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die bestehenden Staatseinrichtungen zu vertheidigen und die der anglikanischen Kirche nicht zu untergraben. Der eigentliche Träger der Maßregel, Peel bekannte selbst im Parlament, daß er seine bisherige Opposition aufgebe, weil Mittel und Werkzeuge nicht dazu ausreichten, er weiche einer moralischen Nothwendigkeit, um nicht Institutionen, die er zu vertheidigen wünsche, in Gefahr zu bringen. Die früher so oft berathenen Sicherheiten gegenüber der katholischen Kirche führte er auf ein bescheidnes Maß zurück, er verwarf den Plan eines Concordats mit Rom, weil damit zu keiner aufrichtigen Einigung zu kommen sei, ebenso aber auch die Besoldung des Clerus von Staatswegen, die Katholiken wurden einfach den Dissidenten gleichgestellt. Unzweifelhaft wird man Peel beistimmen, daß die Maßregel nothwendig und eine Forderung der Gerechtigkeit war. »>Wenn die römische Kirche, sagte er, Gleichheit verachtet und nur durch Herrschaft befriedigt wird, so wird der Kampf dann mit andern Waffen ausgefochten werden, er wird stattfinden nicht um die Abschaffung bürgerlicher Rechtsungleichheiten, sondern gegen die Vorherrschaft einer intoleranten Religion. Wir werden dann die große moralische Verbindung aufgelöst haben, welche bisher der Sache der Katholiken ihre Stärke verlieh, der Ruf bürgerlicher Freiheit wird dann der unsrige sein. Wir werden dann das Feld mit der vollen Gewißheit des Sieges betreten, bewaffnet mit dem Bewußtsein, Gerechtigkeit geübt zu haben und im Rechte zu sein« edle Worte, denen man sicher beistimmen wird, aber ebenso gewiß ist freilich, daß die Maßregel ihren eigentlichen Zweck, Irland zu versöhnen, nicht erfüllt hat. Sie kam wie so manche Reformen jener Zeit zu spät und wurde dem Widerstand der regierenden Partei nur durch die Furcht vor der Revolution abgerungen. Hätte man die Emancipation gleichzeitig mit der Union Irlands gewährt, so wäre dem Lande ein erbitterter Kampf erspart, welcher die ganze katholische Bevölkerung in die heftigste Opposition gegen die Regierung und unter die absolute Herrschaft der Priester brachte, welche lettre dann auch später nicht wieder zu lockern war. So ward die Emancipation nur der Ausgangspunkt eines neuen Aufschwungs des Ultramontanismus in England und neuer Kämpfe mit Irland, namentlich aber hat dessen fortan fast ausschließlich katholische Vertretung im Unterhause, welche mit jeder Partei geht, je nachdem dies

den ultramontanen Interessen dient, die parlamentarische Regierung sehr erschwert. 1)

1) Charakteristisch ist eine Aeußerung Goethe's über die Maßregel. Als der Baudirector Cordray bemerkte, das Parlament werde die Emancipation so verclausuliren, daß sie auf keine Weise für England gefährlich werden könne, erwiderte er: »Bei den Katholiken sind alle Vorsichtsmaßregeln unnüß. Der päbstliche Stuhl hat Interessen, woran wir nicht denken, und Mittel sie im Stillen durchzuführen, wovon wir keinen Begriff haben. Recht klar über den irländischen Zustand werden wir nicht, denn die Sache ist zu verwickelt. So viel aber sieht man, daß dieses Land an Uebeln leidet, die durch kein Mittel 'und also auch nicht durch die Emancipation gehoben werden können. War es bis jezt ein Unglück, daß Frland seine Uebel allein trug, so ist es jetzt ein Unglück, daß England mit hereingezogen wird.« (Eckermann Gespräche II. S. 67 u. 76.)

19. Der Staat und die katholische Kirche von 1830-1848..

Die Julirevolution sprengte den Bund zwischen Thron und Altar, welcher den Bourbonen und Ultraroyalisten als die sicherste Bürgschaft der wiederhergestellten Legitimität erschienen war. Die Restauration mußte die bittre Erfahrung machen, daß grade eine solche Verbindung bei dem Bürgerstande, der durch den mächtigen Aufschwung des materiellen Wohlstandes immer mehr bestimmender Factor im Staatsleben wurde, nur die Furcht vor einer doppelten Knechtschaft erzeugte. Wenn die Regierung daher, vielfach im Widerspruch mit den Geseßen, die katholische Kirche und ihre Institute auf das Entschiedenste begünstigte, die Gleichberechtigung andrer Confessionen umging und correkte ultramontane Gesinnung als Empfehlung für den Staatsdienst betrachtete, so verfehlte diese Politik grade bei den Klassen, welche durch die Kirche von den Grundsäßen der Revolution geheilt werden sollten, vollständig ihren Zweck und brachte vielmehr die umgekehrte Wirkung hervor, ') während andererseits die Dynastie im Augenblick ihres Sturzes nicht den mindesten Halt im Clerus fand, für den sie sich.so schwer compromittirt hatte. 2) Indeß,

1) Den schneidendsten Ausdruck der Erbittrung gegen diese übelberechnete Selbsterniedrigung der weltlichen Gewalt gaben wohl die Verse Béranger's: Plaçons dans chaque prône Comme aux bons temps féodaux Que les rois soient nos bédeaux.

Non point le trône sur l'autel
Mais l'autel sur le trône.

2) Bis zu welchem Grade Karl X. verblendet war, zeigt, daß, als unmittelbar vor dem Erlaß der Ordonnanzen der russische Botschafter Pozzo di Borgo sich zu ihm begab, um ihn dringend vor dieser Maßregel zu warnen, der König ihm erwiederte: »Ne craignez rien, hier encore la Sainte Vierge a paru à Polignac.<< Der Umstand wurde mir von einem Diplomaten erzählt, dem Pozzo diese Antwort vom König kommend mittheilte, der Botschafter setzte hinzu: »quand les ministres ont des apparitions, les rois sont perdus.<<

wenn in Frankreich die Revolution von 1830 ebenso gegen die kirchlichen wie gegen die politischen Grundsäge der Restauration gerichtet war, so bezeichnet doch die nun beginnende Epoche für die katholische Kirche im Allgemeinen keineswegs einen Rückgang, vielmehr trat dieselbe immer mehr aus der wesentlich abwartenden Stellung heraus, welche sie mit Ausnahme des südwestlichen Europa's bisher beobachtet, und ging zum Angriff über. Und grade die Siege des Liberalismus wußte sie mit großem Geschick für ihre Interessen auszubeuten; während sie fortfuhr, sich den absoluten Regierungen als einzigen Halt gegen die Revolution zu empfehlen, benußte sie in den constitutionellen Staaten jene von ihr principiell verdammten Grundsäße, um im Namen der Freiheit ihre Macht zu befestigen und zu erweitern. Im ersten Augenblick freilich schienen die Dinge für die Curie im eignen Hause eine üble Wendung zu nehmen. Mit Leo XIII. (della Genga), der 1823 nach der dreiundzwanzigjährigen Regierung Pius' VII. auf den päbstlichen Thron erhoben wurde, war die Partei der Zelanti allmächtig geworden und Consalvi noch unmittelbar vor seinem Tode gestürzt, aber grade die schonungslose Unterdrückung aller liberalen Bestrebungen rief eine Gährung hervor, welche unter dem Eindruck der Julirevolution unmittelbar nach der Erwählung Gregor's XVI (Febr. 1831) zu einem Aufstand in den Legationen und Marken führte; die weltliche Regierung des Pabstes wurde dort für immer beseitigt erklärt, selbst Rom schien bedroht. Troß der Kriegsdrohung Frankreichs intervenirte Desterreich auf Anrufung des Pabstes (19. Febr.) und stellte binnen Kurzem dessen Autorität wieder her, was er mit innigem Dank an »die auserwählten Schaaren, welche über die Rebellen triumphirt, die mit tempelschänderischen Händen Verheerung und Jammer in das Levitengebiet hätten tragen wollen,<«< anerkannte. Indeß die übrigen Mächte glaubten doch um des europäischen Friedens willen Reformen im Kirchenstaat verlangen zu müssen, und so traten die Gesandten Oesterreichs und Frankreichs mit denen Rußlands und Preußens, sowie einem englischen Commissar zusammen um sich über die Maßregeln, welche dem Pabst zu empfehlen seien, zu verständigen. Die treibende Macht bei diesen Berathungen war Frankreich, die persönliche Seele der preußische Gesandte Bunsen. Nach langen Debatten kam es zu einem von dem leztern redigirten

Collectiv-Memorandum, welches am 21. Mai dem Staatssecretär Cardinal Bernetti übergeben ward. Es forderte 1) Trennung der Justiz von der Verwaltung mit gehöriger Betheiligung der Laien, 2) Municipalsystem auf freien Wahlen ruhend, Vertretung der Gemeindeinteressen durch Notable, 3) aus diesen hervorgehende Provinzialräthe, 4) eine Centraldeputation derselben, mit der Aufgabe, die Verwaltungsrechnungen zu revidiren und die Verwendung der Staatsfonds, sowie die Tilgung der öffentlichen Schuld zu überwachen, 5) fortschreitende Einführung der von Pius VII. durch dessen Motu proprio von 1816 verheißnen Reformen (Bunsen's Leben I, S. 544). Aber obwohl die Curie dies Aktenstück anscheinend günstig aufnahm, führten doch die weiteren Verhandlungen zu nichts; die Schuld hiervon traf wesentlich Desterreich, welches gleich Anfangs betont hatte, daß die Sicherung der weltlichen Herrschaft nothwendig mit den Reformen Hand in Hand gehen müsse, und nun Bernetti darin bestärkte, jene Garantie als vorgängige Bedingung hinzustellen; außerdem waren die Mächte nicht über die Art dieser Garantie der weltlichen Herrschaft einig, Frankreich wollte, daß die fünf Mächte sich eintretenden Falls über die zum Schuß des Pabstes nothwendigen Mittel verständigen sollten, jedenfalls müsse es selbst jede Garantie ablehnen, bevor nicht die Reformen durchgeführt seien, Oesterreich dagegen verlangte, daß dem Pabst das Recht eingeräumt werde, sich bei Ausbruch neuer Unruhen an diejenige Macht zu wenden, deren Hülfeleistung ihm nach den Umständen am geeignetsten erscheine. Inzwischen kreuzte Bernetti die Verhandlungen, indem er den Gesandten vertraulich den Inhalt eines Motu proprio mittheilte, welches nur Scheinreformen enthielt, worauf Desterreich ohne Weiteres erklärte, der Kaiser garantire die Integrität der päbstlichen Staaten nach dem Wortlaut der Wiener Verträge, also auch die weltliche Gewalt des Pabstes in ihrem ganzen Umfange; Rußland stimmte dem zu, da nach der Unterdrückung des polnischen Aufstandes Gregor XVI. den polnischen Bischöfen Unterwerfung geboten, während früher das officielle römische Journal sich Polen günstig gezeigt hatte, Preußen und England hielten sich ziemlich zurück, Frankreich allein konnte nichts durchseßen, und so ging die Curie aus diesem diplomatischen Kampfe als Sieger hervor; sie hatte nichts nachgegeben und eine Garantie ihrer weltlichen Macht erhalten. Während der

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