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SCHIEDSSPRÜCHE

Un

nter den juristischen Fragen, die auf beiden Haager Konferenzen hinsichtlich des internationalen Schiedsgerichtes verhandelt wurden, ohne dass ihre Erörterung zu einem Abschlusse gelangt wäre, stehen ohne Zweifel jene in betreff der Rechtskraft des Spruches in erster Reihe. Soll dem Schiedsspruche gegenüber einer in derselben Sache vorangegangenen Entscheidung der nationalen Verwaltungsbehörden oder Gerichte eine Wirkung zukommen? Soll er für das künftige Verhalten der nationalen Behörden der an dem Spruche beteiligten Staaten bestimmend sein? Soll dem Schiedsspruche unter Umständen etwa auch eine Wirksamkeit für dritte, an ihm unbeteiligte Staaten zukommen? Soll er unmittelbar Rechte und Pflichten nicht bloss der Staaten, sondern etwa auch jener Privatpersonen begründen oder aufheben können, in deren Interesse die Macht, der sie angehören, das Schiedsgericht angerufen hat? Soll endlich jeder Schiedsspruch eine unwiderrufliche, definitive Entscheidung des von ihm beurteilten Falles enthalten oder soll unter Umständen eine Überprüfung des Spruches auf Grund eines Rechtsmittels durch ein neues Schiedsgericht zugelassen werden? - Diese Fragen werden aller Wahrscheinlichkeit nach auf der 3. FriedensKonferenz wiederum Gegenstand lebhafter Erörterung sein. Eine

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Publ. de l'Inst. Nobel norvégien. II. 2.

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solche Untersuchung

rein aus rechtlichen Gesichtspunkten, ohne jeden Seitenblick auf die politischen Interessen der einzelnen Staaten - vorzubereiten, ist der Zweck dieser Blätter. Ausgangspunkt für die Beantwortung jener Fragen muss die Erkenntnis über die durch die internationalen Schiedssprüche zu lösende Aufgabe sein. Deshalb muss der eigentlichen Untersuchung, die das Problem dieser Schrift bildet, eine kurze Darstellung der Aufgabe des Schiedsspruches sowie auch der Form, in der er ergeht, als Einleitung vorangeschickt werden.

I. HAUPTSTUCK

DER INHALT DER SCHIEDSSPRÜCHE

§ 1.

Im allgemeinen hat der Schiedsspruch des internationalen Rechts die Aufgabe, einen Streit zwischen Staaten auf Grund einer zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung dadurch beizulegen, dass er ihn nach Grundsätzen entscheidet, die allgemeiner Anwendung fähig sind. Er soll das Urteil eines Gerichtes ersetzen, weil und insoweit ein solches zwischen souveränen Staaten nicht möglich ist. Die Subjekte, über deren Anspruch das Schiedsgericht entscheidet, sind Staaten, nicht Individuen.1 2

In den Aufzählungen und Sammlungen internationaler Schiedssprüche wird oft auch der Streit zwischen den Familien Rohan und La Tour d'Auvergne über die Erbfolge, nicht über die Souveränitet in betreff des Fürstentums Bouillon angeführt. Dieser Streit wurde durch Art. 69 der Wiener-Schlussakte einem Schiedsgericht überwiesen, in dem ausser den beiden Prätendenten auch Österreich, Preussen und Sardinien vertreten waren. (Lapradelle-Politis, Recueil des arbitrages internationaux, I, p. 256 ff.) Er gehört jedoch ebensowenig in diesen Zusammenhang als der Schiedsspruch Napoleons III zwischen Ägypten und der Suez-Kanal-Gesellschaft von 1864. (Lafontaine, Pasicrisie p. 122 ff.)

2 Auch nach dem Weltpostvertrage Art. 23 sind nicht die Postverwaltungen sondern die Staaten selbst die Streitteile, A. M., wie es scheint, Eysinga in Kohlers Z. f. V. R. u. B. St. R. V 526.

Wenn und insofern als die Schiedsrichter in ihrer Sentenz jene Rechtsgrundsätze aussprechen oder wenigstens zu erkennen geben, die sie der Beurteilung des konkreten Falles zugrunde gelegt haben, kann der Schiedsspruch auch zur Weiterentwickelung des Völkerrechtes beitragen. Insbesondere dann wird dies eintreten, wenn Schiedsgerichte in mehreren Fällen Grundsätze, die bis dahin nicht als völlig feststehend anerkannt waren, immer wieder zur Anwendung gebracht haben. So wertvoll diese Wirkung der Schiedssprechung auch ist, ihre unmittelbare Aufgabe ist sie nicht. Auf der Verkennung dieser Tatsache beruht ein guter Teil harter und sogar mitunter ungerechter Kritik, die manche Schiedssprüche in neuester Zeit gefunden haben, indem an sie eine Anforderung gestellt wurde, die nicht in dem Zwecke der Institution gelegen ist.1

Mit Recht erinnert dem gegenüber Robin daran »que la cour d'arbitrage n'est pas comme l'Institut de droit international, un aréopage de jurisconsultes ayant pour but de poser des principes rationnels, des règles logiquement déduites, sans souci des contin gences, en un mot, de faire progresser le droit international. Sa mission est tout autre: son rôle, en effet, est de substituer, dans les conflits internationaux qui ressortissent au droit, un règlement pacifique à un règlement par la force.<<

§ 2.

Sehr häufig entsteht der Streit zwischen den Staaten aus Ansprüchen, die ein Untertan des einen Staates gegen den anderen Staat erhebt. In Kraft des Schutzrechtes und der Schutzpflicht für seine im Ausland lebenden oder in das Ausland hineinwirkenden Untertanen ist jeder Staat befugt und unter Umständen sogar verpflichtet, deren Ansprüche gegen fremde Mächte als die seinigen geltend zu machen, wenn der fremde Staat sie völkerrechtswidrig behandelt hat,

1 Z. B. bei Wehberg, Problem eines internationalen Staatengerichtshofes, passim bes. S. 17 ff.

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