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der von ihr auf Lebenszeit erwählten Aeltesten, welche theils. Laien, theils Geistliche sind und untereinander gleichberechtigt, zusammen den Vorstand, (die kirk session) der Ortsgemeinde (congregation), wählen. Eine Anzahl benachbarter Gemeinden stehen unter dem Presbyterium, welches aus dem Pfarrer des Bezirks und so vielen Laienältesten, als es Gemeinden sind, besteht. Die sämmtlichen Mitglieder der Presbyterien treten zweimal jährlich zur Provinzialsynode zusammen und wählen auch die Abgeordneten zur Generalsynode, welche als die höchste Gewalt in der Kirche und als die Kirche (kirk) selbst betrachtet wird. Die Anlehnung an die calvinische und hugenottische Kirchenverfassung ist klar, dagegen Schottland eigenthümlich die unbedingte Gleichstellung der Laienältesten mit den Pfarrern und die Verlegung des Schwerpunktes in die Bezirkssynode, das Presbyterium, während in Frankreich diesen die Provinzialsynode bildet. Namentlich ist charakteristisch die scharfe Scheidung vom weltlichen und geistlichen Regiment, es wird von vornherein anerkannt, daß beide von Gott geordnet seien, ebenso bestimmt aber die volle Autonomie der Kirche dem Staat gegenüber ge= fordert, es wird gradezu ausgesprochen, daß es zwei Königreiche in Schottland gebe, von denen das eine durch die Kirche gebildet werde, deren Unterthan auch der König sei, wolle er die Herrschaft über diese neben seiner weltlichen beanspruchen, so werde er beide verlieren. Es lag diese Anschauung im Geiste der schottischen Reformation, wurde aber zur unabweislichen Nothwendigkeit durch die ihr feindliche Haltung der Dynastie, es war unmöglich, bigott katholischen Souveränen ein Mitregierungsrecht in der Kirche einzuräumen. Knox war vollkommen berechtigt dem Minister, welcher behauptete, daß Unterthanen sich nicht ohne Erlaubniß der Krone versammeln dürften, zu erwiedern: »Wir wissen, was wir zu fürchten haben, wenn die Freiheit der Kirche von der Königin abhängt, man wird uns nicht nur unsre Versammlungen verbieten, sondern auch die Predigt des Evangeliums.<<

Maria Stuart, die nach dem Tode ihrer Mutter und ihres Gemahls die Regierung übernommen, stand, in den Traditionen der Guisen erzogen, mit tiefster Abneigung der schottischen Reformation wie Verfassung gegenüber, sie mußte sich in beide fügen, nur mit Mühe errang sie das Zugeständniß einer Privat

Geffden, Staat und Kirche.

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messe in ihrem Palast, aber sie sah in dem Zustand nur eine durch Rebellion triumphirende Keßerei und trat in enge Verbindung mit den katholischen Mächten, um die alte Religion in Schottland und kraft ihres Erbrechts später auch in England herzustellen, ein Versuch, der zu ihrem Untergang führte. Diese Kämpfe befestigten den autonomen Charakter, den die schottische Kirche von ihrer Gründung an gehabt hatte, der Versuch der Regentschaft, die bischöfliche Verfassung wiederherzustellen, scheiterte, erst mit Jacobs Thronbesteigung begannen die Kämpfe, welche die folgende Epoche erfüllen und zum schließlichen Siege der Reformation in dem nunmehr vereinten Großbrittannien führen sollten.

14. Die Kämpfe des 17. Jahrhunderts.

Im Anfang des 17. Jahrhunderts stand die Sache zwischen Protestantismus und Katholicismus so, daß der erstre das nördliche Europa behauptete, der lettre das südliche, aber außerdem in dem dazwischen liegenden streitigen Gebiete große Rückeroberungen gemacht hatte; auch in den nächsten Jahrzehnten blieb die von den Jesuiten geleitete Hierarchie im Fortschreiten, in Polen, wo die Stände und Städte bereits ganz protestantisch waren, wußte der Cardinallegat Bolognetto bei der katholisch gebliebnen Krone die Ausschließung der Protestanten von allen öffentlichen Aemtern und die Rückgabe aller protestantischen Kirchen durchzusehen, der bewaffnete Widerstand der Stände ward durch Sigismund III. niedergeschlagen, die Jesuiten bemächtigten sich des Unterrichts, nur noch in einzelnen Städten hielten sich die Protestanten. Den gleichen Gang nahmen die Dinge in Desterreich, Erzherzog Ferdinand begann nach dem Princip des Augsburger Religionsfriedens den katholischen Glauben in seinen Erblanden Steiermark, Kärnthen und Krain wieder allein herrschend zu machen, nirgends ward evangelischer Gottesdienst geduldet, dann erschienen von 1599-1603 Reformationscommissionen in Ober- und Unter-Oesterreich, welche dort die gleiche Arbeit thaten, in Böhmen wurden die Kirchen der mährischen Brüder geschlossen, in Ungarn schritt man zur Gewalt gegen die Protestanten; und mit diesen Siegen fühlte die katholische Reaktion sich stark genug auch wieder in die Reichsangelegenheiten einzugreifen, im Reichskammergericht erhielten die Katholiken die Majorität und interpretirten den Augsburger Religionsfrieden in ihrem Sinn, auf dem Reichstag von Regensburg von 1608 wollte der seinen kaiserlichen Vater vertretende Erzherzog Fer

dinand den Religionsfrieden nur unter der Bedingung bestätigen, daß nunmehr auch wirklich dessen geistlicher Vorbehalt ausgeführt und die protestantischerseits eingezognen Stifter und Bisthümer herausgegeben würden.

Wir stehen hiemit an der Schwelle des bald darauf ausbrechenden Kampfes, der Deutschland dreißig Jahre hindurch bis zur äußersten Erschöpfung verwüsten, die nationale Cultur um Jahrhunderte zurückwerfen und das Reich zum Spielball auswärtiger Mächte machen sollte. Es ist hier nicht der Ort die Wechselfälle des Krieges zu verfolgen, aber es verlohnt sich wohl zu fragen, worin es begründet war, daß troß der schwierigen innern Verhältnisse der österreichischen Erblande der Katholicismus während der ersten Hälfte dieses Zeitraums einen Sieg nach dem andern gewann, daß auch, nachdem seine Macht durch Gustav Adolfs Intervention tief geschwächt war, der deutsche Protestantismus die Gunst der Lage nicht zu benußen wußte und nur durch den verhängnißvollen Schuß Richelieu's vor einer schließlichen Niederlage bewahrt blieb?

Unzweifelhaft lag das entscheidende Moment darin, daß der Katholicismus in sich einig, durch die Jesuiten klug geleitet und monarchisch organisirt war, während die protestantische Welt seit Elisabeth's Tode kein Haupt mehr besaß und tief in sich entzweit war, so daß Lutheraner und Reformirte sich theilweise feindseliger gegenüberstanden als dem Katholicismus. Die polemische Tendenz gegen den Calvinismus war in der lutherischen Kirche in dem Maße gestiegen, als mit der Ausbildung des Episcopalsystems die Theologen allmächtig wurden. Sie erschöpfte ihre Kraft im scholastischen Ausbau der Dogmatik und der Entscheidung von Controversen auf der Grundlage der mechanischen Inspiration der heil. Schrift. Bei allem Pochen auf die reine Lehre ignorirte man, daß Luther die großartige Freiheit seines Wesens auch da bewährt, als er ein kritisches Urtheil über den Werth der einzelnen Bücher der Schrift wagte, anstatt hieran anzuknüpfen und das Princip der Norm der Schrift für den Glauben durch den Beweis der Echtheit ihrer Bücher zu begründen, behauptete man, daß jedes Wort derselben unbedingt von Gott eingegeben, die Schrift daher in allen Punkten absolut irrthumsfrei, selbst im Styl vollkommen sei und übersah, daß man sich damit vielmehr auf den Standpunkt Calvins stellte.

Der Natur der Sache nach kam die lutherische Polemik damit sogar den katholischen Theologen gegenüber in Nachtheil, welche die Schrift nur als einen Theil des kirchlichen Gesammtlebens betrachteten und bei dem ihnen zur Seite stehenden Correctiv der Tradition und der Unfehlbarkeit der Kirche eine Unterscheidung des Wesentlichen vom Unwesentlichen in der Bibel zugeben konnten. Der lutherische Standpunkt aber mußte zu einer Intoleranz und Beschränktheit führen, welche jedes selbständige wissenschaftliche Urtheil und alle Andersdenkenden verdammte. Als Gregor XIII. nach den Entdeckungen des Copernicus seinen verbesserten Kalender einzuführen suchte, weigerten die Protestanten sich diese vom Antichrist kommende Neuerung anzunehmen. »Sollte es dem Pabst gelingen, hieß es in dem Bedenken der Tübinger theologischen Facultät von 1583, uns den Kalender unter Kaiserlicher Majestät Namen und Autorität an den Hals zu werfen, so würde er uns das Band an die Hörner bringen, daß wir uns seiner Tyrannei in der Kirche Gottes nicht lange erwehren möchten.<< Die wissenschaftliche Bildung der höhern Stände sank mit dem einreißenden Formalismus in den Gymnasien, wo die deutsche Sprache fast verpönt, die griechische nur dürftig betrieben und aller Fleiß auf lateinisches Disputiren verwandt ward. Wohl bot auch in dieser Zeit die deutsche Bibel dem deutschen Volk ihren unerschöpflichen Trost, wohl blühte noch das Kirchenlied, welches der lutherischen Kirche den Namen der singenden gegeben, aber ihre eigentlich schöpferische Kraft war versiegt. Während die Theologen es als ihr Recht in Anspruch nahmen von der Kanzel gegen die Calvinisten, ja selbst gegen Glaubensgenossen, die irgendwie eine eigenthümliche Auffassung vertraten, zu eifern, der Art daß sogar der gut lutherische Johann Arnd als Synkretist und Verwüster der Heerde Christi angegriffen ward, weil er in seinem »wahren Christenthum« Nachdruck auf heiligen Wandel gelegt, verbreiteten sich Rohheit, Aberglauben und Sittenverderbniß in allen Volkskreisen. Die Prediger schämten sich nicht bei Glaubensverschiedenheiten, welche das heutige Geschlecht in ihrer Subtilität kaum fassen möchte, das Volk gegen die sogen. Frrlehrer aufzureizen, die herrschende Partei begnügte sich nicht mit lieblosem Schimpfen, Excommuniciren und Abseßung ihrer Gegner, dieselben wurden verbannt, eingekerkert, ja enthauptet, wie der Hofprediger Johann Funk

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