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den, welcher als Centralbehörde alle von den Truppen beseßten Länder vorläufig organisiren und verwalten sollte. Die Einkünfte der besezten Länder sollten berechnet und zwischen Preußen und Rußland zu gleichen Theilen vertheilt werden, doch sollte Hannover einen Antheil daran erhalten, welcher dem zum Kriege gestellten Contingent verhältnißmäßig wäre. 3) Sollten alle Länder von Sachsen bis an die Grenze von Holland, mit Ausnahme der ehemals preußischen Provinzen und der zu Hannover gehörigen Landstriche, in fünf große Abtheilungen getheilt werden. Regierung und Verwaltung jeder dieser Abtheilungen sollte von einem Civil- und einem Militärgouverneur geleitet werden. Die ersten Mitglieder der sogenannten Centralver= waltung, welche vor der Schlacht bei Leipzig wenig zu verwalten hatte, waren der Minister von Stein, der Geheimerath von Schön, der Staatsrath Rediger, ihr Präsident der ruffische Graf Kotschubey.

Der Minister von Stein hatte bei Gelegenheit der Con= vention vom 19. durchgesezt, daß vermöge der Proclamation, welche hernach erlaffen wurde, alle deutschen Fürsten, die sich weigern würden, zur Befreiung des Vaterlandes beizutragen, thre Staaten verlieren sollten und nach einer vom Feldmarschall Kutusoff unterschriebenen Erklärung ward der Rheinbund aufgelöset. Preußen hatte, noch ehe es den Krieg erklärte, schon am 12. März den Orden des eisernen Kreuzes als Belohnung für die, welche für Preußens Sache gelitten, als Ermunterung für die, welche im bevorstehenden Kriege sich auszeichnen würden, gestiftet. In einer andern Proclamation vom 17. ward offen ausgesprochen, daß der angekündigte Krieg kein gewöhn= licher sei, daß Alles auf dem Spiel stehe und daß Alles ge= wagt werden müsse. Als Preis unerhörter Anstrengungen ward im Namen des Königs allen Ständen Freiheit und Berechtigung, in Staatsangelegenheiten eine Stimme zu haben, verheißen und die königliche Familie selbst versprach alle bevorstehende Gefahren zu theilen.

3.

Vereitelter Versuch Napoleons, sich mit dem Papst und mit der Kirche auszusöhnen.

Kaiser Napoleon war in Feindschaft vom Papste geschie= den, als er seinen Zug nach Rußland antreten wollte; er ließ ihn in Savona in strenger Haft halten, linderte diese aber in dem Augenblick, als er nach Dresden abreiste; entweder weil er aufs Neue versuchen wollte, was mit Güte auszurichten sei, oder weil er fürchtete, die Engländer, deren Kriegsschiffe sich oft an der Küste sehen ließen, möchten ihn aus Savona entführen. Am 20. Juni 1812 ward der Papst nach Fontainebleau gebracht, wo er dieselben Zimmer bewohnte, die er zur Zeit seiner Anwesenheit bei der Krönung bewohnt hatte, und von Personen bedient ward, welche aus den verschiedenen Theilen der kaiserlichen Hofhaltung (maison) ausgewählt waren. Er ward bedient und behandelt wie zur Zeit der Krönung und wie gekrönte Häupter, die in Frankreich reiseten und hatte eine Anzahl Geistlicher und seinen Leibarzt Porta um sich 86). Es wurde auf diese Weise freilich kein physischer Zwang gegen den alten Mann angewendet, der moralische war dagegen desto stärker, weil alle Persönlichkeiten so gewählt waren, wie sie zu den Absichten des Kaisers paßten, der einer Hierarchie und eines Papstes zu seiner Art Staat durchaus bedurfte und blos aus dieser Ursache gleich um 1800 die Wiederherstellung der Erfindungen des jesuitischen Fetischismus in der christlichen Religion erlaubt hatte. Als Freunde nüßten die papistischen Geistlichen dem Kaiser wenig, als Feinde konnten sie ihm sehr viel schaden.

86) Der Papst hatte um sich die Cardinäle de Bayonne, Fabriclo, Ruffo, Roverella, Dugnant, Dorta und den Erzbischof von Edessa, seinen Almosenter, die seinen geheimen Nath bildeten, dann wurden aus Frankreich und Italten als Vermittler der Aussöhnung zu ihm gerufen: de Barral, Erzbischof von Tours, der Cardinal Maury, Erzbischof von Paris, Düvoisin, Bischof von Nantes, Hirn, Bischof von Trier, Bourlier, Bischof von Evreur, endlich die Bischöfe von Piacenza, von Feltre und von Faenza.

Das fühlte Napoleon besonders nach der Rückkehr aus Rußland, wo die Geistlichen einander zuflüsterten und auch den Gläubigen zu verstehen gaben, daß endlich der Gott Zions erwacht sei. Sie spielten in Predigten und Hirtenbriefen auf den Sturz des Kaiserreichs an, und zugleich auf Befreiung des Papstes und auf den Triumph Roms. Der Kaiser hatte die Sache vorher durch Strenge zu beendigen gesucht, er hatte den Papst immer schärfer bewachen lassen; er ließ bei dieser Gelegenheit wahrhafte Tyrannei gegen die päpstlichen Geistlichen, vorzüglich gegen den Cardinal Pacca ausüben. Sie wurden dritthalb Jahre lang theils in der unter Schnee und Eis liegenden piemontesischen Festung Fenestrell, hernach in andern festgehalten. Auf dieselbe Weise wurden alle die, welche sich dem Papste, oder eigentlich den Säßen der graß katholischen Lehre ergeben zeigten, ebenso wie in Rußland unter Nicolaus jeder Freigesinnte, in grausamen Gefängnissen, und durch alle ersinn= lichen Entbehrungen in unwirthlichen Gegenden gequält. Er erkannte aber, als er seinen Zug beginnen wollte, daß es unmöglich sein werde, zu gleicher Zeit mit dem Fanatismus und mit den Russen Krieg zu führen. Die Priester fingen an, so= gar den Papst anzugreifen, weil er überhaupt ein Concordat geschlossen habe; viele hielten Gottesdienst in besondern, der Staatskirche nicht angehörenden, Bethäusern. Die Trennung ward so bedeutend, daß der Staatsrath durch ein Rundschrei= ben allen Prokuratoren, Präfekten, Bürgermeistern und Polizeibeamten befahl, diese Bethäuser zu schließen und den Gottesdienst in denselben nicht zu erlauben. Auch der Director des Bücherwesens gerieth mit den Bischöfen in Streit, weil diese in Andachtsbüchern und in theologischen Schriften Ausfälle ge= gen die Einmischung der bürgerlichen Regierung duldeten und die Monarchie des Papstes in Kirchenfachen zu vertheidigen erlaubten. Man warf ihnen außerdem vor, daß sie den Sct. Napoleonstag aus dem Kalender weggelassen, und daß der Generalvikar Lemaitre zu Dijon am Jahrestag der Schlacht bei Austerlig eine wüthende Predigt gegen den Krieg und seine Folgen gehalten hätte. Die Unzufriedenheit, welche der Streit mit dem Papste veranlaßte, und die Erfahrung, wie gefährlich Schlosser, Gesch. d. 18. u. 19. Jahrh. VIII. Bd. 4. Aufl.

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es sei, wenn zu der Zeit, wo er auf Schlachtfeldern verweile, keine Stellvertretung der höchsten Gewalt in Paris bestehe, brachten ihn auf den Gedanken, ehe er aufs Neue zum Heer gehe, eine Regentschaft in Paris zu bestellen und den Streit wegen der Aenderungen, die er im Concordate mit dem Papste zu machen wünschte, zu beendigen.

Die Verfügungen, die der Kaiser in Beziehung auf die Regentschaft traf, welche er seiner Gemahlin und unter ihrem Vorsiz, einem Regentschaftsrath überlassen wollte, wenn er zur Armee reise, erwähnen wir hier nicht, weil sie Frankreich allein angehen und am Ende dem Hauptzweck, einen Abfall der Hauptstadt zu verhindern, nicht entsprachen; die Unterhandlungen über das Concordat dürfen wir nicht übergehen. Daß bei Gelegenheit der Bestellung einer Regentschaft festgesezt ward, daß in Abwesenheit des Kaisers und wenn der Thronfolger unmündig sei, die Regierung von der Mutter desselben geführt werden solle, geschah vielleicht zum Theil, um dadurch dem Kaiser von Oesterreich zu schmeicheln, dessen man damals sehr bedurfte; den Bapst suchte der Kaiser durch Ueberraschung zu Bewilligung dessen zu bringen, was er von ihm verlangte. Wir dürfen auch in Beziehung auf das Concordat bei dem Einzelnen nicht verweilen, theils weil wir dabei in kirchliche Dinge eingehen müßten, die wir absichtlich nicht berühren wollen, theils weil fast alle Quellen, die wir über das Betra= gen Napoleons gegen den Papst zu Rath ziehen könnten, sehr unzuverlässig sind. Alle Bonapartisten, ohne Ausnahme, wollen nicht einmal zugeben, daß dem Papste moralischer Zwang angethan sei, was doch ganz offenbar ist; zwei legitimistische Schriftsteller dagegen, die in Frankreich in sehr großem Ansehen stehen, gehen so weit, daß sie behaupten, Napoleon selbst habe gewaltsam Hand an den Papst gelegt.

Die erwähnten Schriftsteller, die durchaus noch rechtgläubiger sein wollen, als der Papst selbst, sind der Nomantiker und Legitimist Chateaubriand in seiner 1815 herausgegebenen Lobschrift auf die ältere Linie der Bourbons und Artaud in seinem 1836 erschienenen Leben Papst Pius VII. Selbst der fanatische Cardinal Pacca dagegen, der früher den Papst zu Rom zu

allen möglichen heftigen Schritten gegen den Kaiser ermuntert und getrieben hatte, sagt in seinen Denkwürdigkeiten weder Etwas von den Thätlichkeiten, welche Chateaubriand dem Kaiser Schuld gibt, noch von den wüthenden Blicken, wobei es Artaud bewenden läßt. Wenn Chateaubriands Erzählung nur einen Schatten von Wahrscheinlichkeit hätte, so würden de Pradt und Walter Scott in ihren Schandschriften über Napoleon gewiß den Umstand begierig ergriffen haben. Während der Abwesenheit des Kaisers stockten die Unterhandlungen mit dem Papste, der besonders an dem Punkte wegen seines künftigen Aufenthalts und wegen des Termins, den man ihm in Rücksicht der von ihm zu ertheilenden Bestätigung der ernannten Bischöfe, sezen wollte, Anstoß gefunden hatte; sobald Napoleon zurück war, nahm er die Sache wieder auf, und Düvoisin, Bischof von Nantes, und Barral, Erzbischof von Tours, waren bei der Vermittelung am thätigsten.

Am ersten Januar 1813 ließ der Kaiser als Sohn der Kirche dem Papst sein Kompliment machen und dieser schickte den Cardinal Doria, um den Glückwunsch zum neuen Jahr zu erwidern; bei der Gelegenheit ward der Anfang der Unterhandlungen gemacht. Als diese bis zum 10. zu keinem Nesultat geführt hatten, beschloß der Kaiser dem Papst selbst auf den Leib zu gehen und ihn nicht aus den Augen zu lassen, bis die Sache beendigt sei.

Eine Jagdparthie zu Grosbois gab ihm den Vorwand, unerwartet am 19. in Fontainebleau zu erscheinen, wo dann am 20., als der Papst ihm in seinen Zimmern den Gegenbefuch machte, die zweistündige Unterhaltung Statt fand, über welche die Berichte so verschieden lauten. Das Wahrscheinlichste ist, daß der Kaiser sich auf der einen Seite der korsischen und militärischen Heftigkeit überließ, die ihn zu so manchen Ausfällen gegen fremde Diplomaten und gegen Generale fortriß, und auf der andern die ganze liebenswürdige Freundlichkeit aufbot, die ihn unwiderstehlich machte. Die Ueberraschung, die lange Gefangenschaft, das Zureden der von Napoleon gewon= nenen Geistlichen, die Gewalt Napoleons über schwächere Ge= müther erklären es leicht, daß der Papst in der Unterhaltung

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