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unter vier Augen Vieles zugestand, was er gleich hernach_bereute. Vorerst war er ebenso zufrieden mit dem Ausgang seiner geheimen Unterhaltung mit dem Kaiser als dieser. Je= dermann war erfreut über die Aussöhnung; auch die Kaiserin mit ihrem Gefolge kam nach Fontainebleau und es begannen sogleich die Conferenzen über die Artikel des neuen Concordats, welches schon am 25. fertig war. Der Kaiser hatte, wie uns Fain sagt, der die Feder führte, bei der Unterhaltung die Artikel wörtlich diktirt, welche dann der Papst durch Kopfnicken anerkannte.

Die Bestimmungen des Concordats von 1811 wurden nur in ein Paar Punkten geändert, der Papst nahm die ihm an= gebotene Entschädigung von jährlich zwei Millionen an, der Kaiser forderte aber dagegen nicht mehr, daß er eine förmliche Abtretung des Kirchenstaats bewilligen solle. Der Kaiser besteht nicht mehr darauf, daß der Papst in Paris seine Residenz nehmen soll; der Papst nimmt dagegen die ihm angebotene Residenz in Avignon an. Da Napoleon in einem Billette er= klärte, daß der Papst durch den Abschluß des Concordats keineswegs auf den Kirchenstaat verzichtet habe, und daß das Concordat blos geistliche Rechte angehe, so willigte auch der Papst in die von der französischen Kirche gemachte Forderung, daß er erwählte Bischöfe innerhalb sechs Monaten bestätigen müsse. Das neue Concordat ward am 25. feierlich unterzeichnet; am folgenden Tage wurden die Rathgeber des Papstes beschenkt, und 17 Cardinälen, von denen 9 im Palaste wohn= ten, der Zugang zum Papste verstattet; auch ward das Concordat öffentlich verkündigt und in den Kirchen ein: „Herr Gott dich loben wir" gesungen; nichtsdestoweniger fand die Ausführung des Concordats Hindernisse und die sogenannte Kirche erkannte es nicht an. Der Kaiser nahm keine Rücksicht auf diese Kirche, er ließ am 13. Februar das Concordat als Reichsgrundgeset bekannt machen, aber die Cardinäle und der von ihnen geängstigte Papst bereuten den Abschluß und behaupteten, Napoleon habe gegen die getroffene Abrede die Urkunde früher bekannt gemacht, als der Papst seine Berathschlagung mit den vertrauten und allein rechtgläubigen Cardinälen habe beendigt gehabt.

Der Cardinal Pacca, also das Organ des Ultramonta= nismus, sagt in seinen Denkwürdigkeiten, daß als er dem Papst wegen seiner Ausdauer im Dulden Glück gewünscht, dieser erwidert habe: „Aber am Ende habe ich mich beschimpft." Er habe dann auf die drei Cardinäle gedeutet, welche beim Abschlusse thätig gewesen seien, und habe ge= sagt: „Die Cardinäle da haben mich an den Tisch ge= schleppt und mich bewogen zu unterschreiben. Anfangs war man, wie Pacca sagt, unschlüssig über das, was zu thun sei, endlich ward beschlossen, der Papst solle Neue über seinen Schritt bezeugen und ihn förmlich zurücknehmen. Dies geschah endlich am 24. März durch einen Brief des Papstes an den Kaiser und durch ein päpstliches Manifest an die Christenheit, welches man eine Allocution nennt. In beiden Schriften bekennt der Papst, daß er nur Staub und Asche sei und aus menschlicher Gebrechlichkeit, in Uebereilung einer Urkunde feine Unterschrift ertheilt habe, die er jezt zurücknehmen müsse.

Der Katser nahm von der päpstlichen Zurücknahme des Concordats gar keine Notiz, er ernannte vielmehr den Cardinal von Bayonne und den Bischof Bourlier von Evreur, welchen der Papst Schuld gab, daß sie ihn hinterlistig zum Unterzeichnen bewogen hätten, zu Senatoren, und schärfte an demselben 25. März, an welchem der Papst das Concordat zurücknahm, allen Erzbischöfen, Bischöfen und Capiteln ein, daß er auf die strenge Beobachtung desselben zu halten entschlossen sei. An demselben Tage ward im Kirchenstaat bekannt gemacht, daß den bis dahin wegen der dem Kaiser verweigerten Eidesleistung bestraften Geistlichen die über sie verhängten Strafen erlassen werden sollten, wenn sie den Eid jezt in Folge des Concordats leisten würden. Der Schein der Aussöhnung dauerte fort, der Papst ward nicht mehr verfolgt, die Geistlichkeit beobachtete dem äußern Ansehen nach das Concordat; im Innern war die Spaltung ärger als je; denn die vornehmsten Geistlichen der römischen Kirche unterhielten immer noch die Meinung im Volke, daß Napoleon von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen sei und dieser rächte sich gelegentlich an ihnen. Er verbannte

den Cardinal di Pietro, der an dem Widerruf des Papstes besonders Schuld sein sollte, nach Aurerre, und wenn gleich die andern Cardinäle beim Papfte bleiben durften, so mußten sie sich doch von allen Geschäften entfernt halten und durften keine geistliche Verrichtungen vornehmen. Der Papst seiner Seits machte am 9. Mai auf den Rath derselben Cardinäle eine Allocution bekannt, worin er gegen Napoleons Dekrete vom 13. Februar und vom 26. März protestirte.

4.

England, Sicilien.

Im Anfange des Jahrs 1812 ward das englische Ministerium von Perceval ganz nach Pitts Grundsägen geleitet und die alten Mißbräuche und oligarchischen Sitten hatten sogar in Perceval und seinen Genossen eine noch festere Stüße, als in Pitt; denn dies Ministerium betrieb nicht blos den Krieg für Aufrechthaltung des Alten gegen das Neue mit derselben Heftigkeit als Pitt, sondern es nahm sich nicht einmal wie Pitt der Katholiken an, um ihnen zu den Rechten zu helfen, die ihnen als englischen Bürgern gebührten. Einer der gewandten aber gewissenlosen Leute, deren sich Regierungen wie die englische, denen nur der Zweck wichtig ist, die Mittel aber gleichgültig sind, zu bedienen pflegen, glaubte (wie es scheint, sehr mit Unrecht) von Perceval nicht genug belohnt zu sein und erschoß ihn am 17. Mai 1812; sein Tod machte, wie das zu sein pflegt, eine Veränderung des ganzen Ministeriums nöthig. Das leichteste wäre gewesen, Wellesley, also das Haupt einer der oligarchischen Häuser, d. h. Einer der Familien der Tories und Canning, den Gehülfen oder vielmehr die Intelligenz von Pitts Ministerium, ins Kabinet zu nehmen; aber diese wollten sich nicht mit dem bestehenden Ministerium verbinden. Das Ministerium wollte dem überlegnen Talent der beiden Männer nicht gern einen Plaß unter sich einräumen, der Prinz Regent, der für seinen irren Vater damals selbstständig als König figu= rirte, was Niemand je meisterhafter gethan hat, als er, gerieth

daher in große Verlegenheit. Die Ungewißheit dauerte bis Ende Mai und das Parlament ersuchte endlich den Prinz Regenten dringend, Sorge zu tragen, daß ein neues Ministerium ernannt werde. Der Prinz Regent gab darauf an Lord Wellingtons Bruder, Lord Wellesley, den Auftrag, ein neues Ministerium zu bilden; aber ohne Erfolg. Lord Wellesley erklärte schon am 3. Juni, daß er kein Ministerium vereinigen könne, sprach sich aber im Oberhause über die Ursache des Mißlingens seines Versuchs auf eine solche Weise aus, daß man leicht begreift, warum sich sein Bruder Wellington hernach über den übeln Willen des Ministeriums, welches endlich bestellt ward, so heftig zu beschweren hatte 87).

Die Whigs wollten ebenfalls nichts mit dem alten Ministerium zu thun haben, es ward also am 9. Juni ein Ministerium von lauter Leuten gebildet, die jedem Fortschritte feindlich gesinnt waren, und die Mißbräuche der hohen Geistlichkeit und jedes aristokratische Vorurtheil schüßten und hegten. Lord Liverpool stand an der Spiße dieses Ministeriums, in welchem Addington, damals schon seit acht Jahren Lord Sidmouth, Staatssekretär des Innern war. Lord Liverpools Feindschaft gegen Lord Wellesley erstreckte sich auf die ganze Familie desselben, so daß damals Wellington nicht den Einfluß in England hatte, der in diesem Augenblicke nöthig gewesen wäre, um den spanischen Krieg mit einem Schlage zu endigen. Da Lord William Bentink bei dem neuen Ministerium mehr Einfluß hatte als Wellington, so trug die regierende englische Oligarchie kein Bedenken, die Kräfte, die in Spanien hätten ange= wendet werden sollen, für Lord Williams Schimären zu ge= brauchen. Es spielte nämlich damals Lord William Bentink, ein heftiger und gebieterischer Engländer alten und rohen Schlags, nicht allein den constitutionellen König von Sicilien, sondern er mischte sich auch in die spanischen Angelegenheiten.

Die Engländer hatten, wie wir oft bemerkt haben, Sici=

87) Lord Wellesley sagte: He had that day surrendered his commission lamenting, that dreadful personal animosities should have interposed obstacles to prevent that union of parties which was most desirable.

lien nicht blos gegen die Angriffe König Joachims und der Franzosen durch ihre Flotten geschüßt, sondern sie hatten auch ein Landheer dahin geschickt. Dieses Heer hatte Anfangs Sir John Stuart kommandirt, die Regierung war aber in den Händen des aus Neapel nach Palermo geflüchteten Königs oder vielmehr seiner männlichen, furchtbar energischen Gemahlin Carolina, die auch in der Verbannung ihren orientalischen Charakter nicht geändert hatte. Sie unterhielt Einverständnisse mit ihren alten Freunden im Neapolitanischen, sie versuchte mit Hülfe der Engländer Landungen in Calabrien und regte die räuberischen Bewohner der Küsten und Gebirge gegen den fran= zösischen König auf, veranlaßte aber nur Mord und Gräuel, ohne den Franzosen bedeutend zu schaden; König Joachim und seine Gemahlin Carolina Bonaparte vergalten Gleiches mit Gleichem. Joachim suchte auf der Insel zu landen, seine Carolina stiftete Verschwörungen und geheime Verbindungen daselbst; beides zum Verderben derer, die mit ihnen in Verkehr traten. König Ferdinands grausame Gemahlin, die schon im vorigen Jahrhundert drei Mal gegen ihre neapolitanische Unterthanen wie eine Furie gewüthet hatte, begann jezt auch gegen die Sicilianer zu wüthen. Nicht blos Schuldige und Verdächtige, sondern ganz Unschuldige und Unbescholtene wurden so grausam verfolgt und so entseßlich behandelt, daß endlich die Engländer, die eine zur Furie gewordene Herrscherin mit ihren Truppen gegen ihre eigenen Unterthanen schüßen sollten, sich einmischen mußten.

Acton, der im vorigen Jahrhundert die königliche StaatsInquisition und ihre Henker und Schergen geleitet hatte, war freilich gestorben, aber der Cavaliere Medici, der nach dessen Tode Werkzeug und Gehülfe der Königin ward, war furchtbarer als er, denn er übertraf ihn an Falschheit und Verschla= genheit. Die Sicilianer, nicht blos das Volk, sondern auch die Großen waren so unzufrieden, daß die Engländer das Schlimmste zu besorgen hatten, wenn sie sich dazu verstanden, die königliche Regierung fortdauernd gegen die Unzufriedenen zu unterstüßen. Die Königin und die Mätresse des Herzogs von Ascoli, der neben Medici den größten Antheil an der Ne

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