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haben. Diese Stellung war schon wenig klar, unzweifelhaft war es Pflicht der Regierung, für den von ihr abgeschloßnen Vertrag einzutreten, aber statt seine rechtliche Gültigkeit einfach von der ständischen Genehmigung, soweit dieselbe verfassungsmäßig nothwendig war, abhängig zu machen, stellte sie eine Theorie über seine Abänderungsfähigkeit auf, die schon deshalb sehr anfechtbar war, weil bei einer unkündbar geschloßnen Convention feiner der Contrahenten den andern zum Einverständniß über die Abänderung derselben nöthigen kann. Aber auch diesen Standpunkt hielt die Regierung in der Berathung ihrer Vorlage nicht fest, sondern nahm mehr und mehr den der Mehrheit des Ausschusses an und erklärte, daß wenn alle einzelnen Bestimmungen der Convention in Geseße und Verordnungen übergegangen seien, der verbindliche Charakter des Abkommens selbst erlösche. Die Kammer ging auf diese unhaltbare Deduction nicht ein und nahm mit großer Mehrheit den Antrag der Minorität des Ausschussses an, worauf die Regierung in einem Königlichen Rescript an die Stände und in einer Note an die römische Curie erklärte, daß das Concordat in Folge Nichteintritts der Bedingung, unter der es abgeschlossen, gescheitert und deshalb rechtlich unverbindlich sei. Auch in Würtemberg wurde nun das Verhältniß der Staatsgewalt zur katholischen Kirche durch Landesgeset geregelt.

Hessen-Darmstadt hatte kein Concordat geschlossen, aber das in der Stille zwischen dem Minister v. Dalwigk und dem Bischof Ketteler vereinbarte Abkommen fiel gleichfalls vor der anticlericalen Bewegung, die damals im Südwesten Deutschlands die Geister beherrschte. Ueber das Gesez, welches die rechtliche Stellung der Kirche regeln sollte, kam zwar eine Einigung zwischen beiden Kammern nicht zu Stande, die Convention aber ward 1866 aufgehoben, nachdem der Bischof selbst auf dieselbe verzichtet und es wurde bestimmt, daß bis zum Zustandekommen eines Geseßes nach den Grundsäßen verfahren werden solle, welche durch übereinstimmenden Beschluß beider Kammern Anerkennung ge funden hätten.

In Nassau mußte der durch seine ungeseßliche Begünstigung clerikaler Interessen berüchtigt gewordene Regierungspräsident Werren vor der energischen Opposition der liberalen Partei das Feld räumen.

Die schwersten Niederlagen aber erlitt die Curie zu Ende dieser Periode in dem Staate, an welchem sie den festesten Halt gewonnen zu haben glaubte. Zwar hatte der unglückliche italienische Feldzug nicht sofort die Wirkung, die Herrschaft der ultramontanen Partei in Wien zu erschüttern, vielmehr fuhr in den nächsten Jahren Graf Thun noch rüstig fort, die Consequenzen des Concordats zu ziehen, er entschied, daß, obwohl der Kaiser die Bischöfe nominirte, die landesfürstliche Installation fortfallen und die Einführung in die Beneficien durch die kirchlichen Organe geschehen solle, er verordnete, daß zur Veräußrung oder Belastung von Kirchengütern die Erlaubniß des heiligen Stuhls oder dessen Bevollmächtigten erforderlich sei, und gestattete römischen Bisitatoren, den Klöstern eine neue Disciplin aufzuzwingen. Auch nach dem Fall Thun's durften die Ultramontanen Tyrols im offnen Widerspruch mit Schmerling's Protestantenpatent (1861) ihren Feldzug für die Erhaltung der Glaubenseinheit und ihre Schmähungen gegen die evangelische Kirche 1) fortseyen, ebenso wenig gelang es dem Staatsminister, die Stellung der Jesuiten zu erschüttern, und Bach sorgte als Botschafter in Rom schon dafür, daß an dem Concordat nicht ernstlich gerüttelt wurde, während sein Chef, Graf Rechberg wenigstens diplomatisch nach Kräften, wenn auch erfolglos, für die weltlichen Interessen des Pabstthums arbeitete. 2) Demgegenüber bedeutete es nicht viel, wenn Schmerling begann, den Bischöfen gegenüber wieder die Rechte des Staates zu betonen und der Reichsrath eine Resolution annahm, welche das Eigenthum der Kirche an dem Studienfonds verneinte. Aber was trop alles Sträubens der Reaction Oesterreich in constitutionelle Bahnen drängte, war, daß die Aufrechthaltung des alten Systems dem Reiche nur immer neue Niederlagen zuzog, wenn Schmerling's Schwäche das Ministerium

1) Der Fürstbischof von Trient erließ am 12. Mai 1863 einen Hirtenbrief, in dem es hieß: »Nachdem Martin Luther um seine Leidenschaften zu befriedigen, die Fahne der Empörung gegen die Kirche Jesu Christi erhoben, schaarten sich bald die verworfensten Menschen um ihn.«<

2) In seiner Depesche vom 15. October 1863 sagte er: »Der heil. Stuhl könne stets aller Beihülfe gewärtig sein, die Oesterreich den Umständen nach zu leisten vermöge, daß derselbe keines seiner Rechte preisgebe, betrachte man in Wien als selbstverständlich; das genüge um allen Wechselfällen Rechnung zu tragen, die sich binnen zwei Jahren ereignen könnten.«

Belcredi ans Ruder brachte, unter dem die Clerikalen noch einmal triumphirten, 1) so führte dieser Sieg der Partei den Staat nach Königgräß und mit dieser entscheidenden Niederlage war auch die der Concordatspolitik besiegelt.2) Die neuen Staatsgrundgeseze, welche Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesez, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Unabhängigkeit der bürgerlichen und politischen Rechte vom Religionsbekenntnisse, Freiheit der Lehre und Wissenschaft, Oberleitung des Unterrichtswesens durch den Staat u. s. w. sanctionirten, waren mit der Aufrechthaltung des Concordats unverträglich.

Troz aller Proteste der Bischöfe und clerikalen Aristokraten beschloß das Herrenhaus, daß bei dem Widerspruch der Grundgesege mit dem Concordate das lettre zu weichen habe, das Ehegesez gab die gesammte Ehegerichtsbarkeit den weltlichen. Gerichten zurück, das Schulgeseß ließ den Religionsunterricht den betreffenden Kirchen, stellte aber den Unterricht der Staatsschule in allen übrigen Lehrgegenständen unabhängig von dem Einfluß jeder Religionsgesellschaft, das interconfessionelle Religionsgeseh beseitigte die Reverse und bestimmte, daß falls die Ehegatten nicht Andres festseßen, die Söhne der Religion des Vaters, die Töchter der der Mutter folgen sollten, kein Angehöriger einer Confession durfte zu Steuern für eine andre herbeigezogen werden können. Nach solchem Vorgehen war natürlich von Verhandlungen in Rom nichts zu erwarten, welche Graf Beust auch wohl nur führen ließ um ihre Unfruchtbarkeit zu beweisen. Die einzige Folge war ein heftiger Protest des Nuntius und eine maßlose Allocution des Pabstes, durch welche die Staatsgrundgeseze als »wahrhaft unselig,« die confessionellen Geseze als» verwerflich, verdammenswerth und abscheulich,« beide aber »kraft apostolischer Autorität sammt ihren Folgerungen als durchaus nichtig und immerdar ungültig« erklärt wurden (22. Juni 1867). Hiemit hatte die Curie zwar ihren alten

1) So wurde im Frühjahr 1866 das Gesetz für Tyrol sanctionirt, wodurch in offnem Widerspruch mit der deutschen Bundesakte nicht nur die Gründung akatholischer Gemeinden, sondern selbst die Erwerbung von Grundbesitz durch Akatholiken von der Zustimmung des Landtags abhängig gemacht ward.

1) Wenigstens gut erfunden ist das Wort, welches dem Cardinal Antonelli bei der Nachricht vom Siege Preußens zugeschrieben ward: »Die Welt stürzt ein.<<

Anspruch erneut, auch weltliche Geseze annulliren zu können, wenn sie den Interessen der Kirche zuwider laufen, aber damit nur dem Reichskanzler Gelegenheit gegeben, diesen Uebergriff energisch zurückzuweisen. Wohl hatte die Regierung noch einen schweren Stand mit dem Episcopat, der bis zur offnen. Auflehnung gegen die Geseze ging, aber diese selbst blieben. aufrecht.

Geffen, Staat und Kirche.

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23. Syllabus und Vaticanum.

Für die ganze Entwicklung der römisch-katholischen Hierarchie ist das Streben maßgebend gewesen, die Gewissen zu beherrschen und durch diese die weltlichen Angelegenheiten. Die nothwendigen Vorausseßungen hiefür waren der göttliche Ursprung ihrer Verfassung und die weltliche Unabhängigkeit ihres Oberhauptes. Die Reformation, welche den erstern verneinte, entriß der römischen Kirche ein großes Gebiet, aber dasjenige, welches sic behauptete, beherrschte sie um so sichrer und die weltliche Herrschaft des Pabstes blieb unangetastet. Die Philosophie des 18. Jahrhunderts schwächte die Kirche innerlich, aber aus dem Fegefeuer der Revolution ging sie neugestärkt hervor und wußte jedes Stadium des großen Processes, der mit 1789 begann, zu benußen um ihre erschütterte Macht wiederherzustellen und auszubreiten; wenn sie zu Ende der fünfziger Jahre auf das Erreichte zurückblickte, konnte sie allem Anschein nach zufrieden sein.

Aber aus heiterm Himmel brach das Ungewitter hervor, das in seinem raschen Verlauf den Mittelpunkt ihrer Macht ernstlicher bedrohte als es seit Aistulph's Zeiten der Fall gewesen war. Das italienische Königthum war nicht blos eine vorübergehende Gefahr, sondern die Verkörperung der modernen Ideen, welche in unversöhnlichem Gegensaß zu denen stehen, auf welchen die Hierarchie beruht. Unablässig hatte sie diesen Feind überall bekriegt, jest sah sie sich von ihm im eignen Hause angegriffen und vergeblich schaute man im Vatican nach einem Pippin aus, der dem ruchlosen Beginnen des Erben der langobardischen Politik Einhalt thue. Aber eben weil die Curie mit dem Instinct der Selbsterhaltung fühlte, daß in der weltlichen Herrschaft ihr innerstes Wesen getroffen wurde, rüstete sie sich zu einem Kampf auf Leben und Tod mit den Mitteln, die ihr ge

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