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graphieren und Feuilletons darüber zu schreiben; dar über hinaus ift er nichts als eine von den vielen rüh renden, qualvoll grotesken Formen, in denen hilfloses Menschenleid seine Not und feinen Mangel an Geift und Stärke ausdrückt.

And nun zerrten sie mich unversehens in die Nacht hinaus; in der wolligen Dunkelheit strömte immerzu der heftige Regen, unter mir spiegelten die Kerzen der Jünglinge sich im heiligen Schildkrötenteich. Ach, es fehlt hier nicht an Heiligkeit und heiligen Dingen; aber jenem Buddha, der nicht aus Stein und Kristall und Alabafter war, dem war alles heilig, dem war alles Gott!

Man 30g und schob mich, der ich in der Dunkelheit mich blind fühlte und willenlos mitlief, in Eile über einige Treppenstufen und über nasses Gras hinweg ins Freie, wo plötzlich als rotes Viereck in der Nacht die erleuchtete Türöffnung eines zweiten, Bleineren Tem pels vor uns ftand. Ich trat ein, opferte Blumen, ward zu einer inneren Tür gedrängt und fah plötzlich erschreckend nahe vor mir einen großen liegenden Buddha in der Wand, achtzehn Fuß lang, aus Granit und grell mít Rot und Gelb bemalt. Wunderlich, wie noch aus der glatten Leere all diefer Figuren ihre herrliche Idee hervorstrahlt, die faltenlos heitere Glätte im Angesicht des Vollendeten.

Nun waren wir fertig; ich stand wieder im Regen

und sollte noch den Führer, die Kerzenträger und den Priefter des Bleineren Tempels bezahlen, aber ich hatte all mein Geld weggegeben und sah nun, auf die Uhr blickend, mit Befremdung, daß diese ganze nächtliche Tempelreise nur zwanzig Minuten gedauert hatte. Rasch lief ich zum Hotel zurück, hinter mir im Regen die Bleine Schar meiner Gläubiger vom Tempel. Ich erhob Geld an der Hotelkaffe und teilte es aus; es verneigte sich vor seiner Macht der Priefter, der Führer, der erfte und der zweite Kerzenjüngling; und fröftelnd stieg ich die vielen Treppen zu meinem Zimmer hinauf.

Pedrotallagalla

m in der Stille einen schönen und würdigen Ab

schied von Indien zu feiern stieg ich an einem der letzten Tage vor der Abreise allein in einer kühlen Regenmorgenfrische auf den höchsten Berggipfel von Ceylon, den Pedrotallagalla. In englischen Fuß ausgedrückt, ¤ingt seine Höhe sehr respektabel, in Wirklichkeit sind es wenig über zweieinhalbtausend Meter und die Besteigung ist ein Spaziergang.

Das kühle grüne Hochtal von Nurelia lag filbrig in einem leichten Morgenregen, typisch englisch-indisch mit seinen Wellblechdächern und seinen verschwenderisch großen Tennis- und Golfgründen, die Singhalesen lauften sich vor ihren Hütten oder faßen fröftelnd in wollene Kopftücher gewickelt, die schwarzwaldähnliche Landschaft lag leblos und verhüllt. Außer wenigen Vögeln sah ich lange Zeit kein Leben als in einer Gartenhede ein feiftes, giftig grünes Chamäleon, dessen boshafte Bewegungen beim Infektenfang ich lange beobachtete.

Der Pfad begann in einer Beinen Schlucht emporzusteigen, die paar Dächer verschwanden, ein starker Bach braufte unter mir hin. Eng und fteil stieg der Weg eine gute Stunde lang gleichmäßig bergauf, durch dürres Buschdidicht und lästige Mückenschwärme, nur selten ward an Wegbiegungen die Aussicht frei und zeigte immer dasselbe hübsche, etwas langweilige Tal

mit dem See und den Hoteldächern. Der Regen hörte allmählich auf, der kühle Wind schlief ein, und hin und wieder kam für Minuten die Sonne heraus.

Ich hatte den Vorberg erstiegen, der Weg führte eben weiter über elastisches Moor und mehrere schöne Bergbäche. Hier stehen die Alpenrosen üppiger als daheim, in dreimal mannshohen starken Bäumen, und ein filbriges, pelzig weiß blühendes Kraut erinnerte sehr an Edelweiß; ich fand viele von unsern heimat. lichen Waldblumen, aber alle feltsam vergrößert und gesteigert und alle von alpínem Charakter. Die Bäume aber kümmern sich hier um keine Baumgrenze und wachsen kräftig und laubreich bis in die legten Höhen hinauf.

Ich näherte mich der letzten Bergftufe, der Weg begann rasch wieder zu steigen, bald war ich wieder von Wald umgeben, von einem sonderbar toten, verzauberten Wald, wo schlangenhaft gewundene Stämme und Äfte mich blind mit langen, dicen, weißlichen Moosbärten anftarrten; ein nasser, bitterer Laub- und Nebelgeruch hing dazwischen.

Das war alles ganz schón, aber es war nicht eigents lich das, was ich mir heimlich ausgedacht hatte, und ich fürchtete schon, es möchte zu manchen indischen Enttäuschungen heute noch eine neue kommen. Indessen nahm der Wald ein Ende, ích trat warm und etwas atemlos auf ein graues ofsianisches Heideland

hinaus und fah den kahlen Gipfel mit einer Beinen Steinpyramíde nahe vor mír. Ein harter, kalter Wind drang auf mich ein, ich nahm den Mantel um und stieg langfam die legten hundert Schritte hinan.

Was ich da oben fah, war vielleicht nichts typisch Indisches, aber es war der größte und reinfte Eindruck, den ich von ganz Ceylon mitnahm. Soeben hatte der Wind das ganze weite Tal von Nurelia Bargefegt, ich sah tiefblau und riesig das ganze Hochgebirge von Ceylon in mächtigen Wällen aufgebaut, inmitten die schōne Pyramide des uralt-heiligen Adams-Pik. Da neben in unendlicher Ferne und Tiefe lag blau und glatt das Meer, dazwischen tausend Berge, weite Täler, schmale Schluchten, Ströme und Wasserfälle, mit unzählbaren Falten die ganze gebirgige Infel, auf der die alten Sagen das Paradies gefunden haben. Tief unter mir zogen und donnerten mächtige Wolkenzüge über einzelne Täler hin, hinter mir rauchte quirlender Wolkennebel aus schwarzblauen Tiefen, über alles weg blies rauh der kalte faufende Bergwind. And Nähe und Weite stand in der feuchten Luft verälärt und tief gefättigt in föhnigem Farbenschmelz, als wäre dieses Land wirklich das Paradies, und als stiege eben jetzt von seinem blauen, umwölkten Berge groß und start der erste Mensch in die Täler nieder.

Diese große Arlandschaft sprach stärker zu mir als alles, was ich sonst von Indien gesehen habe. Die

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