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IV. HAUPTSTÜCK

DIE AUSFÜHRUNG DES SCHIEDSSPRUCHES

§ 1.

Im System des institutionellen Schiedsgerichtes ergibt sich aus dem Schiedsgerichtsvertrage, in jenem des isolierten aus dem Kom promisse, die Pflicht der Staaten, den Schiedsspruch, den sie ange rufen haben, auch auszuführen. Die Staaten haben durch den Abschluss des Schiedsgerichtsvertrages ihren Willen für eine bestimmte Kategorie von Streitigkeiten und sie haben ihn durch das Kom promiss für einen einzelnen Streitfall gebunden, indem sie deren, bzw. dessen schiedsgerichtliche Entscheidung von vornherein akzep tierten. Sollten sie auch gegenüber dem Schiedsspruche, wie er ge fällt wurde, anderen Willens werden wollen, so nützt ihnen dies nichts.1 Häufig betonte dies namentlich in früheren Zeiten das Kompromiss noch ausdrücklich in der solennsten Form. Der Spruch solle ausgeführt werden »sans objection, échappatoire, évasion, explication, délai«.

1 So auch Max Huber aaO. II 553, Renault R. G. D. I. XVI (1909) p. 372.

2 Z. B. die Kompromisse vom 8. Mai 1871, betreffend die Bestellung des deutschen Kaisers als Schiedsrichter zwischen den Vereinigten Staaten und Grossbritannien hinsichtlich der Grenze in der Meerenge von Rosario oder im Kanal von Haro (Washingtoner-Vertrag Art. 35) und in betreff der gegenseitigen claims (Washingtoner Vertrag Art. 13), vom 25. September 1872 betr. die Bestellung des Präsidenten Mac Mahon als Schiedsrichter zwischen Grossbritannien und Portugal

Schon Goldschmidt indessen fand eine solche Erklärung überflüssig, weil sie selbstverständlich sei und schon aus dem Wesen des Schieds gerichtes folge.1

Sie wurde denn auch in das Reglement des Institut nicht aufgenommen. Neuere Kompromisse begnügen sich daher regelmässig damit, die Entscheidung als »decisive and final« zu erklären. Auch die Friedensakte sagt nichts anderes als, dass die Unterwerfung unter das Schiedsgericht »implique l'engagement de se soumettre de bonne foi à la sentence«,"

Selbst diese Norm hatte der schwedisch-norwegische Delegierte Bildt als überflüssig angesehen. Sie enthält aber (wie Descamps treffend sagte) geradezu das charakteristische Moment des Schiedsspruches. Sie ist es, aus der Descamps die Folgerung ableitet >>L'inexécution de la décision des arbitres n'est pas plus admissible en droit que la violation des contrats et cela par la raison qu'elle est précisément la violation d'un contrat«."

Unvereinbar mit diesem Satze ist die Annahme, dass der unterliegende Staat selbst Richter sei über die Frage, ob etwa der Spruch mit einer Nichtigkeit behaftet wäre," und ob er infolgedessen das Recht hätte, dessen Vollzug zu verweigern, oder wohl gar, ob er

hinsichtlich der Delagoa Bai (Lafontaine, p. 170), vom 25. Juni 1872 betr. die Bestellung des Zaren zum Schiedsrichter zwischen Japan und Peru hinsichtlich der Festhaltung des Schiffes Maria Luz, bei Lafontaine p. 145, 150. Vgl. auch Kompromiss im Alabamafalle Art. 11 »full perfect and final settlement of all the claims<<. Lafontaine, p. 141.

'R. D. I. VI, 446.

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Art. 37 von 1907. Vgl. Art. 18 und Art. 31 von 1899. Über die Differenz zwischen beiden Friedensakten vgl. meine Abh. im Jahrbuch des öffentlichen Rechts, VI, 93. Dass der Schiedsspruch für die Parteien des schiedsgerichtlichen Verfahrens verpflichtend sei, ergibt sich auch arg. a contrario aus Art. 84 »>La sentence arbitrale n'est obligatoire que pour les Parties en litige<<.

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Vgl. oben III. Hauptstück § 9 über Zorn, Weiss und Meurer.

die Ausführung deshalb ablehnen könne, weil sie mit seiner Ehre oder seinen Lebensinteressen unvereinbar wäre.1

Unhaltbar war auch die Ansicht Kebedgys und Roguins, dass ein Staat, der durch die Entscheidung eines Schiedsrichters enttäuscht wurde, aus jener »Union«, zur Ausführung von deren Normen das Schiedsgericht bestellt ist, ohne Kündigung austreten dürfe. Die Mehrheit der vom Institut de droit intern. eingesetzten Kommission, die die Errichtung internationaler Tribunale zur Auslegung von Weltverträgen zu studieren hatte, sprach demgegenüber mit Recht aus: »En consentant éventuellement à soumettre ou en soumettant effectivement au tribunal international l'interprétation du traité d'union les Etats intéressés ne peuvent pas ne pas avoir consenti par avance à respecter la sentence à intervenir de la façon la plus complète.«2 Der Spruch des Schiedsgerichtes schafft demnach Recht unter den Parteien, indem er jede von ihnen verpflichtet, auszuführen, was er ihr aufträgt. Daraus folgt aber nicht, dass er dem obsiegenden Staate das Recht gewähre, durch seine Macht nun sofort selbst jenen Zustand herzustellen, der nach dem Spruche dem Rechte gemäss ist,3 etwa Werte des verurteilten Staates, die seinem Zugriff offen stehen bis zum Betrage der ihm zugesprochenen Summe sich anzueignen,* oder das durch das Schiedsgericht ihm zugesprochene Gebiet in Besitz zu nehmen, die Grenzrektifikation manu militari zu vollziehen" u. dgl. Der Schiedsspruch bedarf zwar keiner Ratifikation durch den unterliegenden Teil; seine Ausführung soll aber nur durch diesen selbst mit dessen Mitwirkung erfolgen.

Manche Schiedssprüche stellten durch die Schwere der von ihnen an den unterliegenden Staat gestellten Anforderungen dessen Vertrags

1 Pohl, Deutsche Prisengerichtsbarkeit, S. 198 ff.

'Annuaire de l'Institut XVI, p. 117.

Mérignhac, Arbitrage p. 300.

Wie Dumas, Sanctions de l'arbitrage, p. 233, vorschlägt.

" Vgl. Dumas aaO. p. 242, und die von Montluc in dem von Dumas angeführten

Aufsatze geltend gemachten Schwierigkeiten hinsichtlich des Plebiscites.

• Wie unrichtigerweise Thonissen angenommen hatte, vgl. oben.

treue auf eine harte Probe. So der Spruch, durch den das Genfer Schiedsgericht im Falle der Alabama claims Grossbritannien zur Zahlung von 15 500000 Dollars in Gold verurteilte. Sir Alexander Cockburn entwickelte die Gründe, die seines Erachtens gegen diese Sentenz sprachen, in einem Votum von mehr als 200 enggedruckten Seiten mit einem bewundernswerten Aufwande von Scharfsinn und Sachkenntnis und in so bitteren Worten, dass sie zum Teil seiner Stellung als Schiedsrichter wenig entsprachen; aber er schloss seine opinion« mit den Worten: »But while the award of the Tribunal appears to me to be open to those exceptions, I trust that, by the British people, it will be accepted with the submission and respect which is due to the decisions of a Tribunal by whose award it has freely consented to abide.<<1

Diese Worte waren in einem gewissen Sinne das Echo jener anderen, die der Vizepräsident der Vereinigten Staaten Colfax in bezug auf den das Genfer Schiedsgericht einsetzenden Washingtoner Vertrag von 1871 gesprochen hatte: »Even though the Court of arbitration did not award a single dollar to the United States I would rise be fore my fellow-citizens and cry out to them: Accept this solution and give up all indemnity rather than recede even one step from the high moral position which you have taken with England in respect to the other nations.<<"

Das Parlament entsprach dem Vertrauen Sir Alexanders und votierte den zur Ausführung des Spruches erforderlichen Kredit am 24. und 26. Mai 1873, ohne dass irgend ein Mitglied desselben Zweifel über die Pflicht hierzu ausgesprochen hätte, und die Königin dankte dem Parlamente in der Thronrede vom 5. August dafür, dass es sie in den Stand gesetzt habe »to meet the obligation imposed upon me by the award«,

1 Geneva arbitration (Foreign relations of the U. St.) IV, 544.
'Zitiert von Grisanti und Dennis vor dem Orinoko-Schiedsgericht.
• Rolin-Jaequemyns R. D. I. VII, 86.

Ein anderer Schiedsspruch, der auf Grund des Washingtoner Vertrages gefällt wurde, gab allerdings zu kurzen diplomatischen Erörterungen Anlass. Art. 22 dieses Vertrages setzte ein Schiedsgericht darüber ein, ob Grossbritannien Anspruch auf eine Kompen sation dafür habe, dass die durch Art. 18 den amerikanischen Bürgern in bezug auf die Fischerei eingeräumten Vorteile wertvoller seien als die durch Art. 19 und 21 den britischen Untertanen gewährten Rechte, und eventuell wie hoch eine diese Differenz ausgleichende Kompensation zu bemessen sei. Das zu Halifax tagende Schiedsgericht sprach sich mit Stimmenmehrheit unter Dissens des von den Vereinigten Staaten berufenen Schiedsrichters zum Vorteil Grossbritanniens aus und billigte diesem einen bedeutenden Ersatz zu. In einer dem Schiedsspruche nachfolgenden Note suchte der amerikanische Staatssekretär Evarts nochmals den Standpunkt zu rechtfertigen, den die amerikanischen Parteienvertreter vor dem Schiedsspruche eingenommen hatten, ohne die Ausführung des Spruches selbst ernstlich in Frage zu stellen.' Jene Noten haben manchen Schriftstellern Anlass zu dem Missverständnisse gegeben, als wäre der Halifax-award nicht ausgeführt worden."

Die Summe von 5500000 Dollars in Gold wurde denn auch am Tage ihrer Fälligkeit von den Vereinigten Staaten ausbezahlt, »the government of the U. St. desiring to place the maintenance of good faith in treaties and the security and value of arbitration between nations above all questions«<, obwohl die Regierung an ihren Zweifeln über die Gerechtigkeit des Spruches festhielt.

Unrichtig ist es auch, dass Columbia sich geweigert habe, den Schiedsspruch des Präsidenten Cleveland im Falle Cerruti auszu

1

Correspondence respecting the award of the Halifax fisheries Commission. Parl. Pap. North America No. 2 (1878) C. 2183, Scott, Peace Conference I, p. 243. Vgl. auch die Ausführungen des amerikanischen Counsel Turner vor dem Schiedsgericht in der nordatlantischen Fischereifrage, Oral argument I, 494 ff.

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Bulmering, Holtzendorffs Handbuch IV. 28. Vgl. auch Heffter-Geffken S. 231. Note des amerikanischen Gesandten Welsh bei Moore, Arbitration I, 753.

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