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deren Gegner der Pabst bereits bei dem Abschluß derselben »dem Zorn des allmächtigen Gottes und seiner heiligen Apostel Petrus und Paulus«< geweiht hatte, das unveräußerliche oberhoheitliche Schuß- und Aufsichtsrecht des Landesherrn nicht beeinträchtige.

Nassau unterhandelte gleichfalls in Rom über eine Vereinbarung, die aber nicht zu Stande kam, in Hessen-Darmstadt schloß der Minister v. Dalwigk mit dem Bischof von Mainz 1854 eine geheime Convention, die aber erst 1856 von der Curie genehmigt wurde, nachdem die Regierung weitere sehr erhebliche Zugeständnisse gemacht hatte, thatsächlich wurde dadurch der katholischen Kirche im Großherzogthum alles gewährt, was die unmittelbaren Vereinbarungen Würtembergs und Badens mit Rom enthielten, Kurhessen allein hielt den richtigen Standpunkt fest, gar nicht zu unterhandeln, sondern sich mit dem Bischof von Fulda nur über dessen specielle Wünsche zu benehmen.

Diese Siege der Curie über die Staatsregierungen mußten den Einfluß des Clerus auf das gesammte Volksleben in immer wachsendem Maßstab steigern, die Erziehung lag wesentlich in seiner Hand, die meist von Jesuiten geleiteten Missionen wirkten durch ihre drastischen Predigten und Exercitien ebenso nachhaltig auf die Massen wie die Wallfahrten und Processionen, ein Neg von Vereinen, die unter sich in engem Zusammenhang standen und über große Geldmittel verfügten, umspannte die gesammte katholische Welt, die ultramontane Presse nahm einen gewaltigen. Aufschwung und in den sich reißend ausbreitenden Orden und Congregationen fand Rom eine jederzeit schlagfertige Miliz für seine weitgehendsten Ansprüche. Demgemäß mußte auch die Stellung des Katholicismus zum Protestantismus immer schroffer werden. Bereits in einer Rede vom 3. Febr. 1853 hatte der österreichische Präsidialgesandte Freiherr von Prokesch sich nicht entblödet, den Bevollmächtigten der 33 in der Bundesversammlung vertretenen evangelischen Regierungen zu sagen, daß alles Unheil, welches seit dem 16. Jahrhundert über Deutschland gekommen, von der Reformation stamme, »welche die Einheit der Kirche zerbrochen und damit alle Herrlichkeit des erhabnen Baues ihres weltlichen Abbildes verderbt habe.« Bischof Ketteler erklärte in dem Hirtenbriefe, durch welchen er 1855 zur Säcularfeier des heiligen Bonifacius aufforderte: »Wie das Judenvolk seinen Beruf auf Erden verloren hat, als es den Messias kreuzigte, so hat das deutsche

Volk seinen hohen Beruf für das Reich Gottes verloren, als es die Einheit im Glauben zerriß, welche der heilige Bonifacius gegründet hatte. Seitdem hat Deutschland fast nur mehr dazu beigetragen, das Reich Christi zu zerstören und eine heidnische Weltanschauung hervorzurufen.« Und bei dem Jubelfest selbst hielt der Bischof von Straßburg im Mainzer Dom eine Predigt, in welcher er feierlich die Königin von England aufforderte, »die Tiara, welche sie mit Unrecht auf ihrem Haupte trage, demjenigen zurückzugeben, dem sie rechtmäßig zustehe, dem Pabste in Rom;« Vorgänge, die zu dem beredten Protest Bunsen's in seinen »Zeichen der Zeit«< Anlaß gaben.

Ueberall also sehen wir in dieser Periode die Macht der römisch-katholischen Kirche in mächtigem Aufschwung begriffen, 1) der Bund des Thrones und Altars, welcher während der Restauration nur die romanischen Staaten beherrschte, ward in den fünfziger Jahren allgemein, die Regierungen glaubten in der katholischen Kirche die sicherste Stüße gegen die Revolution zu finden und gewährten ihr nicht nur die Selbständigkeit, welche sie in der Revolution zuerst den Muth fand zu fordern, sondern stellten ihr auch die Staatsmittel für die Ausnußung dieser Freiheit zur Verfügung. Und gleichzeitig benutzte die katholische Kirche in den Vereinigten Staaten das entgegengeseßte Princip der Trennung von Kirche und Staat zu immer größerer Machtentwicklung. Durch die irische Einwanderung schwoll die Zahl der dortigen Katholiken bis auf 5 Millionen und da diese völlig ungebildet, also ein gefügiges Werkzeug der Priester sind, so wurde der Clerus bei dem allgemeinen Stimmrecht bald ein so wichtiger politischer Factor, daß die Parteien denselben durch Concessionen zu gewinnen suchten, welche wiederum seine Macht

1) Abgesehen von dem gleich näher zu erwähnenden Sardinien, erlitt sie vielleicht die einzige Niederlage in Belgien, wo die maßsosen Angriffe bischöflicher Hirtenbriefe gegen einige Professoren der Genter Universität und noch mehr das sogenannte Wohlthätigkeitsgesetz (1857), welches den Stiftungen zwar nicht Corporationsrechte beilegen, aber den Schenkungen an dieselben unter der Firma eines Strohmanns, des administrateur spécial einen gesetzlichen Erwerbstitel leihen sollte, die liberale Partei aus der Apathie weckten, in welche dieselbe zufolge der europäischen Reaction versunken war. Durch die weise Vermittlung König Leopold's wurde der drohende Sturm beschworen und das Gesetz zurückgezogen, das liberale Ministerium Rogier trat an die Stelle des bisherigen katholischen und die Neuwahlen verschafften ihm eine große Majorität.

Geffden, Staat und Kirche.

steigerten. So ward die katholische Kirche in Nordamerika, welche noch im Anfang des Jahrhunderts arm und schwach gewesen, rasch reich und stark, zu Ende der fünfziger Jahre schäßte man das Vermögen, welches sie in einigen vierzig Diöcesen besaß, auf 800 Millionen Dollars und die Demokratie, die es früher als unmöglich ansah, daß die Hierarchie einem so überwiegend protestantischen Lande gefährlich werden könne, sah sich bereits genöthigt, sich um ihre Gunst zu bewerben. Aber die Curie, welche so geschickt die Situation zu verwerthen wußte, erwies sich doch doch darin kurzsichtig, daß sie den Bogen überspannte und damit eine Reaction hervorries, welche sie grade in ihrem empfindlichsten Punkte, dem Bestand ihrer weltlichen Macht traf.

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22. Die italienische Frage und der Kirchenstaat.

Während Rom in den fünfziger Jahren gestüßt auf die weltliche Reaction von Sieg zu Sieg zu schreiten schien, blieb ein schwarzer Punkt am Horizont, das kleine isolirte Sardinien weigerte sich ebenso seine Verfassung aufzuheben wie den Bund von Thron und Altar herzustellen. Bis 1848 war es das gelobte Land des Clerus gewesen, noch 1840 hatte Karl Albert die Exemtion desselben von der bürgerlichen Gerichtsbarkeit im Concordat bestätigt, der geistlichen waren auch die Laien für Gotteslästerung und ähnliche Verbrechen unterstellt, Todesstrafe traf den, der die Hostie geringschäßig behandelte, die ganze Erziehung lag in den Händen der Orden, die geistliche Censur hielt jedes geistige Leben nieder, das kirchliche Asylrecht war unbedingt.

Nun verkündete die neue Verfassung nicht blos Preßfreiheit, sondern daß alle Gerichtsbarkeit vom König ausgehe, durch von ihm ernannte Richter verwaltet werde und daß Niemand diesen seinen natürlichen Richtern entzogen werden könne, die Siccardi'schen Geseze von 1850 stellten die Geistlichen in bürgerlichen wie in Strafsachen unter die ordentlichen Gerichte, das Asylrecht ward aufgehoben, geistliche Corporationen mußten für die Erwerbung von Grundeigenthum und Annahme von Schenkungen die Staatsgenehmigung nachsuchen. Der Nuntius protestirte gegen diese Erniedrigung des Priesterthums und reiste ab, als der König die Geseze bestätigte, der Erzbischof von Turin wurde wegen offner Aufreizung zum Ungehorsam gegen die Staatsgesehe zu zwei Monaten Gefängniß verurtheilt. Die Regierung aber ließ sich in ihrer Politik nicht irre machen, sie legte ein Gesez über die Civilehe vor, wobei sie jedoch gestattete, daß der bürgerliche Akt nicht vor dem kirchlichen, sondern binnen 24 Stunden nach demselben zu erfolgen habe, und nahm so der päbstlichen

Erklärung, daß die Ehe ohne kirchlichen Akt Concubinat sei, den wesentlichen Stachel1), die Cultusfreiheit machte den jahrhundertelangen Verfolgungen der Waldenser ein Ende, welche, mit englischer Unterstüßung in Turin und Genua Kirchen eröffnen und die dem Volke so lange vorenthaltene Bibel in der Landessprache verbreiten konnten, die geistlichen Sinecuren und die Klöster, welche sich weder der Predigt, noch dem Unterricht, noch der Krankenpflege widmeten, wurden aufgehoben 2), der Einziehung sämmtlicher geistlichen Güter seitens des Staates dagegen widersezte sich die Regierung und begründete aus dem Ertrag der verkauften eine geistliche Kasse, die zur Erhöhung der Pfarrbesoldungen diente, ebenso wies sie die Forderung der Linken, die Lehre der Seminarprofessoren zu überwachen, zurück und duldete keine Angriffe auf die katholische Religion, welche nach dem Statut Staatsreligion war. Grade der maßvolle Charakter dieser Reformen, die vom Clerus und dem größten Theile des Adels auf das Erbittertste bekämpft wurden, gewann dem einzigen. italienischen Verfassungsstaat die Sympathie aller Liberalen Europa's; während Oesterreich sein Concordat schloß und der Pabst über die »unglaublichen, höchst grausamen Akte gegen die Kirche, ihre ehrwürdigen Rechte und die unverlegliche Autorität des heiligen Stuhles « klagte, erschien Piemont, wie sich Lord Derby ausdrückte, in der allgemeinen Dunkelheit als ein glänzender Punkt. Der große Staatsmann, welcher das Steuer des kleinen Schiffes gegen die Wogen der allgemeinen Reaction mit so fester Hand lenkte, fand denn auch durch die Allianz mit den Westmächten Gelegenheit, auf dem Pariser Congreß die Sache Italiens zu vertreten, namentlich die heillosen Zustände im Kirchenstaate darzulegen und troß des erbitterten Widerstandes des Grafen Buol England und Frankreich zu der Erklärung zu bewegen, daß die gegenwärtige Lage der Halbinsel unhaltbar sei. Graf Walewski meinte, die Abnormität könne in Bezug auf den Kirchenstaat nicht verkannt werden, daß eine Macht dauernd fremder Truppen bedürfe um sich in ihrem eigenen Gebiet zu behaupten, und erklärte die Bereitwilligkeit Frankreichs, seine

1) Zur Ausführung kam das Gesetz erst 1865.

2) Es wurden 334 Ordenshäuser mit 4280 Männern und 1198 Jungfrauen aufgehoben, es blieben noch 264 Häuser mit 4000 Köpfen (Reuchlin Geschichte Italiens III. S. 232).

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