2, 356 § 6. Per niente Sua Maestà ha voluto, schrieb Aleander am 27. Juli 1532,,che si mette in la conclusion che essistessa habbii ad intimar il Concilio, come hanno più volte tra loro concluso questi Principi et Stati. Bei Laemmer, Mon. Vat. 143.

Nürnberg vereinbarte Friede wurde vom Kaiser verkündigt. Aber aus Rücksicht auf die katholischen Stände, welche auch am Kammergericht Alles nach dem Augsburger Reichsabschiede gehalten wissen wollten, wurde der vom Kaiser zugesagte Stillstand der Processe nicht in den öffentlichen Erlaß aufgenommen, sondern den protestirenden Ständen durch eine besondere Versicherung verbürgt 1.

Ausdrücklich aber bezog sich der Stillstand, was für die spätere Deutung des Nürnberger Friedens von Wichtigkeit wurde, nur auf Sachen die Religion belangend', nicht, wie die protestirenden Stände verlangt hatten, zugleich auf alle daraus entspringenden Sachen' 2.

,Es war noch ein groß Glück für das heilige römische Reich und die ganze Christenheit', daß überhaupt nur, wenn auch ohne alle Fröhlichkeit“, am 27. Juli zu Regensburg ein Abschied zu Stande kam, denn ansons wäre gar keine oder nur wenig Hülf gegen den grausamen Erbfeind christlichen Namens geleistet, da doch jetzund, wenn auch weit nicht so viel als bewilligt, ein stattlich Heer im Felde erschien 3.

Statt der zugesagten vierzigtausend Mann stellte das Reich zwanzigtausend zu Fuß und viertausend zu Roß*. Mit diesen vereinigten sich, da der Kaiser mehr aufbrachte, als er versprochen, etwa fünfundvierzigtausend Knechte und siebentausend Reiter kaiserlicher und königlicher Truppen aus Böhmen, Italien und Spanien 5. Papst Clemens zahlte zur größten Freude der Deutschen' hunderttausend Goldgulden behufs Besoldung von zehntausend Ungarn und schickte seinen Neffen Hippolit von Medicis mit kriegsgeübten Mannschaften 6.

Ende September musterte der Kaiser das gewaltige Heer im Lager

1

assurance particulière de non proceder (à cause de la religion) par ledit fiscal. . .

2 Vergl. Buchholz 4, 46-47. Urkundenband 32-33.

3 * Lorenz Truchseß an der oben S. 16 Note 1 angeführten Stelle. Den Anblick eines ,christlichen Heeres' gewährten die Truppen nicht. In hoc Christianorum exercitu quot putas millia fuere, qui vina plus, quam pecudum ritu non bibunt, sed maledicto compotationis scelere vorant, vomuntque, perduntque nefando nimis flagitio. Kil Leib, Annales 580.

4 Schärtlin's Lebensbeschreibung 32.

5 Schärtlin 32.

6 Vergl. Aleander's Schreiben vom 7. Juli 1532, bei Laemmer, Mon. Vat. 142. Er könne die hunderttausend Goldgulden, schrieb der Papst, nur mit höchster Mühe zusammenbringen, aber gleichwohl spende er sie aus Liebe für den Kaiser und König Ferdinand, sowie für die deutsche Nation, auf welche er die größte Hoffnung der gemeinsamen Rettung allzeit gesezt habe. Buchholz 4, 104.

Zug gegen die Türken. 1532.

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bei Wien. Aber zum gewaltigen Schlagen' kam es nicht, denn Suleiman, dessen Kriegsplan durch die vergeblichen Stürme auf das von Nicolaus Jurischiz heldenmüthig vertheidigte Güns schon durchlöchert war', wagte gegen ein solches Heer keine Feldschlacht und zog sich unter schrecklichen Verheerungen durch die Steiermark zurück. Hätten die Türken, meinte der Görlizer Bürgermeister Johann Haß, statt gegen Desterreich sich gegen die Länder der böhmischen Krone gewandt, so wären wir, da für diese das Reich kaum etwas gethan haben würde, auf heute gewißlich alle türkisch'1. Das Heer des türkischen Befehlshabers Casim-Begh wurde im Wienerwalde,der Art aufgerieben, daß auch nicht ein einziger Mann entkam'. Zapolya's Getreuer, Ludwig Gritti, der die Stadt Gran zu Land und mit Hülfe einer türkischen Flotte zu Wasser belagerte, mußte in Folge der tapfern Gegenwehr der deutschen Besatzung sein Unternehmen aufgeben. Auch von Andreas Doria liefen beim Kaiser erfreuliche Nachrichten ein; derselbe hatte die Osmanen aus dem jonischen Meere verjagt, Coron und Patras und die Dardanellen von Morea erobert.

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Es wäre jezt ein Leichtes gewesen, Ungarn aus den Händen Zapolyn's und der schmachvollen türkischen Oberherrschaft zu befreien. Am halben Volk, schrieb Schärtlin von Burtenbach, hätte man, Ungarn zu erobern, genug. Unwillig über die Art der Kriegsführung, sagte er: „Wir kriegen, wie dieser Kaiser allwegen krieget hat, und wie ein Ochs oder Stier, der in einer guten Weide geht. So er voll und gefüttert ist, sett er sich und mummelt, als lang ihn der Hunger auftreibt, zeucht er allgemach wider für sich zu weiden. Das Reichsheer löste sich auf, theils weil die Reichshülfe lediglich gegen die Türken bestimmt war, theils weil der Kaiser es entließ.

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Zum höchsten Kummer König Ferdinand's wollte der Kaiser nicht weiter gegen die Türken ziehen, sondern zunächst mit dem Papste in persön licher Zusammenkunft über die Berufung des Concils verhandeln, und dann nach Spanien zurückkehren. Nur die angeworbenen italienischen Truppen, etwa achttausend Mann, ließ Carl im Solde seines Bruders zurück und diese wurden bald eine wahre Landplage für Ungarn.

Ferdinand war untröstlich. „Die Mähren und Böhmen machen Schwierigkeiten, schrieb er bezüglich Ungarns am 2. October an seine Schwester Maria, ,das Reich will auch Nichts thun, so daß ich keine anderen Mannschaften habe, als die Italiener des Kaisers und fünftausend Mann zu Fuß aus der Grafschaft Tyrol und Pfyrdt.' Obgleich gut versoldet, zogen die Italiener

1 Kämmel 163-164.

2 bei Herberger 26. 32. Vergl. die Briefe Ferdinand's vom 30. October 1532, bei Lanz, Correspondenz 2, 19 und vom 31. October an die Königin Maria bei Gevay 2, 54-55.

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