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zu können, daß es viel besser gewesen wäre, das Bestehende zu verbessern, zu erhalten, zu überwachen, als stets Neues zu schaffen. Wir betrachten zu diesem Zweck zuerst die Thätigkeit nach Außen, dann die Veränderungen im Innern des französischen Reichs. In Allem wird sich leicht nachweisen lassen, daß nach dem Tilsiter Frieden Schmeichler und der thörichte Wunsch, den Monarchen, die sich Regenten von Gottes Gnade nennen, gleich zu sein, den Kaiser dahin brachten, sein Verhältniß zu seiner Zeit ganz zu verkennen und durch Zurückführung der alten Regierungsweise selbst seinen Thron zu untergraben.

Wir dürfen nicht über die Zeit des Friedens von Tilsit hinaus zurückgehen, sonst müßten wir der Errichtung des Rheinbundes, des Vizekönigthums Italien, der Einrichtung des französischen Königthums Neapel, der Einverleibung von Piemont, Genua und Parma mit dem französischen Reiche hier noch einmal gedenken. Zuerst bemerken wir daher, daß die Bestim= mungen der rheinischen Bundesakte nur in den Punkten streng erfüllt wurden, welche Verbindlichkeiten gegen den Protektor enthielten. In derselben war z. B. von einer Bundesversammlung die Rede und es schien Anfangs, als wenn Anstalten zu einer solchen gemacht werden sollten, sobald aber Preußen besiegt ward, redete man nur von Gewaltsregierung in Beziehung auf die Unterthanen, von Unabhängigkeit der Fürsten unter sich und von unbedingtem Gehorsam gegen den Protektor. Das war freilich nothwendig, es lag aber nicht im ersten Plan. Es nöthigte die Fürsten troß aller Konstitutionen, Tyrannen zu werden, sie schickten daher ihre Unterthanen nach Polen, sobald das neue Herzogthum Warschau dem rheinischen Bunde einverleibt worden war. Gleich darauf mußten sie auch nach Spanien Tausende senden, ohne daß auch nur irgend ein Grund dafür angeführt werden konnte. Die durch das Kinderspiel papierner Konstitutionen getäuschten Unterthanen der in Beziehung auf Regierung und auf ihre Mitfürsten souveränen, in Beziehung auf Napoleon aber und auf die in ihrem Lande von diesem dotirten Franzosen aller Art zu Sklaven herabgewürdigten kleinen und großen Regenten wurden durch ein bloßes Billet des

Kaisers bald hierhin bald dorthin gerufen. Tausende zogen jährlich in's Feld und genossen nicht einmal des Ruhms der Siege, denn die deutschen Hülfstruppen wurden getheilt und zersplittert, und selbst wenn sie beisammen blichen, war ihr oberster Anführer stets ein Franzose.

Ohne Rücksicht auf die frühern Bestimmungen über die Gebiete der Fürsten und über das Protektorat, wurden die erstern bald vergrößert, bald verkleinert wie sich die Plane än= derten, und stets mit Durchmärschen und Einquartierungen und mit der hohen Polizei des Fürsten von Eckmühl geplagt. Der Protektor schrieb Kontingente aus, wie und wann es ihm gefiel. Frühere Bestimmungen über die zu stellenden Truppen wurden gar nicht berücksichtigt, es wurden von den deutschen Fürsten die Kontingente ebenso despotisch gefordert, wie die Konskribirten von der französischen Nation, nur daß diese doch noch durch die Form eines Senatsdekrets getäuscht ward und nicht, wie die deutschen Fürsten, einem bloßen Billet des Kaisers gehorchen durfte. Die Aufnahme in den Bund wurde schon von den ersten Mitgliedern desselben schmählich erbettelt, erschmeichelt, erkauft; und auch später ward der Bund über die Aufnahme neuer Mitglieder nicht befragt. Sachsen und sogar das Herzogthum Warschau, Westphalen, die herzoglich sächsischen Häuser, die anhaltschen Fürsten, Schwarzburg, Würzburg, Reuß, Lippe, Waldeck, beide Herzoge von Mecklenburg, endlich auch Oldenburg, um dem Kaiser Alerander in Erfurt gefällig zu sein, wurden in den Bund aufgenommen, ohne daß auch nur ihre Existenz, geschweige die Integrität ihrer Besizungen dadurch wäre gesichert gewesen. Das Schicksal der einzelnen Herrn und ihrer Länder änderte sich oft über Nacht, wenn dem Kaiser ein neuer, vielleicht ein großer, oft aber auch ein sehr kleiner Gedanke kam. Davon wird weiter unten die Rede sein, hier wollen wir nur andeuten, was gemeint ist. Als z. B. der Großherzog von Berg an Joseph Bonaparte's Stelle König von Neapel ward, nahm Napoleon, troß seines heiligsten Versprechens, nach keinem Besize auf dem rechten Rheinufer zu streben, im Juli 1808 das Land unter seine unmittelbare Obhut. Auch dies ward 1810 wieder geändert, ohne daß diese

Aenderung je wirklichen Effekt erhielt. Der Sohn des Königs Ludwig von Holland wurde, als sein Vater unwillig aus seinem Königreich nach Böhmen geflüchtet war, Großherzog von Berg; aber das Land blieb unter französischer Verwaltung. Der Herzog von Oldenburg, der 1808 wieder eingesezt ward, mußte schon 1810 zusehen, daß sein Land plöglich, ohne vorhergegangenen Streit und ohne daß mit ihm unterhandelt worden

Frankreich einverleibt wurde. Der Fürst Primas, der um seine Verwandten, den Fürsten von der Leyen und den Herzog von Dalberg, Talleyrands Kreatur, zu bereichern, Fürst Primas des rheinischen Bundes geworden war und einen Franzosen, den Kardinal Fesch, als Nachfolger in seinem Erzbisthum Regensburg angenommen hatte, mußte im Jahre 1810 dieses Erzbisthum an Bayern überlassen und einen ganz weltlichen Titel annehmen. Er war Großherzog von Frankfurt und erhielt Hanau und Fulda, aber hinter ihn ward ein anderer Franzose als künftiger Nachfolger gestellt, der nicht unverheirathet und nicht ein alter Mann war, wie der Kardinal Fesch. Der Vizekönig von Italien war es, der, um die Krone Italiens betrogen, zum Nachfolger des ehemaligen Kurerzkanzlers ernannt ward. Auch mit Hannover und mit dem Gebiet, welches der Kaiser seinem Bruder Hieronymus überlassen hatte, ward verfahren wie mit einem Landgut, das man bald verschenkt, bald verpachtet, bald ganz verwalten läßt, bald in Parzellen theilt, die dann auf verschiedene Weise gebaut und bewirthschaftet werden. Das Land ward ausgesogen und Anfangs vorgeblich für den Fall einer Aussöhung mit England zurückbehalten, dann endlich mit Westphalen vereinigt und doch Lauenburg für neuen Tausch und neue Veränderungen aufbewahrt, darauf kommen wir unten zurück, hier ist es nur erwähnt, um zu zeigen, daß nirgends Festigkeit oder Dauer war. Alles beruhte auf der Persönlichkeit eines einzigen Mannes, dieser allein hatte den Schlüffel zu Allem. Das Heer, das er erst in Spanien, dann in Rußland muthwillig opferte, war die einzige wahre Grundlage seines kolossalen Reichs. Sachsen und Bayern wurden sehr begünstigt, aber Jedermann sah, daß das eine ge=

gen Oesterreich, das andere gegen Rußland vorgeschoben werden sollte, und daß hernach Ein Wort Polen wiederherstellen und Bayern vernichten könne. Die Errichtung des Herzog= thums Warschau war eine drückende Last für Sachsen, und der verständige Theil der Polen erkannte schon in der Art, wie der französische Kaiser die einträglichsten Herrschaften und Güter ihres Landes als Dotationen vertheilte oder als Domänen benußte, hernach noch mehr aus seinen widersprechenden Erklärungen, daß er nicht daran denke, ihnen Freiheit und Nationalität wiederzugeben, wohl aber daran, eine französische Provinz aus Polen zu machen.

Was Napoleon aus seinen Vasallen machen wolle, ward nach dem Schönbrunner Frieden vollends klar. Bayern mußte Braunau und Passau nicht für sich, sondern für des französischen Kaisers künftige Plane stark befestigen, und das füdliche Tyrol gegen Regensburg und gegen das seit 1806 ganz ausgesogene Bayreuth abtreten. In Italien ward verfahren, wie in Deutschland. König Joseph, der für den neapolitanischen Thron ganz geeignet war, durfte ihn nicht behalten, er mußte nach Spanien wandern, wo er gar nicht paßte. Der Papst ward verjagt und aus dem Kirchenstaat französische Departements gemacht. Toskana ward erst in ein Königreich Etrurien verwandelt, dann auf allen Seiten beschnitten und bedrängt, endlich ward der Königin und ihrem unmündigen Sohn der dritte Theil von Portugal versprochen. Man dachte selbst im Augenblick des Versprechens nicht daran, je Wort zu halten, Toskana wurde mit Frankreich vereinigt und wie Parma und Piemont in Departements getheilt. Nichtsdestoweniger ward Napoleons Schwester als Großherzogin von Toskana Generalstatthalterin der Departements jenseits der Alpen. Das Verfahren mit Spanien empörte auch die französischen Speichellecker und selbst die Sophisten verstummten.

Wir wollen von den elenden Künsten gar nicht reden, welche man gebrauchte, um Karl IV. und den Friedensfürsten in die Falle zu locken. In Beziehung auf den Wechsel der Plane, wovon hier die Rede ist, erinnern wir nur daran, daß der Kaiser wenigstens auf einen Augenblick dem Vorschlage Fer

dinands wegen einer französischen Prinzessin Gehör gab und ihn mit Lucians Tochter zn vermählen gedachte. Als er hernach die Königsfamilie in seiner Gewalt hatte, ward die Maske abgeworfen und sein Bruder Joseph erhielt den Thron; wir werden aber weiter unten sehen, daß er schon 1810 an eine Theilung des Reichs dachte und seinen Bruder unter Vormundschaft sezte. Derselbe Wechsel zeigt sich in der Verwaltung und Regierung des französischen Reichs und in der Abänderung der früher von Napoleon selbst gebilligten und eingeführten Einrichtungen und Verordnungen der konstituirenden Nationalversammlung, nur daß er hier systematisch Rückschritte machte. Er entfernte sich immer mehr von allem dem, was ihn zum großen Mann gemacht hatte, und näherte sich der Regierungsform, die er stets verhöhnt und verspottet hatte, und aus deren Beschaffenheit er ganz mit Recht den Verfall aller der Reiche ableitete, die er so leicht vernichtet hatte.

Wie sehr er seine Ansichten geändert hatte und wie ihm jezt alle die elenden Leute vortrefflich schienen, die er vorher so oft in seinen Proklamationen und Zeitungen geschmäht hatte, spricht er selbst in den Artikeln der öffentlichen Blätter und in den Bülletins aus, worin er 1809, nach seinem Einzuge in Wien die Rathgeber und Umgebungen des österreichischen Kaisers ungezogen schmäht. Er hat ganz vergessen, wie er in voriger Zeit Jahre lang gegen Leute, wie Thugut, Manfre= dini, Ludwig Cobenzl und den Fürsten von Ligne geschimpft hatte, und auch sogar, was alle Welt von diesen Leuten sagte. Jezt rühmt er sie, jezt beruft er sich auf das, was sie sollen gesagt haben, und schilt die Patrioten, welche das ganze Land zu den Waffen rufen wollen und zur Ausdauer im Kriege ermahnen.

Nach denselben Grundsägen engherziger Politik verfuhr er auch bei Veränderungen der Institutionen des Staats, den er selbst Anfangs den Bedürfuissen der Zeit und den Forderungen der fortschreitenden Bildung gemäß eingerichtet hatte. Er ließ, wie wir an andern Orten gezeigt haben, nach und nach von allen den Rechten welche die Nation seit 1789 mit so vielem Blute erkauft, und von der von ihr errungenen Theilnahme

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