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machen. Gideon lehnt die ihm angetragene Herrschaft ab, sein entarteter Sohn Abimelech, der sie usurpiren will, fällt. Als aber später die Würde des Hohepriesterthums durch die ungerathnen Söhne Eli's angetastet wird, der Dienst syrischer Gottheiten eindringt und demgemäß innre Zerwürfnisse entstehen, welche die auswärtigen Feinde benußen, verlangt das Bedürfniß der Ordnung eine andre und festre Verfassung um die Einheit des Volkslebens wiederherzustellen. Indem das Volk einen König verlangte, wie die umwohnenden Heiden hatten, erklärt es zwar seine eigne Unfähigkeit zu der reinsten Gestalt der Theokratie, in der der einige König unsichtbar ist, und deshalb wird die Forderung von Jehova nur ungern gewährt, aber er gewährt sie doch, weil ein irdisches Königthum der Theokratie an sich nicht widerspricht und er nunmehr die Könige zu Werkzeugen seines Heilsplanes ansersicht. Zur vollsten Entfaltung kommt das Königthum in David. Er ist das Bild des Herrschers nach dem Herzen Gottes, ein wahrer König, der doch sein Herz nicht über seine Brüder erhebt, er erkennt sie als gleichberechtigt an indem er mit den Aeltesten des Volks einen Bund macht, er ist Krieger und Sänger, er schlägt die Feinde Israels und bringt den priesterlichen und liturgischen Dienst in eine neue, sestre Verfassung, aus dem Volk hervorgegangen und doch Priester, nicht ohne Fehler, aber selbst nach tiefem Fall auf die strafende Stimme Gottes hörend trachtet er seinen Willen in Einklang mit dem Willen Gottes zu sehen. Und wie David sich als wahrer König Jehova's zeigt, so fühlt sich unter ihm das Volk als Volk Jehova's mit reinerem Bewußtsein als je zuvor, es findet sich in seinem König selbst wieder, er schafft ihm seinen natürlichen Mittelpunkt durch die Gründung Jerusalems. Mit seinem Sohne Salomo, der dies Werk durch den Bau des Tempels vollendet, beginnt schon der Verfall, dem die Spaltung des Volkes in zwei Theile bald folgt. In diesen Zeiten nun tritt die Israel ganz eigenthümliche Erscheinung der Prophetie hervor, und zwar um so bedeutsamer, je tiefer des Volkes sittliche Kraft sinkt, sie bildet den schärfsten Gegensaß zu den Orakeln, die für vorübergehende Zwecke erbeten wurden und in absichtlich dunkler Sprache niemals ohne Ansehen der Person redeten, während die Propheten, die ohne alle äußerliche Machtmittel auftreten, als die höchsten Bertreter des geistigen Gehalts der Jehovareligion erscheinen,

im Gegensatz zum Priesterthum, das an die Verwaltung des äußeren Gottesdienstes gebunden ist und zum Königthum, das die irdische Herrschaft vorausseßt, unaufgefordert reden, furchtlos der nationalen Sünde entgegen treten, mag sie sich in königlicher Tyrannei, in priesterlicher Verdorbenheit oder in verblendeter Leidenschaft des Volkes darstellen, sie vertheidigen den Glauben an den einen Gott gegen den Abfall zum Gößendienst, das Recht der Unabhängigkeit des Volkes gegen fremde Unterdrückung, zugleich aber tritt die Verheißung der Zukunft hervor, welche erfüllen soll, was Jehova seinem Volk versprochen hat. Indem sie Israël Buße predigen und zum Glauben seiner Väter zurückrufen, öffnen sie ihm die Aussicht auf seine Befreiung und Wiedergeburt, an die gegebenen geschichtlichen Zustände anknüpfend, blicken sie auf ein großes, allmälig sich verwirklichendes Ziel, sie sind die Bindeglieder zwischen Moses und dem Messias. Wir finden sie schon früh, Samuel gründet die freie Genossenschaft der Prophetenschulen, als der Priesterstand seiner Aufgabe nicht mehr genügt, auch unter David treten Propheten auf, ihren Höhepunkt aber erreicht die Prophetie erst mit dem wirklichen Verfall des Volks. Weder Priester noch Mönche, gehen die Propheten aus den verschiedensten Ständen und Häusern des Volks durch freie Berufung Gottes hervor, die Offenbarung, die sie empfangen, wirkt allerdings als überwältigender göttlicher Einfluß, aber sie läßt die menschliche Individualität nicht untergehen, sondern entbindet vielmehr erst die tiefsten Gaben derselben, der Beruf der Propheten war das Volk wieder in Uebereinstimmung mit Gottes Willen zu bringen und auf die Erfüllung seiner Rathschlüsse vorzubereiten, hiefür wurden ihnen Einblicke in den göttlichen Rathschluß und die Zukunft desselben gestattet; das Wort ist die höchste Gabe der Persönlichkeit, der höchste Redner ist der, welcher den Willen Gottes verkündet, sie heißen deshalb Nabi, Sprecher, Dolmetscher; wie Aaron Moses' Prophet genannt wird, weil er dem Pharaoh die Worte seines Bruders verdolmetscht, so sind die Propheten Dolmetscher des Willens Jehova's. Aber sie können die göttliche Wahrheit als Menschen nur in irdische Gefäße fassen und bedienen sich naturgemäß des Vorstellungskreises ihrer Zeit und Umgebung.

Mit der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft hatte die Prophetie ihre Aufgabe erfüllt, ein großer Bruchtheil des

Bolkes war in die Heimath zurückgekehrt, aber mit der nationalen Selbständigkeit war es aus, heidnische Oberherrschaften dauerten mit kurzer Unterbrechung fort. Um so energischer sammelte sich das Volk um seinen Glauben, den es unter dem Druck der Gefangenschaft und inmitten der Heiden als sein besonderes Charisma kennen gelernt hatte, wir hören hinfort nichts mehr vom Abfall zum Polytheismus, das Volk hing mit höchster Anhänglichkeit an den geretteten. Schriften des Alten Testaments, die sich allmälig zum Kanon gestalteten und nach allen Seiten hin ausgelegt und betrachtet wurden. Aber während die nationale Selbständigkeit des Volks sich ganz auf religiösem Gebiet concentrirt, verweltlicht sie dessen Organisation, ihre Spize ward das Hohepriesterthum, um welches bald ein Kampf geführt ward wie bei anderen Völkern um die Krone. Die Befreiungskämpfe der Maccabäer waren nur ein kurzer Lichtblick in dieser Periode, sie konnten nicht hindery, daß das Hohepriesterthum immer mehr von der Stellung eines weltlichen Fürstenthums einnahm, dessen erster Gesichtspunkt war sich am. Ruder zu erhalten. Das Volk zersetzte sich in theologische und politische Parteien, die Sadducäer, als griechenfreundliche Fürstenpartei, strebten. die eigenthümliche Stellung Israels mit der umgebenden griechischen Bildungswelt auszugleichen, kamen dabei aber zu epikuräischem Weltsinn, die Pharisäer dagegen eiferten als Volksfreunde für die religiös nationalen Traditionen, aber er= strebten die Reinhaltung des religiösen Gesezes mit menschlichen Sazungen und Ceremonien, es waren conservative Demagogen; beide aber beuteten die Religion im Parteiinteresse aus und steigerten die Zerrüttung bis zur vollständigen Auf

lösung.

Die einzige Aufgabe, die das Volk noch hatte, war die Vorbereitung der apostolischen Predigt durch die Ausbreitung jüdischer Colonieen in den Ländern, die das Mittelmeer umgeben. Schon seit der babylonischen Gefangenschaft gab es eine jüdische Diaspora, die sich durch Kriegsgefangenschaft und Auswandrung rasch vermehrte; Strabo erzählt, fast in jede Stadt sei eine Judenschaft eingedrungen, diese Colonieen hatten ihren Mittelpunkt in der Synagoge und der Bankrott der antiken Welt führte ihnen zahlreiche Proselyten zu, hier bil

deten sich die Mittelpunkte der Verkündigung der neuen Lehre. Was das Volk selbst betrifft, so erfolgte nach der Verwerfung des Messias das Gericht über dasselbe durch seine Zerstreuung, aber als der Hohepriester sich verzweifelnd auf den Trümmern Jerusalems entleibte, war bereits der feste Grund der neuen Gemeinschaft gelegt, welche die erstorbne alte Welt verjüngen sollte.

4. Der Staat und das Christenthum.

Ueberall im Alterthum finden wir den Inhalt der Religion gebunden an das Volksthum, die Religionsgemeinschaft ist in der nationalpolitischen mit enthalten, das ius sacrum ist ein Theil des ius publicum. In dem israelitischen Religionsstaat wird ein Volk ausgesondert als Bewahrer des Glaubens an den wahren einigen Gott, im Hinblick und in steter Vorberei tung auf die Zeit wo die nationale Schranke fallen soll. Mit Erfüllung dieser Aufgabe war aber auch der einzige ausreichende Grund der Theokratie geschwunden; sie war als irdische Institution gegenstandslos geworden seitdem Christus den Gott Israels als den Gott aller Völker offenbarte, denn nun tritt nicht mehr der Staatsbürger seinen vaterländischen Göttern, nicht mehr der Israelit dem Jehova, der ihn aus Egyptenland geführt, sondern der Mensch seinem Gott, Schöpfer, Vater und Erlöser gegenüber. Wie im Christenthum nicht Knecht, nicht Freier, so gilt auch weder Jude noch Grieche, die Religion löst sich von der Nationalität ab und will in dem Bewußtsein, daß sie die allein wahre ist, die ganze Menschheit zu sich sammeln, die ganze bewohnte Erde (oizovμévy) umfassen. Im Heidenthum war durch die Vergötterung der Welt die Religion im Staat aufgegangen, durch diese Verwirrung aber auch der Keim der Auflösung in beide gelegt, im Gegensaß dazu wird das Wort Christi »Mein Reich ist nicht von dieser Welt«< ein Wendepunkt der Geschichte, der Ausgangspunkt einer neuen Bewegung, welche jeder der beiden Mächte, dem Staat wie der Religionsgemeinschaft, ihr eigenthümliches Gebiet anweist. Während im Heidenthum wie im Judenthum staatliche und religiöse Gemeinschaft in einander fließen, stellt Christus der Welt, d. h. hier der gesammten natürlichen Ent

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