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Cäsar hatten im Senat ihren Unglauben öffentlich bekannt, dessen schroffsten Ausdruck wir im Lucrez finden, welcher die gesammte Religion als eine Ausgeburt der Furcht und Einbildung verhöhnt um an ihre Stelle den Materialismus zu sehen. Gleichwohl dauerte es sehr lange, bis dieser Skepticismus zu einer wirklichen Untergrabung des Glaubens der Väter führte, die Masse des Volks, die in religiösen Dingen durchweg conservativ ist, hielt an den diis patriis fest, mit deren Verehrung das ganze Leben so eng verflochten war, und wurde darin eifrig von der Regierung bestärkt. »Wie die griechische Welt die Götter für ihre Kunstzwecke noch bedurfte als sie schon nicht mehr an sie glaubte, so bedurfte Rom seiner Götter für den Staatszweck. In dem, was den weltgeschichtlichen Beruf einer jeden Nationalität ausmacht, fand auch die Volksreligion noch Jahrhunderte lang ihren Halt« (Hundeshagen). Die römischen Staatsmänner, die selbst den Lehren der Stoa und des Epikur zugethan waren, erkannten doch sehr wohl die Bedeutung des Glaubens für die Massen, die Religion blieb ihnen ein wichtiger Theil der Machtmittel, die der Staat nicht entbehren konnte ohne seine Sicherheit zu gefährden. Das bedeutendste Beispiel dieser Anschauung bietet Terentius Varro, der Zeitgenosse von Pompejus und Cäsar; seinem ernsten Charakter widerstand die sinnliche Richtung der Griechen, ebenso wie die Philosophie, die nur zur Verachtung des überlieferten Glaubens führte, ohne bessres dafür zu gewinnen. Er selbst suchte eine physikalische Erklärung der altrömischen Religion, aber war ein viel zu practischer Staatsmann um zu glauben, daß man jene dadurch für das Volk ersehen könne. Er wollte dasselbe nicht täuschen, aber wünschte es wie Cicero bei seinem alten Glauben erhalten zu sehen, weil er diesen für das politische Wohl Roms nothwendig hielt. Dieselbe Politik verfolgten die Kaiser, Augustus suchte eifrig die Staatsreligion durch Geseze und eignes Beispiel zu befestigen, Nero brachte den Göttern reichliche Opfer, der Adel blieb durch seine Mitgliedschaft der höhern Priestercollegien persönlich beim Cultus betheiligt. Aber die Skepsis ergriff gleichwohl immer weitere Kreise, Polybius rechnete es zwar unter die Vorzüge des römischen Staates, daß alle seine Einrichtungen auf den Glauben an die Götter gegründet seien, aber meinte, es sei von vornherein um der Masse willen geschehen, die leichtsinnig, zum Zorn und

zur Ausschweifung geneigt sei und nur durch unsichtbare Scheidemittel im Zaun gehalten werden könne, und noch offener sprach es Strabo aus, man könne den Haufen eben nicht durch Philosophie zur Gottesfurcht und Tugend führen, sondern nur durch Aberglauben, durch Fabeleien und Wundergeschichten, aus solchen aber bestehe die ganze Götterlehre.

Im Fortgang der Zeit wurde dies die allgemeine Auffassung, welche Plutarch, der selbst am alten Götterglauben festhielt, schroff so kennzeichnet: »Man erhenchelt Gebet und Anbetung aus Furcht vor der Menge und spricht Worte aus, die der eignen Ueberzeugung zuwider sind, indem man opfert, erscheint der schlachtende Priester nur wie ein Koch.<«< Aber dieser äußerliche Cultus entbehrte eben jedes innern Haltes, das Volk lernte all mälig fühlen, daß die Theilnahme der höhern Stände an demselben eine berechnete Heuchelei sei; wie er zur Erhaltung des Bestandes von Rom helfen sollte, so hatte er auch wiederum den Bestand des römischen Staats zur Voraussetzung. Als dieser nun abgesehen von der religiösen Skepsis unwiderstehlich seiner Auflösung entgegenging; mußte auch die einzige übergebliebene Bedeutung des Cultus fallen und dies geschah schon bevor das Christenthum in ernstren Conflict mit der herkömmlich noch fest= gehaltnen Staatsreligion trat.

Bei allen Nationen also, welche als die Hauptträger der Bildung im Alterthume erscheinen, finden wir die engste Verbindung von Staat und Religion, weil allen die Macht des Glaubens über die Gemüther der Menschen klar war, klar, daß wo das religiöse Element fehlt, das sich in Treue und Glauben, Zucht und Sitte, Hingabe an Andre kund gibt, auch der Staat nicht gedeihen kann; für alle das Gemeinwesen tragende moralischen Kräfte wird die Quelle wie der Schuß in der Religion gefunden. Aber bei allen diesen Völkern war die Religion rein national, als Naturreligion hatte sie auch den natürlichen Volksgeist zu ihrer Basis, nur das Mitglied dieser speciellen Volksgemeinschaft hatte Verkehr mit den vaterländischen Göttern, konnte von ihnen Gutes erwarten, fremde Völker mögen ihre Götter haben und behalten, man will sie darin nicht stören, schließt sich aber politisch wie religiös von ihnen ab, so lange nicht politische Rücksich= ten oder Gleichgültigkeit der Aufnahme fremder Culte den Weg öffnen. Endlich aber bringen alle, wie Hundeshagen treffend

bemerkt, das Gefühl der Abhängigkeit vom Göttlichen worin die Religion besteht wesentlich unter den doppelten Ausdruck der Macht der Götter und der Furcht der Menschen vor dieser Macht. Wohl gelten die Götter als Wächter der Gerechtigkeit und Rächer des Bösen, der Blutschuld, des Meineids und ähnlicher Verbrechen, die Geseze stehen unter ihrer Obhut und durch ihr Gebot werden löbliche Sitten geheiligt, aber der Mensch zieht sie doch stets in die Kämpfe hinein, in denen sein Leben selbst verläuft, die Predigt sittlicher Idealität um ihres eigenen Werthes willen war nicht Sache der alten Religionen; wo wir ihr begegnen ist es in der Philosophie einzelner hervorragender Geister, welche eben in der Volksanschauung keine Befriedigung gefunden haben. In allen diesen Punkten finden wir das grade Widerspiel im Christenthum, doch ehe wir auf das Princip seiner Stellung zum Staat eingehen, haben wir uns noch kurz mit seinem Vorläufer, dem Judenthum auseinanderzusehen, welches sich ebenfalls auf das schärfste von allen heidnischen Religionen abzeichnet.

3. Die israelitische Theokratie.

Die weltgeschichtliche Bestimmung des israelitischen Volkes war inmitten der Heidenwelt den Monotheismus, den Glauben an den einen und wahren Gott zu bewahren bis die Zeit erfüllt war, wo dieser Glaube durch die Sendung Christi seine Vollendung erhalten sollte, und diese ausschließlich religiöse Mission des Volkes bedingte die Nothwendigkeit einer theokratischen Verfassung. Die Kastenstaaten des Orients, die katholische Kirche des Mittelalters zeigen uns das Bild einer Hierarchie, die Dalai-Lamas, die behaupten, daß Gott sich fortwährend in ihnen verkörpre, sind betrogne Betrüger, Israel ist die einzige wahre Theokratie, die bestanden hat, das einzige geschichtliche Beispiel eines von der Religion vollständig bedingten Gemeinwesens. Gott selbst und nur er ist wahrer König und Herrscher des Volkes, die irdischen Richter, Könige, Priester sind nur seine Stellvertreter, deren Regiment deshalb vielfach wechselt; nur eine solche Durchdringung aller socialen und politischen Institutionen durch die eine maßgebende religiöse Idee war im Stande den providentiellen Beruf des Volkes zu verwirklichen.

Diese Auffassung ist zwar durch die neuere Kritik geläugnet. Man hat darauf hingewiesen, daß auch andre Völker einen oberften Gott Indra, Bramah, Kneph, Zeus gehabt, Moses, in die Geheimnisse der egyptischen Priester eingeweiht, sei nur der überlegne Geist gewesen, der diesen Gedanken des obersten Gottes zu dem des Einzigen gesteigert und die Kühnheit gehabt den Monotheismus zur Grundlage der Religion eines ganzen Volks zu machen, indem er demselben im Gegensatz zu den egyptischen Göttern, Jehova als den vergeßnen Gott ihrer Väter, Abrahams, Isaaks und Jacobs in der alten, wieder zu gewinnenden Heimath

gepredigt habe. Er habe dann das Priesterthum als erblichen Stand eingesezt, das eine ganz ähnliche, nur noch bedeutendere Stellung gehabt habe als in den Kastenstaaten und aufgeklärter als die indischen und egyptischen Priester die ganze Entwicklung des Volkes nach einem bestimmten religiösen Gesichtspunkt geleitet habe. Als dasselbe sich seiner Aufgabe nicht mehr gewach sen zeigte, habe Samuel die Prophetenschulen gegründet und durch die Propheten sei auch in den Zeiten des Verfalls der monotheistische Gedanke in seiner Reinheit erhalten. In diesem richtigen Gedanken habe allerdings die Nothwendigkeit gelegen, daß später einmal der Glaube an einen Gott alle nationalen Schranken durchbreche, den Juden aber sei Jehova grade so ein ausschließlich nationaler Gott gewesen wie den Indern Bramah oder den Griechen Zeus. Erst unter dem Druck des Erils, der babylonischen Gefangenschaft sei die Idee aufgetaucht, diesen Gott auch als den andrer Völker aufzufassen, die Sehnsucht nach der Erlösung aus der Verbannung habe die Hoffnung auf einen Erretter gezeitigt, erst damals sei die Messiasidee entstanden, die Propheten hätten nur auf einen irdischen König gehofft, der das Volk aus der Gefangenschaft zu neuer nationaler Macht und Herrlichkeit führe.

Ist diese Auffassung richtig, dann allerdings fällt die ganze Idee der Theokratie, die Geschichte Israels wird zu der einer Hierarchie; ich läugne dies aber und nicht etwa weil ich das Recht der Kritik der Schriften des Alten Testaments bestreite, das ich vielmehr vollkommen anerkenne. Die Idee einer mechanischen Inspiration, wonach die heilige Schrift durch Gott dictirt sei, ist unhaltbar und unvereinbar mit den unzweifelhaften Widersprüchen der verschiedenen Schriftsteller im Einzelnen; die Entstehung und Abfassung der Bücher des Alten Testaments nach Zeit, Ort und Personen ist Sache der geschichtlichen Untersuchung und wissenschaftlichen Prüfung, der Glaube an den göttlichen Inhalt der Schrift in menschlicher Form hat nur dann seine volle Berechtigung, wenn jene Schriften die Feuerprobe der Kritik bestanden, und es müßte schlecht um ihren ewigen Gehalt bestellt sein, wenn sie dies nicht könnten; mit einem bloßen Machtspruch, daß solche kritische Prüfung Vermessenheit sei, wird man dieselbe nicht entwaffnen, um so weniger, da notorisch die bedeutendsten Kirchenväter Origenes, Clemens von Alexandrien, Hie

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