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wenn er ihnen gegenüber entweder die Rechtshilfe verweigert oder sie unter Verletzung von Normen des allgemeinen oder partikulären Völkerrechtes ungerecht behandelt hat. - Zu diesem Zweck ist es selbst vorgekommen, dass Urteile der internationalen Gerichte jenes Staates, gegen den der Anspruch erhoben wird, einer Revision vor einem internationalen Schiedsgericht unterworfen wurden. Namentlich hinsichtlich der Sprüche von Prisengerichten ist dies öfter geschehen.1

Insbesondere sind auch Ansprüche, die Untertanen europäischer Mächte oder Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika gegen zentralamerikanische oder südamerikanische Staaten hatten oder zu haben prätendierten, oft Gegenstand schiedsgerichtlicher Entscheidung gewesen. So notwendig dies in manchen Fällen zum Schutze der Gläubiger war, so begreiflich ist es andererseits, dass eben diese Staaten solche Schiedsgerichte als Eingriffe in ihre Justizhoheit auffassten und sie abzulehnen oder möglichst einzuschränken suchten. (Calvo-Doktrin).o

Trotzdem sind solche claims commissions, wie die amerikanische Jurisprudenz sie nennt, so häufig, dass Ralston3 in dem klassischen Werke, in welchem er ihre Wirksamkeit behandelt, sie geradezu als den regelmässigen Fall der Schiedsgerichte hinstellt, worin freilich eine starke Übertreibung gelegen ist.

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Selbst Schiedsgerichtsverträge institutioneller Art d. h. solche durch die die Staaten sich verpflichten, auch ihre künftigen Streitigkeiten schiedsgerichtlich auszutragen, anerkennen manchmal ausdrücklich die Pflicht gerade solche Ansprüche durch Schiedsverfahren zu erledigen.

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Vgl. hierüber Root, Relations between internat. tribunals of arbitration and national courts. American I. L. I. III 535.

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Vgl. hierüber die sehr interessanten Verhandlungen der American Society of international law IV, p. 47 ff.

International arbitral law and procedure p. 96 u. p. 156.

'Vgl. über diesen Begriff meine Abhandlg. im Jahrbuch f. öffentl. Recht VI, 76-127.

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So stellen die Schiedsgerichtsverträge Dänemarks mit Portugal1 und mit Italien und der Vertrag Dänemarks mit Brasilien zwar den Grundsatz auf, dass Ansprüche, welche Untertanen des einen Staates gegen den anderen erheben, im allgemeinen nur vor die Gerichte des beklagten Staates und nicht vor ein Schiedsgericht gehören, machen aber von diesem Satze eine Ausnahme für die Fälle, dass eine Justizverweigerung vorliegt oder eine Norm eines zwischen den beiden Staaten abgeschlossenen Vertrages unrichtig angewendet wurde. Der italienisch-niederländische Vertrag von 1909 hingegen knüpft die schiedsgerichtliche Erledigung solcher Streitigkeiten der Staaten, die sich auf Ansprüche von Untertanen des einen Staates gegen den anderen gründen, nur an die Voraus setzung, dass die nationalen Gerichte des letzteren definitiv in der Sache entschieden hätten (abgesehen von dem Falle einer Justizverweigerung, für den diese Voraussetzung selbstverständlich nicht gelten kann).5

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Die Zahl der isolierten Schiedsgerichte, die sich auf solche von den Staaten übernommene und vertretene Ansprüche von Private personen gegen eine fremde Macht beziehen, ist insbesondere in Amerika eine sehr bedeutende.

In allen diesen Fällen waren die Parteien vor dem Schiedsgericht aber nur die Staaten, nicht jene Privatpersonen, die ursprünglich den Anspruch erhoben hatten. Der Schiedsspruch erkannte dem Staate, der für seine Untertanen eintrat, Rechte zu oder sprach sie ihm ab; dominus litis mit dem Rechte, den Anspruch in dieser

1 Traités généraux I 231

• Traités généraux I 218.

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Annuaire de l'Union interparlementaire I. 146.

Vgl. meine Abhandlg. im Jahrbuch d. öffentl. Rechts (1912) VI, 80.

5 Traités généraux I. p. 373.

S. über diesen Begriff die oben angeführte Abhandlung im Jahrbuch des öffentlichen Rechts VI.

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oder jener Weise geltend zu machen,' auf ihn zu verzichten, ihn zu vergleichen oder einzuschränken, war nur der Staat; die etwaige Zahlung erfolgte nicht an die Privatperson, sondern an den sie vertretenden Staat. Das Individuum oder die Gesellschaft, für welche ihr Staat eintritt, hat in dem schiedsgerichtlichen Verfahren lediglich die akzessorische Stellung eines >>Privatbeteiligten«<, einer »Zivilpartei«. Völlig zutreffend hatte die französische Regierung im Falle des Phare ausgesprochen, dass die Cour de cassation als Schiedsrichter »n'avait pas à juger entre le capitaine Allard et le gouvernement du Nicaragua, mais entre ce dernier et le gouvernement français«<.5 Die gleiche Rechtslage wie für das Schiedsgericht im allgemeinen ergibt sich auch auf Grund der Haager Konvention über die Be

1 Bloss in diplomatischem Wege oder durch Anrufung eines Schiedsgerichtes. Daher ist positive Zustimmung des claimant zur Submission des Falles unter ein Schiedsgericht nicht notwendig. Judge Blackford im Falle Captain Armstrong bei Moore, Arbitration II, 1106.

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>>The presentation of a claim does not bind the government presenting it to insist upon it.« Ralston, Internat. arbitr. law, p. 158 u. die dort angeführten Fälle. Chief Justice Waite im Falle La Abra und Weil bei Moore Internat. law VII, 65. " Deshalb unterwarf das Kompromiss zwischen den Vereinigten Staaten und Venezuela im Orinocofalle (Art. 12) das Venezuela vorbehaltene Recht, innerhalb 5 Monaten einen Vergleich mit den interessierten Gesellschaften zu schliessen und dadurch den Fall dem Schiedsgericht zu entziehen, der vorläufig einzuholenden Genehmigung der Vereinigten Staaten. Protocole de séances du tribunal d'arbitrage (Orinocofall) p. 8. Vgl. jedoch auch Ralston 1. c. p. 163.

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Vgl. unten § 3 über den Fall Cerruti. Unrichtig formuliert war in dieser Beziehung der Schiedsspruch des britischen Botschafters in Konstantinopel Sir W. White »in a litigation arising between M. I. Consomo, an Italian subject and the administration of the Persian customs« von 1891 bei Lafontaine, Pasicrisie, p. 343. Vollkommen zutreffend waren dagegen die Ausführungen des Präsidenten des Schweizer Bundesrates im Falle Fabiani zwischen Frankreich und Venezuela von 1896, besonders der Satz: »En l'espèce ce n'est pas Fabiani personnellement qui est parti du procès, l'arbitrage est conclu pas entre lui mais entre la République Française et le Vénézuela.<«< Lafontaine, 1. c. p. 355. Richtig auch die Formulierung im Falle Canevaro, Haager Schiedsgerichtshof, Spruch vom 3. Mai 1912 »le gouver nement péruvien devra remettre à la légation d'Italie à Lima, pour le compte des frères Canevaro.<<

* Renault R. D. I. 1881, p. 33 und Mérignhac arbitrage p. 259.

schränkung und Anwendung von Gewalt bei Eintreibung von Vertragsschulden (sog. Porter-Konvention) von 19071 und auf Grund des Vertrages der amerikanischen Republiken von Mexiko vom 30. Januar 1912, der auf der panamerikanischen Konferenz von Buenos-Aires 1910 verlängert wurde.

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Auch in den schiedsgerichtlichen Verfahren, die auf Grund dieser Konventionen eingeleitet werden, ist nicht der Gläubiger, sondern nur dessen Staat dem Schuldnerstaate gegenüber Partei.

Eine Ausnahme dieser Regel macht der Entwurf einer Konvention über das Oberprisengericht. Art. 4, Z. 2 und 3 dieses Entwurfes gestattet unter gewissen Voraussetzungen auch Privatpersonen,3 das Oberprisengericht anzurufen. Doch steht nach Z. 2 der neutralen Macht das Recht zu, ihren Untertanen die Anrufung des Prisenhofes zu untersagen oder selbst an deren Stelle in das Verfahren einzutreten. In jenem Rechte des Privaten liegt eines der Momente, die dieses Schiedsgericht einem ordentlichen Gerichte annähern. Nichtsdestoweniger ist es, nach meiner an anderem Orte zu begründenden Auffassung, ein Schiedsgericht.*

Ebenso gestattet der Washingtoner Vertrag vom 17. September 1907, durch den Costa Rica, San Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua den zentralamerikanischen Gerichtshof in Carthago (in Costa Rica), jetzt in San José, Costa Rica, eingesetzt haben, auch Privatpersonen die Anrufung dieses Gerichtshofes wegen gewisser in Art. 2 bezeichneter Ansprüche gegen einen der Vertragsstaaten. Deshalb spricht ihm auch J. Brown Scott den Charakter

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Unrichtig Freund, Schutz der Gläubiger S. 47 ff, gegen ihn Wehberg, Bedeutung der Völkerrechtskonferenzen f. d. Versicherungswesen. S. A. aus dem Assekuranzjahrbuch, Wien 1911, S. 59 f.

2 Actes et doc. II, 924.

* Vgl. Schücking, Staatenverband der Haager Konferenzen S. 143.

4 A. M. insbesondere Liszt, Wesen des völkerrechtl. Staatenverbandes S. 11 und Hold-Ferneck in Kohlers Ztschr. f. V. R. V.

5 Im American Journal of international law II. p. 111.

eines Schiedsgerichtshofes ab und bezeichnet ihn als »court of justice, not merely a court of arbitration«<. Art. 2 besagt: »Der Gerichtshof ist ebenfalls zuständig zur Entscheidung über Ansprüche, die ein Angehöriger eines der zentralamerikanischen Staaten gegen eine andere der vertragschliessenden Regierungen wegen Verletzung von Staatsverträgen oder in anderen Fällen internationalen Charakters erhebt, gleichgiltig ob seine eigene Regierung diesen Anspruch unterstützt oder nicht, (»por violación de tratados ó convenciones y en los demás casos di carácter internacional sea que su proprio Gobierno apoye ó no dicha reclamación«) unter der Voraussetzung, dass die Rechtsmittel, die die Gesetze des betreffenden Staates gegen eine solche Verletzung gewähren, erschöpft wurden oder dass eine Rechtsverweigerung nachgewiesen wird.« Ausserdem kann nach Art. 3 der Gerichtshof über Streitigkeiten entscheiden, die zwischen einer der kontrahierenden Regierungen und Einzelpersonen entstehen, wenn sie durch gemeinsame Vereinbarung ihm unterworfen werden.

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Zwei Fälle nach Art 2 kamen bisher zur Verhandlung. Zunächst der Prozess des Nicaraguaners Salvador Cerda gegen Costa Rica wegen Verletzung des Rechtes der Freizügigkeit, das er auf Grund des Art. 40 der Verfassung von Costa Rica und des die Gleichheit der Rechte aller zentralamerikanischen Bürger verbürgenden Art. 6 des Washingtoner Vertrages von 1907 für sich in Anspruch nahm. In der Tat scheint es sich hierbei aber wesentlich um die Anfechtung

1 Wehberg will neuestens im Jahrb. für internationalen Rechtsverkehr 1912 S. 394 dies dahin auslegen, dass auch ein Europäer durch Zession seiner Forderung an einen Staatsbürger einer der zentralamerikanischen Republiken, also einen Strohmann, seinen Anspruch gegen einen anderen dieser Staaten in San José geltend machen könnte. Art. 3 widerlegt diese Auffassung vollständig.

2 Text in Anales de la Corte de justicia Centroamericana T. I. Heft 1. Agosto 1911 und im Supplement des American I. L. I. mit englischer Uebersetzung II. p. 232. Die beiden Texte stimmen nicht überein. Der Abs. 1 des Art. 3 in der Ausgabe der American I. I. L. fehlt in den Anales. Vielleicht war die Weglassung dieses Absatzes die Folge einer Textänderung durch die Nachtragsconvention vom 10. Januar 1911.

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