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LUTHER'S

BEKANNTSCHAFT MIT DEN
ALTEN CLASSIKERN.

EIN BEITRAG ZUR LUTHERFORSCHUNG

VON

OSWALD GOTTLOB SCHMIDT,

WEILAND DOCTOR DER THEOLOGIE, PFARRER UND SUPERINTENDENTEN
IN WERDAU.

LEIPZIG,

VERLAG VON VEIT & COMP.

1883.

VORWORT.

Die vorliegende Schrift ist die letzte Arbeit ihres Verfassers gewesen. Freunden der Lutherforschung wollte er sie als Festgabe an dem Tage bringen, zu dessen Feier die evangelische Christenheit sich jetzt rüstet. Aber ehe er sie veröffentlichen konnte, wurde er aus einem reichgesegneten Wirken abgerufen. So ist mir, dem Bruder des Vollendeten, nur die Aufgabe geblieben, des druckfertigen Manuscriptes mich anzunehmen, damit es der vom Verfasser gewollten Bestimmung entgegengeführt werde.

Ueber die Arbeit wollen Fachmänner sich äussern. Ich selbst enthalte mich des Urtheils, weil neben ihrem vom eignen Studiengebiete abliegenden Gegenstande ihm die Liebe vielleicht Schranken zieht. Sehe ich sie im Lichte des nun abgeschlossenen Lebens an, so will mir scheinen, als ob die hier behandelte Materie der Eigenart meines Bruders sonderlich entsprochen hat. Seiner Heimath wie seinem Wesen nach war derselbe ein echt »sächsischer<< Theolog: festgewurzelt in den Grundgedanken des Heils, welche der grosse Sachse, Martin Luther, einst von Neuem verkündigt hat, und bemüht, mit den Mitteln solider Sprachgelehrsamkeit wie den Inhalt evangelischen Glaubens geschichtlich treu zu entfalten, so der ersten Entwickelung unserer evangelischen Kirche nachzugehen. Der Bildungsweg, welchen er durchlaufen, hatte ihn hierzu werden lassen. Am 2. Januar 1821 zu Kaditz bei Dresden geboren, war er das älteste Kind des im Jahre 1853 verstorbenen Kirchen- und Schulraths D. Schmidt in Leipzig. Schon Ostern 1834 konnte er, durch den Unterricht des Vaters

sorgfältig vorbereitet, der Königlichen Landesschule St. Afra in Meissen übergeben werden, welche damals unter der Leitung des geistvollen Baumgarten-Crusius stand und neben diesem den gewandten Lateiner Kreyssig zu ihren Lehrern zählte. Seine nie erkaltete Liebe zu den altclassischen Sprachen ist auf den Einfluss dieser Männer zurückzuführen; und diese Mitgabe der dankbar werth gehaltenen Bildungsanstalt sollte hinfort den theologischen Studien zu Gute kommen, zu welchen der achtzehnjährige Jüngling Ostern 1839 in Leipzig wohlgerüstet überging. Kräftigere Anregungen hat er hier wohl nicht erfahren als durch Winer, welcher unter wachsender Vertiefung in die Schriftwahrheit den Ertrag der neueren Philologie für die Bibelauslegung zu verwerthen wusste. Haben die wissenschaftlichen Arbeiten meines Bruders nachmals nicht dem exegetischen Gebiete angehört, so hatte er doch diesem Lehrer für die Bestimmtheit seines Urtheils, wie für die Klarheit und Präcision seiner Darstellung das Meiste zu danken. Er trat zum ersten Male an die Oeffentlichkeit mit einer vom sächsischen Landesconsistorium gekrönten Preisschrift »Pericula conjungendarum ecclesiarum, quae Augustanam et Tridentinam Confessionem sequuntur, a Leibnitio facta cum similibus nostrae aetatis moliminibus conferuntur «<, Grimae 1844. Sie war in Dresden entstanden, wo er seit seinem Ostern 1842 abgelegten Candidaten-Examen sich in der Stellung eines Hauslehrers befand, bis ihm im Jahre 1845 unerwartet frühe ・ das geistliche Amt erschlossen ward. Volle 37 Jahre hat er mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit und Treue in dessen Dienst gestanden, zuerst als Pfarrer zu Schönfeld bei Grossenhain, seit 1856 als Pfarrer zu Greifenhain bei Frohburg und seit 1866 als Pfarrer und Superintendent zu Werdau. Aber ob auch immer weitere Wirkungskreise sich ihm aufgethan haben, so wusste er doch den stillen wissenschaftlichen Studien Musse abzugewinnen, und ihr sind, von zahlreichen Beiträgen in kirchliche Zeitschriften abgesehen, die Arbeiten reformationsgeschichtlichen Inhalts erwachsen, welche zu dieser letzten in enger Beziehung stehen. Als Monographien erschienen >> Nicolaus

Mosellanus. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus in Sachsen << Leipzig 1866; als besondere Abtheilungen im »Leben der Altväter der lutherischen Kirche« (Leipzig 1861 ff.), »Caspar Crucigers Leben« (II, 2) und »Georgs des Gottseligen, Fürsten zu Anhalt, Leben« (IV. 2); überdem reformationsgeschichtliche Artikel in Herzog's Real-Encyklopädie, 2. Aufl., wie Johann der Beständige (VII, 5, 69 ff.), Johann Friedrich der Grossmüthige (VII. S. 72 ff.), Justus Jonas (VII. S. 87 ff.) Nicolaus Krell (VIII. S. 263 ff.), Marburger Religionsgespräch (IX. S. 270 ff.), Friedrich Mykonius (X. S. 398 ff.), sowie der anziehende Vortrag, auf der Kirchen-Conferenz zu Meissen gehalten, »Blicke in die Kirchengeschichte der Stadt Meissen im Zeitalter der Reformation << Leipzig 1879. Auf Grund seiner Schrift über Nicolaus Hausmann hat ihn die theologische Facultät zu Leipzig im Jahre 1860 zum Licentiaten und auf Grund einer ungedruckt gebliebenen lateinischen Arbeit über Veit Dietrich im Jahre 1878 zum Doctor der Theologie promovirt.

Was mein Bruder als praktischer Theolog gewesen ist, steht in den Herzen seiner Gemeinden geschrieben, und nicht erst im Tode bezeugten sie, dass sie seinen Nathanaelssinn dankbar erkannt hatten. Daher bis zuletzt die rege Theilnahme, wenn er seines Amtes auf der Kanzel wartete, und das volle Vertrauen, welches er als Seelsorger genoss. Seitens seiner Diöcese aber sah er nicht am wenigsten durch ein ihm wiederholt gegebenes Mandat für die evangelisch-lutherische Landessynode sich geehrt. Auf kirchlichen Conferenzen ist er von jeher ein seltener Gast gewesen, vielleicht aus der Scheu, dass Verhandlungen über kirchliche Tagesfragen im Geiste einer Partei, nicht im Geiste der Versöhnung und des Friedens gepflogen werden könnten. Wichtiger als nach aussen hervorzutreten erschien ihm der unmittelbare Dienst an seiner Gemeinde und die Pflege theologischer Wissenschaft. Nach menschlichem Urtheil hätte. er hier noch manches Jahr wirken können; aber eine kurze Krankheit hat ihm unerwartet frühe ein Ziel gesteckt. Unter

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