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keit an das deutsche Reich bekunden sollte, ausdrücklich dagegen verwahrt, irgend eine religiöse Reform anzustreben. Die Altkatholiken werden schließlich nur die Wahl haben, entweder in in den Schooß der Kirche zurückzutreten, oder sich mit den positiven Protestanten zu verbinden oder aber eine Sekte zu bilden. wie die Jansenisten, die bischöfliche Klerisei in Utrecht u. s. w., die noch eine Weile fortbestehen mag, aber ohne Bedeutung bleiben wird.

Aus den vorher angeführten Gründen scheint mir auch die Stellung der Regierungen durchaus schief, welche die Altkatholiken fortdauernd als Mitglieder der katholischen Kirche anerkennen und annehmen, es handle sich hier nur um einen häuslichen Streit innerhalb einer religiösen Gemeinschaft. Einmal kann, wie nachgewiesen, schwerlich die formale Gültigkeit der vaticanischen Decrete bestritten werden, andrerseits ist der Streit Längst über diese Frage hinausgewachsen und kein Unbefangner kann leugnen, daß nicht zwei Gruppen in derselben Kirchengemeinschaft, sondern zwei kirchliche Gemeinschaften mit völlig entgegengesetten Bestrebungen einander gegenüberstehen. Man mochte die altkatholischen Gemeinden dotiren, man mochte, wo ihre Mitglieder zahlreich genug waren, eine Theilung des Kirchengutes eintreten lassen, aber man durfte sich nicht aus politischen Gründen, bei denen man sich noch überdies verrechnete, in die widerspruchsvolle Lage bringen die Altkatholiken einerseits als eine neue Organisation, andererseits doch als Glieder der alten Kirche zu behandeln. Nur von dem erstern Gesichtspunkt war die Anerkennung eines altkatholischen Bischofs rechtlich möglich, . denn für die officielle Kirche sind durch die Vereinbarungen mit dem römischen Stuhle die Grenzen sämmtlicher deutschen Bisthümer festgestellt, es kann in derselben also kein Bisthum geben, welches über diesen schwebt, und die angezogene Analogie des preußischen Militärbischofs ist unzutreffend, da diesem eben in Uebereinstimmung mit dem Pabst ein besonders abgegrenztes Gebiet, die Seelsorge der katholischen Mitglieder des Heeres gegeben war. Diesen Standpunkt hat Bayern festgehalten, die. staatsrechtliche Commission erklärte die Zulassung eines neuen katholischen Bischofs für rechtlich unmöglich, da die Artikel des Concordats, welche die katholische Kirche Bayerns organisiren (Art. II-V), durch keinerlei Bestimmungen des Religionsediktes

abgeändert, folglich verbindlich sind. Dagegen hat ganz richtig die Regierung die Beschwerde des Erzbischofs von München gegen die Firmelungsreise des Erzbischofs Loos von Utrecht zurückgewiesen, da dieser nur bei den Mitgliedern seiner besondern Confession thätig war. In Beziehung auf die Circumscription der Diöcesen aber sind die Verhältnisse in Preußen und den Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz durchaus dieselben wie in Bayern.1)

Eine ganz andre Frage ist die, wie, von den Altkatholiken ganz abgesehen, die Regierungen sich überhaupt zu dem Ergebniß des vaticanischen Concils stellen wollten, denn der Staat steht allen Glaubensfäßen aller Religionen als Laie gegenüber; einmal ist er, so wenig er sich in das innere kirchliche Leben einmischen soll, doch entschieden berechtigt zu verbieten, daß etwa unter der Form von Dogmen Grundsäße, die dem öffentlichen Wohl oder seinen Gesezen zuwiderlaufen, verbreitet werden, und andrerseits steht in fast allen Ländern der Katholicismus nicht blos als eine freie Religionsgenossenschaft da, sondern als eine privilegirte, die Regierung aber hat ihm die Privilegien unter der Voraussetzung einer bestimmten Organisation gegeben, eine Aenderung in derselben berechtigt den Staat unstreitig zu erwägen, in wiefern dadurch seine Beziehungen zur katholischen Kirche betroffen werden. Und daß dies bei den vaticanischen Decreten der Fall war, ist unzweifelhaft. Man kann bereitwillig zugeben, daß dieselben nur die Spiße eines Systems bilden und für die Kirche wie den Staat nichts unerhört Neues aufstellten, daß das Episcopalsystem

1) Zu welchen Widersprüchen man bei dem entgegengesetzten Standpunkt kommt, zeigt deutlich das badische Altkatholikengesetz: im Art. 1. werden die Altkatholiken als vollberechtigte Mitglieder der katholischen Kirche anerkannt und doch im Art. 2. die Jurisdictionsgewalt der bisherigen kirchlichen Obern über dieselben suspendirt, ihnen bleiben nach Art. 1. ihre sämmtlichen Pfründen gesichert, aber es ist nicht gesagt, ob, wenn etwa der Pfarrer allein altkatholisch wird, die Gemeinde dagegen infallibilistisch bleibt, diese sich auf ihre Kosten einen andern Pfarrer zu bestellen hat? Thatsächlich ist alles in das Belieben der Regierung gestellt, deren Genehmigung für die Bildung jeder altkatholischen Gemeinschaft erforderlich ist, doch nicht versagt werden soll, »sobald im Verhältniß zur Gesammtheit der Kirchspielsgenossen eine erhebliche Anzahl von Altkatholiken vorhanden,«< was ist aber eine erhebliche Anzahl? Aus der Unklarheit der Stellung der Regierungen ergiebt sich denn auch die der Rechtsprechung, die sich darauf beruft, daß das Verhältniß gefeßlich nicht geregelt ist.

längst seiner Wurzeln beraubt und thatsächlich der Pabst absolut war. Aber es war rechtlich immerhin ein großer Unterschied, daß · jeder Rest der bischöflichen Selbständigkeit nunmehr förmlich durch das Concil aufgehoben ward. Damit wurde z. B. die Mitwirkung, welche der Staat für die Bestellung der Bischöfe bisher besaß, wesentlich hinfällig, wenn er die Wahl eines Bischofs beanstandet, weil dessen Person ihm bedenklich erscheint, so kann der Pabst einfach irgend einen Geistlichen der Diöcese beauftragen, die bischöflichen Functionen in derselben auszuüben. Der bischöfliche Treueid gegen den Landesherrn, wie er in den meisten Staaten besteht, verliert alle Bedeutung, da er nur so viel Werth hat, als ihm vom Pabste zuerkannt wird. Die Regierungen waren daher vollständig berechtigt zu erklären, daß durch das Cap. 3 der Constitution vom 18. Juli 1870 das Rechtssubject, mit dem sie contrahirt, sich geändert habe und sie also an die Verträge, welche sie mit dem römischen Stuhl geschlossen, nicht mehr gebunden seien, eine Consequenz, die freilich nur Desterreich gezogen, um sich von dem Concordat auch formell loszusagen.1) Ebenso liegt es auf der Hand, daß die Bedingung des Sprechens ex cathedra von der die Unfehlbarkeit abhängig gemacht wurde, ein reines Gaukelspiel ist, da der Pabst allein entscheidet, wann er ex cathedra spricht.2) Und da nach katholischer Auffassung ein Dogma nichts materiell Neues, sondern nur die präcise Definition einer Lehre ist, welche die Kirche stets für wahr gehalten, so muß die

1) Depesche des Grafen Beuft vom 30. Juli 1870. >>les doctrines promulguées par le Concile placent les relations de l'État avec l'Église sur une base toute nouvelle, puisque celle-ci étend le cercle de sa compétence et concentre en même temps dans la personne du Pape tous les pouvoirs qu'elle prétend exercer. Un changement aussi radical bouleverse toutes les conditions qui ont présidé jusqu'ici au réglement des rapports entre l'État et l'Église. C'est cette dernière qui prend l'initiative d'un acte d'une aussi grande portée et, en agissant ainsi, elle se place sur un terrain où il ne nous reste qu'à la suivre en déclarant, que les conventions conclues sous l'empire de circonstances toutes différentes ne peuvent plus être considérées comme valables. Le Concordat de 1855 est, par conséquent, frappé de caducité et le Gouvt. Imp. et Royal le regarde comme abrogé.<<

2) Diese Clausel ist eben nur ein bequemes Auskunftsmittel um unliebsamen Interpellationen aus der Vergangenheit zu entgehen, da die Curie jederzeit erklären kann, ein sie compromittirender Ausspruch eines früheren Pabstes sei nicht ex cathedra gegeben.

Erklärung der Unfehlbarkeit nothwendig rückwirkende Kraft haben; es ist unmöglich zu behaupten, daß sie am 18. Juli 1870 begann, ist sie wahr, so müssen alle Päbste unfehlbar gewesen sein und folglich ist auch der Syllabus, der doch sicher von Sachen des Glaubens und der Moral handelt, mit dem Charakter der Unfehlbarkeit bekleidet, so daß es Pflicht aller Katholiken ist, zu glauben, daß die in demselben verurtheilten Principien, obwohl sie in den meisten Staatsgrundgesezen sanctionirt wurden, heillose Frrthümer sind.

Die früheren Ausführungen über die Genesis des Concils genügen um die Behauptung der Ultramontanen (wie sie besonders ausführlich in der neuesten Schrift des Erzbischofs Manning gegen Gladstone erhoben ist) daß die gegenwärtigen Wirren einer von Döllinger geleiteten großen Verschwörung der Regierungen gegen die Freiheit der Kirche zuzuschreiben seien, in das Gebiet des Romans zu verweisen. Die vaticanischen Decrete sind im Gegentheil das Endergebniß einer lange vorbereiteten aggressiven Politik der römischen Curie gegen den modernen Staat, welcher nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, sich gegen die Angriffe einer Macht zu vertheidigen, die von Glauben und Moral spricht, aber Herrschaft meint.

25. Der Staat und die protestantischen Kirchen seit 1848.

Die Februarrevolution fand die meisten protestantischen Kirchen des Festlandes ohne wahrhaft unabhängige Organisation, sie konnten deshalb die Freiheit der Bewegung, welche die äußern Umstände boten, nicht in der Art verwerthen, wie die katholische es so geschickt zu thun wußte, und kamen beim Eintreten der Reaction in eine noch ungünstigere Lage als früher, indem sie in den katholischen Ländern gedrückt, in den protestantischen noch enger an den Staat gefesselt wurden.

In Frankreich beschlossen im Mai 1848 zahlreiche Abgeordnete der Consistorien eine allgemeine Synode zur Reorganisation der reformirten Kirche zu berufen. Dieselbe trat am 11. September zusammen1) und suchte die alte Verfassung durch Beseitigung der drückendsten Schranken des Gesezes vom 18. Germinal X wiederherzustellen. Es kam aber nicht nur zu keiner wirklichen Einigung hierüber, sondern zu einer neuen Spaltung durch die Bekenntnißfrage. Da man nämlich einsah, daß die Meinungen über dieselbe sehr weit auseinandergingen, beschloß man es hinsichtlich der Lehre bei dem Status quo, d. h. thatsächlich der unbedingten Lehrfreiheit zu lassen, darauf aber erklärten Graf Gasparin und Fr. Monod ihren Austritt aus der Synode und der staatlich anerkannten Kirche, um auf dem Boden des alten Bekenntnisses derselben die Union des églises évangéliques de France zu begründen, welche, ohne vom Staate Unterstüßung zu nehmen, durch freiwillige Beiträge für ihre Bedürfnisse sorgt, im Uebrigen ward jeder Gemeinde die Ordnung ihrer Verfassung

1) Es war dies seit 85 Jahren die erste, die letzte hatte im Geheimen 1763 stattgefunden.

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