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nach meisterhaft benußte, da dieser mit Leuten zu Paris in enger Verbindung stand, die, ohne gerade zu conspiriren, doch mit dem Gange der Dinge unzufrieden waren. Tschernitscheff nahm einen Brief des Kronprinzen mit nach Paris, aus dessen Inhalt hervorgeht, daß er Auftrag gehabt haben müsse, sich mit dem Kronprinzen zu verständigen und sich der Angelegen= heit Schwedens in Paris anzunehmen. Aus dem unten ange= führten Briefe des Kronprinzen 25) wird man sehen, was man als Entschuldigung geltend machen wollte, wenn man nicht ge= radezu den Engländern Krieg erklärte und auch die andern Forderungen nicht befriedigte. Napoleon antwortete freilich auch jezt nicht gleich, er stimmte aber doch seine Forderungen herab. Statt 12,000 Soldaten und Matrosen, die er zuerst verlangt hatte, war er, wie wir bemerkt haben, vorher schon auf 2000 herab gekommen und gab sich auch zufrieden, als er selbst diese nicht erhalten konnte; er erbot sich sogar den Schweden zu erlauben, einen Tausch mit ihm zu machen und ihm für die in seinen Magazinen durch Confiscation und Licenzen= handel angehäuften Colonialwaaren Eisen zu geben; im folgenden Jahr (1811) ward aber gleichwohl der Zwist ärger als vorher.

25) Der Kronprinz schreibt (in den urkundlichen Äctenstücken, welche angehängt sind, den Mémoires pour servir à l'histoire de Charles XIV, Jean, roi de Suède et de Norwège. Par le chef d'escadron Coupé de St. Donat et B. de Roquefort etc. Paris 1820) am 19. Decemb.: Czernitscheff wird Ew. Majestät sagen, daß Schweden auf dem Punkte ist, in die aller betrübteste Lage zu gerathen, daß ihm schlechterdings die Mittel fehlen, den Krieg, welchen es ers klären mußte, zu führen, daß die Regierung zwar dennoch in dieser gewaltsamen Krisis thre Anstrengungen verdoppelt, daß aber des Königs Gewalt nicht hin, reicht, das Confiscationssystem hier in dem Maaße auszudehnen, wie es anderwärts geschehen kann. Die Rechte und das Eigenthum eines Jeden werden ja bei uns durch die Reichs-Grundgeseze geschüßt - und wollte selbst der Köntg eine entgegengeseßte Maaßregel ergreifen, so würde doch kein einziger seiner Staatsräthe wagen, derselben betzustimmen.

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Drittes Hauptstück,

bis zum Jahre 1815.

S. 1.

Preußen, Türket, Papst, Frankreich bis zum Jahre 1812.

A. Preußen in den Jahren 1809-1811.

Wir haben oben erwähnt, daß der Minister von Stein in der Mitte seiner reformatorischen Laufbahn gehemmt ward, als er am Ende des Jahrs 1808 sein Ministerium niederlegen und im Anfange des Jahrs 1809 nach Böhmen flüchten mußte, wo er bis im Mai 1812 blieb, dann aber nach Rußland ging und durch den Kaiser Alexander bei der neuen Gestaltung der Dinge Großes wirkte. Wir glauben in Beziehung auf Steins Wirksamkeit in den Jahren nach 1813 hier noch einmal kurz auf die Grundsäge zurück kommen zu müssen, von denen er bei seinen Reformen um 1808 ausging. Wir müssen diese refor= matorischen Ansichten des Baron von Stein hier um so mehr bezeichnen, als wir weiter unten sehen werden, daß um 1813 Metternich, Stadion und ihre Genossen, die damals gemeine Sache mit ihm machten, ihn und Alle, die sich um ihn sammelten, fast noch mehr fürchteten, als Napoleon. Es war ihm indessen doch gelungen, den preußischen Staat zu reformiren, nur hatten sich die Franzosen und der General von Scharn= horst, freilich aus ganz verschiedenen Ursachen, der Einführung der Volksbewaffnung widersett; Scharnhorst wollte mit Recht erst das regulirte Militär wieder herstellen; um 1813 war aber die erste Wohlthat, die Stein den Preußen erzeigte, die durch Dohna veranlaßte, durch Rühle von Lilienstern geförderte Ein

richtung des Landsturms und der Landwehr. Was Steins Wirksamkeit vor seiner Flucht nach Böhmen und seine ganze Tendenz angeht, so glauben wir sie, soweit die Sache hieher gehört, am kürzesten mit Steins eignen Worten bezeichnen zu können. Diese Worte finden sich in dem Sendschreiben, welches der Minister, als er am 24. November 1808 sich schnell flüch= ten mußte, an die oberste Verwaltungsbehörde in Preußen richtete. Wir wollen in der Note nur einige Hauptsäge an= führen, den übrigen Inhalt mögen die Leser in dem merkwürdigen, oft abgedruckten Sendschreiben selbst nachlesen 26).

Steins Entfernung hemmte den raschen Fortschritt in Preußen, nur Scharnhorst wandte seine in der praktischen Militärschule des wunderlichen Grafen von der Lippe erworbenen

26) Dieses Schreiben ist eine Art politischen Testaments oder Glaubensbekenntnisses. Nachdem er darin gesagt hat, daß schon Vieles geschehen set, heißt es weiter: Die Erbunterthänigkeit habe aufgehört, der Pfetler jedes Throns zu sein, der Wille freier Menschen, set gegründet, das unbeschränkte Recht zum Erwerb des Grundeigenthums sei proklamirt. Dem Volke set die Be, fugniß, seine ersten Bedürfnisse selbst zu bereiten, wiederges geben. Die Städte seien (durch die neue Städteordnung) mündig erklärt. Dann fügt er noch acht Säße bet, worauf es nach seiner Meinung hauptsächlich ankomme, wenn man die preußische Staatsmaschine in ein organisches Ganze, welches Leben und Bewegung aus sich und in sich habe, verwandeln wolle. Diese Säße sind 1) Regierung kann nur von der höchsten Gewalt ausgehen. 2) Derjenige, welcher Recht spricht, darf nur allein von der höchsten Gewalt abhängen, die Patrimonialgerichtsbarkeit müsse also aufgehoben werden. 3) Die Erbunters thänigkeit het zwar aufgehoben; viele, besonders schlesische, Gesindeordnungen beschränkten aber die Freiheit noch immer. 4) Die Repräsentation des Volks, wo fie Statt finde, set höchst unvollkommen eingerichtet, es müsse eine allgemeine Nationalrepräsentation eingerichtet werden, davon hänge das Wohl und Wehe des preußischen Staats ab. 5) Zwischen Adel und Bürgerstand set keine Verbindung. Der Adel müsse reformirt und mit den übrigen Ständen in eine Verbindung gebracht werden. Daraus folge 6) daß die allgemeine Pflicht zur Vertheidigung des Vaterlandes gesetzlich begründet werden müsse. Den Bauernstand müsse man heben. 7) Durch Aufstellung gesehlicher Mittel zur Aufhebung der Frohnden. 8) Durch Belebung des religtösen Sinns im Volke. 9) Ueberhaupt durch Sorge für Unterricht und Erziehung der Jugend. Er fügt mit Recht hinzu, daß, wenn diese Grundlagen gelegt wären, die kleinen Mängel der Verfassung, besonders der Finanzeinrichtungen, bald gehoben sein würden.

Kenntnisse mit Erfolg auf die Einrichtung des preußischen Heers an. Der König und seine Familie verweilten damals in Preußen; in Berlin mangelte Ordnung und ein praktischer leitender Geist; Altenstein, Dohna, Beyme, aus denen das Ministerium bestand, waren nicht im Stande den Finanzen aufzuhelfen, wovon Alles abhing, weil Napoleon mit unerbittlicher Härte auf der Zahlung der 85 Millionen rückständiger Contributionen bestand. Er willigte sogar, um zu seiner Bezah= lung zu gelangen, endlich ein, daß Hardenberg, geschmeidiger, diplomatischer, weniger moralisch als Stein, also auch weniger streng als dieser, dessen Stelle als leitender Minister erhielt. In dieser Zeit erschien, noch ehe der König am 23. Dezember 1809 nach Berlin zurückgekehrt war, am 6. November das wichtige Decret, vermöge dessen die Unveräußerlichkeit der könig= lichen Domänen aufgehoben ward. Durch dieses Decret ward bewirkt, daß Preußen nicht mehr, wie im achtzehnten Jahrhundert, ein Landgut des Königs bleiben durfte, sondern Eigenthum freier Menschen werden konnte; dies wird schon aus einigen Bestimmungen hervorgehen, die wir, um die große Bedeutung des Decrets zu bezeichnen, kurz anführen wollen. Der Verkauf von Bauerngütern, Mühlen und andern zu den Krongütern gehörigen Stücken, heißt es darin, solle unbedingt erlaubt sein. Die Veräußerung von Grundstücken, Gefällen, Rechten solle soweit gestattet sein, als es die Bedürfnisse des Staats erforderten.

In einer Zeit, wo Alles laut forderte, daß die Deutschen endlich die hemmenden Schranken der Etikette und der byzantinisch deutschen Formen abschaffen und wie die Engländer und Franzosen unter sich verkehren sollten, kündigte der Hof seine Rückkehr nach Berlin nicht gerade vortheilhaft dadurch an, daß eine Anzahl von Verordnungen über das Allerunwesentlichste, über Hofwesen und Etikette erschienen und daß die Herrn von Humboldt, Altenstein, Niebuhr, Schleiermacher und andere vornehme Herrn und eitle Gelehrte den Plan einer Berliner Universität ausheckten. Diese kam im Herbst 1810 wirklich zu Stande und es gelang anfangs den vornehmen Leuten, ihren anmaßenden Ton und das Herabsehen auf Andere in die Mode

zu bringen, und vorgeblich eine neue Philosophie, eine neue von ihnen entdeckte Geschichte und Alterthumswissenschaft herrschend zu machen. Dadurch glaubten sie sich berechtigt, Berlin fortan Metropole der deutschen Wissenschaft zu nennen und wir Andern glaubten in der That lange, wir alle seien Zwerge und nur in Berlin seien lauter Riesen. Als sich hernach zeigte, daß die Mehrsten nur darum so groß wären, weil sie auf Stelzen gingen, lachten wir und schwiegen. Es ward daher erreicht, was die vornehmen Herrn wollten: Engländer und Franzosen, die das Vornehme lieben und Worte für die Sache nehmen, achteten Deutschland um Berlins willen.

Der Baron von Hardenberg, der mit Napoleons Bewilli= gung als Staatskanzler den ganzen preußischen Staat leitete, hatte das Verdienst, diese und andere Reformen mitten in der traurigsten Zeit des preußischen Staats möglich zu machen. Er verstand, was Stein nicht konnte, die Franzosen mit ihren eignen Künsten zu schlagen, und meisterhaft eine doppelte Rolle zu spielen, und nicht blos die Franzosen, sondern auch seinen furchtsamen König zu täuschen. Was man auch immer von Hardenbergs Privatleben, von seiner Umgebung und von seinen Günstlingen sagen mag, die Wuth, welche alle französischen Schriftsteller über das zeigen, was sie seine Treulosigkeit und Falschheit nennen, beweiset deutlich, daß er der rechte Mann war, wenn es darauf ankam, fie mit ihren eignen Waffen zu bekämpfen. Daß er im Stande sei, Verwaltungen ganz neu zu organisiren, hatte er ehemals schon in Franken bewiesen, wo er auch den Ritter von Lang gebrauchte, der hernach, wäh= rend er alle Andern skurril verfolgte, ihn allein zum Tugendhelden gemacht hat. Er bediente sich sogar zweier ganz bona= partistischer Diplomaten, um Napoleons Gunst wieder zu ge= winnen, als dieser seine Entfernung von den Geschäften peremtorisch gefordert hatte. Bignon berichtet uns, wie er schon 1808 einen Aufsaß, worin sich Hardenberg zu rechtfertigen suchte, durch Düroc dem Kaiser übergeben und empfehlen ließ 27). Als

27) Bignon sagt Vol. IX. pag. 174. No. 1: En 1808 durant mes fonctions d'administrateur général de Prusse le baron de Hardenberg avait

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