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Kirche nicht principiell, da doch eine enge Verbindung beider beibehalten ist und die Kirche durch Verweigrung der Institution tief in das nationale Leben eingreifen kann. Andrerseits aber werden, sobald die Staatsgewalt die Stüße der Kirche im Volke bedarf, alle jene staatlichen Machtmittel in den Dienst des Clerus gestellt. Und merkwürdiger Weise hat Napoleon durch das Concordat, mit dem er die religiöse Revolution abzuschließen und die Kirche sich unterthänig zu machen glaubte, mehr als Jemand dazu geholfen den Ultramontanismus zu beleben. Indem er die Entscheidung des Pabstes in geistlichen Sachen als ebenso absolut hinstellte wie die seinige in weltlichen und Pius VII. gegen dessen Willen dazu zwang, mit einem Federstrich alle Bischofssize Frankreichs als vacant zu erklären und die Diöcesen neu zu regeln, machte er den Pabst wieder zum Souverän der Kirche und das Episcopat, um dessen Selbständigkeit und göttliche Einsehung noch in Trient so lebhaft gekämpft war, zu päbstlichen Gehülfen, zu geistlichen Präfecten. So ist es zu erklären, daß nach einer siebenzigjährigen Herrschaft des Concordats, auf welches die Franzosen noch immer stolz sind, die gallikanischen Traditionen so gut wie ganz verloren gegangen und der französische Clerus durchweg ultramontan geworden ist. Wahrlich Napoleon hatte Recht in einem klaren Augenblick dem Abbé de Pradt zu sagen: On ne recueille que ce que l'on a semé, le concordat est la plus grande faute de mon règne.

17. Rückwirkungen der franzöfifchen Revolution auf Deutschland.

Die Grundsäße der französischen Revolution, obwohl nur die Consequenzen der Anschauungen, welche die Aufklärung verbreitet, standen in so unversöhnlichem Widerspruch mit den thatsächlich bestehenden Zuständen Europa's, daß der Umsturz des alten französischen Staates nothwendig zu Conflicten nach Außen führen mußte. In dem Kampfe der übrigen Großmächte gegen das revolutionäre Frankreich hielt nur England seine innere Staatsordnung ebenso aufrecht als sein Gebiet unberührt, kein Land aber erfuhr so tiefe Erschütterungen als das nachbarliche Deutschland. Das Verhältniß der Kirche zum Reich wie zu den einzelnen Territorien desselben erlitt zunächst eine tiefgreifende Aenderung durch die Säcularisation der geistlichen Herrschaften und Güter. Der Westphälische Friede hatte das erste Beispiel einer solchen gegeben (cf. S. 283), bei der ersten Theilung Polens ward das unter dessen Oberhoheit stehende Bisthum Ermland von Preußen ebenso eingezogen wie die geistlichen Güter in Westpreußen, von deren Einkommen fortan nur die Hälfte den bisherigen Inhabern ausgezahlt wurde, damit, wie Friedrich II. erklärte, »die Geistlichen durch deren Bewirthschaftung nicht distrahirt und an ihren geistlichen Verrichtungen um so weniger behindert werden möchten.« Josef II. folgte mit seinen umfassenden Einziehungen des Klosterguts und nachdem die französische Revolution mit dem ganzen Kirchengut aufgeräumt, war es nur natürlich, daß man in den folgenden Kriegen und Gebietsveränderungen die geistlichen Territorien und Güter als Compensationsobject für anderweitig erlittne Verluste ins Auge faßte. In dem geheimen Vertrag vom 5. August 1796 versprach zunächst Preußen, sich der Abtretung des linken Rheinufers von

Geffden, Staat und Kirche.

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Seiten des deutschen Reichs an die französische Republik nicht zu widerseßen und zur Entschädigung der weltlichen Fürsten, welche am linken Ufer Besizungen hätten, den Grundsag der Säcularisation der geistlichen Stifter anzunehmen, es ließ sich als Entschädigung für seine linksrheinischen Besizungen den größeren Theil des Stiftes Münster und die Herrschaft Recklinghausen versprechen, für das Haus Oranien waren die Stifter Würzburg und Bamberg in Aussicht genommen. Der Kaiser denuncirte diese Absichten den geistlichen Reichsständen um sie zu höheren Leistungen anzuspannen, nahm aber selbst das Princip der Säcularisation in den geheimen Artikeln zum Frieden von Campoformio (17. Oct. 1797) an, obwohl er 1792 in seiner Wahlcapitulation als Advocatus ecclesiae der Kirche Schuß und Schirm versprochen und erhielt die Zusage Frankreichs den Erwerb des Bisthums Salzburg zu vermitteln. Auf diese Versprechungen der beiden Großmächte gestüßt, trat Frankreich auch dem Reiche. gegenüber auf dem Rastatter Congreß (1798 15. März) offen mit dem Grundsaß der Säcularisation hervor um die Rheingrenze zu gewinnen, die geistlichen Stände, welche mit Recht das Ansinnen Frankreichs als eine Einmischung in die Verfassung des Reiches bezeichneten, wehrten sich natürlich nach Kräften dagegen, allein die Kosten der deutschen Niederlagen zu bezahlen; als dies keinen Erfolg hatte, fielen sie unter sich selbst von einander ab, die Bischöfe zeigten sich bereit die Klostergüter preiszugeben, die Erzbischöfe wollten sich zufrieden geben, wenn man sich mit der Einziehung der Bisthümer begnüge, schließlich erklärte Mainz auch seine Zustimmung zur Säcularisation von Köln und Trier, wenn es selbst nur bestehen bleibe; die weltlichen Reichsstände überboten sich dagegen an Begehrlichkeit, möglichst viel von dem nun als herrenlos betrachteten Lande zu erlangen; am 4. April mußte die Reichsdeputation die Säcularisation im Princip an nehmen. Praktisch wurde sie drei Jahre später durch den Frieden von Luneville und den Reichsdeputations hauptschluß durchgeführt.

»Da in Folge der Abtretung (so lautete der siebente Artikel des erstern), die das deutsche Reich an die französische Republik macht, mehrere Fürsten und Stände des Reiches ganz oder zum Theil ihre Besizungen verlieren, während das Reich in seiner Gesammtheit die aus den Sagungen dieses Vertrages sich ergebenden Verluste zu tragen hat, so ist der Kaiser, sowohl in

seinem eigenen als des deutschen Reiches Namen, mit der französischen Republik übereingekommen, daß gemäß der auf dem Congresse zu Rastatt förmlich aufgestellten Grundsäße das Reich verpflichtet ist, den Erbfürsten, die ihrer Besigungen am linken Rheinufer verlustig gehen, eine aus dem Mittel des Reiches zufolge der gemäß jener Grundsäge weiter zu treffenden Anordnung zu nehmende Entschädigung zu gewähren,« ja sogar dem Herzog von Toscana wurde für den Verzicht auf sein Land eine gänzliche und vollkommene Entschädigung in Deutschland zugesagt. Während nun die Reichsdeputation über die Ausführung dieser Bestimmungen unterhandelte, schlossen die einzelnen deutschen Staaten schon im Voraus Verträge mit Frankreich ab über die Kirchengüter, welche ihnen zufallen sollten, und da Kaiser Alexander von Rußland auf Grund seiner Verwandtschaft mit deutschen Fürstenhäusern an dem Reichsfriedensgeschäft betheiligt war, so lag in jenen Tagen der tiefsten Schmach das Loos der deutschen Kirchengüter in den Händen Frankreichs und Rußlands; sie stellten 1802 den gesammten Entschädigungsplan unter Zustimmung Preußens auf, welches dadurch Münster, Paderborn, Hildesheim, einige Mainzische Befizungen und mehrere Reichsabteien gewann und auch sofort in Besih nahm; Oesterreich erhielt die Bisthümer Trient und Brixen, der bisherige Großherzog von Toscana Salzburg und Theile von Passau und Eichstädt, Bayern empfing Bamberg, Freisingen, Augsburg, Würzburg; Hannover Osnabrück, der Fürst von NassauOranien für die verlorne holländische Erbstatthalterschaft Fulda und Corvey, und in ähnlicher Weise wurden andre Reichsstände bedacht, die Reichsdeputation hatte den ganzen Plan einfach zu ratificiren. Es war ein Verfahren so ungewöhnlicher Art, wie es nur bei den eigenthümlichen Verhältnissen Deutschlands möglich erschien, das Reich verlor ein Gebiet von etwa 1150 Quadratmeilen, die Dynastien wurden entschädigt, ja vergrößerten durchweg ihren Besit erheblich, selbst Fürsten, die auf dem linken Rheinufer nichts verloren und somit keinen Anspruch auf Entschädigung hatten, wie Hannover, Braunschweig, Toscana, Modena erhielten bei der Gütertheilung größere oder kleinere Brocken vom Kirchengut. Die Einziehung desselben umfaßte 1719 Quadratmeilen und 3,161,776 Unterthanen, die nunmehr unter weltliche Obrigkeiten und zwar überwiegend unter protestantische kamen. Diese Masse wurde gebildet aus den Erzbisthümern Köln, Trier und Mainz,

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von denen die beiden ersten ganz vernichtet, der erzbischöfliche Stuhl von Mainz auf die Domkirche von Regensburg übertragen und mit ihm »auf ewige Zeiten« die Würde eines Reichskanzlers und Primas von Deutschland vereinigt wurde. Der bisherige Kurfürst von Mainz sollte also allein von allen geistlichen Herren die landesherrliche Stellung behalten und für die Verluste auf dem linken Rheinufer wenigstens zum Theil entschädigt werden, indem er die Fürstenthümer Aschaffenburg und Regensburg, die Grafschaft Weglar mit 650,000 Fl. Einkünften und 350,000 Fl. aus der Rheinschifffahrtsoctroi erhielt. Ferner verloren 29 Bisthümer und eine lange Reihe reichsunmittelbare Stifter und Abteien ihre Selbständigkeit. Außerdem aber wurden die Privatgüter der aufgehobenen Stifter und Abteien, welche man auf einen Capitalwerth von 420 Mill. Fl. schäßte, den betreffenden Landesherren zugewiesen, und daneben wurde (im § 35) bestimmt, daß auch alle Güter der fundirten Stifter, Abteien und Klöster, über welche der Reichsdeputationshauptschluß nichts festseßte, der vollen und freien Verfügung der betreffenden Landesherren unterliegen sollten. Die Landesherren konnten also auch alle übrigen Stifter, Abteien und Klöster in allen ihren Landestheilen aufheben und deren Güter an sich nehmen. Das Einzige, was sie zu leisten hatten, waren die Ausstattung der beizubehaltenden Domkirchen und die Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit. Im Uebrigen sollten sie zwar die weggenommenen Güter für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnüßige Anstalten verwenden, konnten sie aber auch beliebig für sich, wie es hieß, zur Erleichterung ihrer Finanzen, behalten. Hiebei ist nur zu bemerken, daß (nach § 42) die geschlossenen Frauenklöster nur im Einverständniß mit den Diöcesan-Bischöfen sollten aufgehoben werden; die Mannsklöster aber wurden mit allen ihren Besißungen dem freien Belieben ihrer Landesherren überlassen. Zudem sollten weder Manns- noch Frauenklöster ohne Einwilligung ihrer Landesfürsten neue Novizen aufnehmen dürfen.

Der Kirche blieben allein die frommen und milden Stiftungen, aber sie wurden ausdrücklich der landesherrlichen Aufsicht und Leitung unterworfen. (§ 65.)1)

1) Die geistlichen Ritterorden (Deutschherren und Johanniter) blieben da mals noch bestehen, ja erhielten für ihre Verluste auf dem linken Rheinufer

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