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Bewegungen, überall erweckte Luthers That und Wort gleichgesinnte Geister, im Sturmschritt breitete sich die Reformation aus. Aber es lag auch in der Natur der Sache, daß die alte Ordnung der Dinge, wie sie im Laufe von Jahrhunderten langsam erwachsen war und sich in festgegliederten Institutionen verkörpert hatte, nicht ohne Kampf das Feld räumen würde, die Grundsäße Luthers wurden vielmehr der Ausgangspunkt einer Weltbewegung, welche noch heute nicht ihren Abschluß gefunden hat. Die römische Kirche mußte, wenn sie sich nicht selbst aufgeben wollte, den Kampf gegen die reformatorischen Grundsäge aufnehmen, sie hat es gethan, führt ihn noch heute und wird ihn fortführen, so lange sie überhaupt besteht. In diesem Kampf kann es Waffenstillstände, Pausen der Erschöpfung geben, keinen wirklichen Frieden, alle wohlgemeinten Versuche die Kirchenspaltung durch gegenseitige Annäherung zu beseitigen, die seitdem gemacht sind, beruhten auf Unklarheit und mußten resultatlos im Sande verlaufen, denn es handelt sich hier nicht um Unterschiede des Grades und Temperaments wie zwischen Gallicanismus und Ultramontanismus, sondern um unvereinbare Gegenfäße des Wesens.

Für den Verlauf dieses Kampfes nun kam alles darauf an, welchen Widerstand die römische Kirche und ihre Anhänger der Reformation entgegenseßen konnten und wie diese selbst sich auf ihrem eignen Boden entwickelte.

12. Die Entwicklung der Reformation.

Das Pabstthum, das um diese Zeit nicht nur die Führung, sondern selbst die Theilnahme an dem religiösen Leben des Abendlandes aufgegeben hatte, mußte durch die Reformation durchaus unvorbereitet überrascht werden. Die Wiedererweckung des Alterthums, wie sie in Italien stattfand, zeigte nichts von der reinigenden sittlichen Macht, welche die klassischen Studien unter dem Einfluß sittlicher Mächte bewähren, Renaissance und Humanismus blieben, mit Ausnahme einzelner tiefer Geister, wie Michel Angelo, in dessen herrlichen Gedichten ein wahrhaft evangelischer Geist weht, ein formgewandtes geistiges Spiel von meist heidnischer Lascivität.

Selbstverständlich war daher die Curie ganz außer Stande, das Wesen der Lehre Luther's zu verstehen; mit der in Italien herrschenden Freigeisterei vertrug es sich vollkommen, das kirchliche Lehrgebäude äußerlich zu respectiren, ja noch auszubauen, aber für den tiefen Glauben und die sittliche Strenge des deutschen Mönches war in Rom kein Boden. Dort wußte man nichts von jenen Thatsachen der innern Erfahrung, auf die er sich berief, seine Auffassung von Sünde und Gnade erschien vielmehr einfach als extravaganter Unsinn, wie dies die Aufzählung seiner 41 Irrthümer in der Bannbulle Exsurge Domine zeigt, welche Luther ohne Gehör verdammte und ihm nur eine Frist von 60 Tagen zum Widerruf gab. Wohl aber fühlte die Curie mit dem sichern Instinct der Selbsterhaltung, daß es sich bei diesem anhebenden Kampf für sie um Sein oder Nichtsein handelte, sie verlor daher keine Zeit, das weltliche Schwert zur Hülfe zu rufen, um die Keßerei zu unterdrücken. Hier ward es nun entscheidend, daß bei dem soeben zum Kaiser erwählten König

von Spanien, Karl I., nunmehr Karl V., alle Momente zusammentrafen, um ihn zum Gegner des Protestantismus zu machen. Er gehörte dem alten Glauben durch Familientradition wie durch persönliche Neigung an, in Flandern geboren und erzogen, hatte er vom deutschen Geiste keinen Begriff, unsre Sprache verstand er nicht, namentlich aber lag der Schwerpunkt seiner Gesammtpolitik nicht im Reich. Seine Wahl hatte die Lage Europa's von Grund aus verändert, lange Zeit hatte der Kampf mit den großen Lehensfürsten und England alle Kräfte des französischen Königthums in Anspruch genommen, jezt war die Staatseinheit hergestellt und ein hochstrebender junger Fürst machte sie zum Mittel einer großen Politik; alles hatte er aufgeboten, um die Kaiserkrone zu erlangen; da er gleichwohl seinem Nebenbuhler weichen mußte, war der Antagonismus der spanisch-habsburgischen Macht und Frankreichs durch die Natur der Dinge gegeben. Karl V. war sich hierüber so klar, daß er sagte, er wolle entweder selbst ein armer Kaiser werden oder den König von Frankreich zum armen Mann machen; dazu kam die Türkengefahr im Often, wo Soliman erobernd herandrängte. Diese Lage wies Fearl darauf hin, alle seine Hülfsquellen zusammenzufassen, und da hiezu die Hülfe der deutschen Fürsten wesentlich war, so mußte er schon vom politischen Standpunkt aus einer religiösen Bewegung ungünstig sein, welche seine Pläne zu durchkreuzen drohte. Um so wichtiger war es ihm, das gute Einvernehmen mit dem Pabste zu erhalten, der sich gleichfalls durch Franz I. italienische Politik gefährdet fühlte und sich schon 1519 mit Karl kurz vor dessen Wahl verständigt. Dazu kam nun, daß dieser seine Stellung als Kaiser ganz im mittelalterlichen Sinne der höchsten Würde der Christenheit auffaßte, Pabst und Kaiser sollten diese gemeinsam regieren, alles Uebel kam nach seiner Ansicht daher, daß so manche Fürsten gegen jene beiden Häupter nicht den gehörigen Respect übten; was dem Mittelalter wegen des Zwistes zwischen Pabstthum und Kaiserthum nicht gelungen, das sollte jezt durch ihre Vereinigung durchgeführt werden. Es war also ganz die alte Idee der Universalmonarchie, die er wiederherstellen wollte, zwar auf andern Grundlagen als die Ottonen, Salier und Staufen, aber doch darauf beruhend, daß, weil es nur einen wahren. Glauben gebe, auch nur eine höchste Gewalt sein dürfe, welche ihn schüße. Karl war dabei zwar keineswegs geneigt, nur den

gehorsamen Sohn der Kirche zu spielen, als Zögling der spanischen Reformation war er für ihre Mängel nicht blind und wollte die Kirchenhoheit, welche seine Vorgänger in ihrem Königreich ausübten, zur alten Kirchenvogtei des römischen Kaisers steigern, aber das Wesen der mittelalterlichen Kirche sollte überall so unangetastet bleiben, wie es in Spanien der Fall gewesen. Die feurige Aufforderung Hutten's an Karl V., sich an die Spiße der Bewegung zu stellen, mußte daher wirkungslos verhallen, der Kaiser haßte dieselbe und hat, wie er ihr gegenüber auch temporisiren mochte, nie die Absicht aufgegeben, sie mit Güte oder Gewalt zu unterdrücken, noch im Kloster von St. Just machte er sich Vorwürfe, daß er dies nicht rechtzeitig gethan. Freilich scheute seine Staatskunst sich nicht, den Protestantismus gegen die Curie zu brauchen, sowohl um dieselbe zu nöthigen, die Kirche im Sinne der spanischen Reformation zu reinigen, als um dem hart bedrängten Pabst große Zugeständnisse auf weltlichem Gebiet abzuringen; als der Nuntius mit der Bannbulle gegen Luther am kaiserlichen Hoflager eintraf, ward ihm der bedeutungsvolle Bescheid, der Kaiser werde sich dem Pabst gefällig zeigen, wenn dieser ihm entgegenkomme und seine Feinde (d. h. Franz I.) nicht unterstüße. Indeß, man verständigte sich. Durch den Wormser Vertrag 1521 überlieferte Leo X. Karl Mailand und Neapel und dieser übernahm die Verpflichtung, die Reformation zu unterdrücken, »alles Unrecht, das dem apostolischen Stuhle zugefügt worden, zu rächen, als geschehe es ihm selber.<< Von dem Tage dieses Bündnisses datirte die Achterklärung, die über Luther erging, und als derselbe doch nicht hingerichtet ward, glaubte man in Italien charakteristischer Weise nicht etwa, der Kaiser habe ihm. das zugesicherte freie Geleit halten wollen, sondern derselbe wolle ihn sich reserviren, um eventuell weitre Zugeständnisse von Rom zu erpressen. Das war nun freilich keineswegs der Fall, der Bund von Kaiserthum und Pabstthum wurde durch die bald darauf erfolgte Wahl Hadrian's VI., des Lehrers Karl's und Großinquisitors von Spanien, nur befestigt und erlitt auch durch die zeitweiligen Mißhelligkeiten des Kaisers mit dessen Nachfolgern keine Störung. Die Folgen dieses Bundes waren für Deutschland überaus traurig, denn das kaum eingesezte Reichsregiment ward neutralisirt, die beabsichtigte allgemeine Reichsversammlung kam nicht zu Stande, andrerseits waren Kaiser und Pabst doch

nicht stark genug, die Fürsten zu strafen, welche die Reformation schüßten, geschweige dieselbe zu unterdrücken, auf dem Reichstag von Speier stimmten sogar die bischöflichen Mitglieder des Ausschusses weitgehenden Concessionen zu, schließlich kam es denn zu dem Beschluß, daß jeder Stand hinsichtlich des Wormser Edictes »so leben, regieren und es halten möge, wie er es gegen Gott und Kaiserliche Majestät zu verantworten sich getraue.<< Hierdurch ward einmal das Princip der territorialen Entwicklung auch für die religiöse Frage maßgebend, statt einer erneuerten Reichskirche bildete sich eine Vielheit von neuen Landeskirchen, andrerseits aber eine neue Ursache der Spaltung in das Reich geworfen, Bündnisse und Gegenbündnisse wurden geschlossen unter den Anhängern und Widersachern der neuen Lehre, die Bildung jeder einheitlichen Centralgewalt ward unmöglich, indem naturgemäß die protestantischen Stände mit Mißtrauen auf den Kaiser als das Haupt der katholischen Partei sahen und darauf ausgehen mußten, seine Macht zu schwächen, zumal dies der einzige Punkt war, in dem sie bei ihren katholischen Mitständen Unterstüßung fanden. Indem nun später durch den Augsburger Religionsfrieden (1555) auch festgeseht ward, daß in Religionssachen keine Mehrheitsbeschlüsse gefaßt werden sollten, alle Kriege der nächsten Jahrhunderte aber Religionskriege waren, blieb das Reich fortan in allen großen politischen Fragen neutral und nur die einzelnen Landesherren nahmen an denselben Theil, meist im Anschluß an auswärtige Mächte. So begann die Reihe der Einmischungen derselben, die mit der Unterstüynng Philipp's von Hessen durch Franz I. anhebt und erst in unsern Tagen ihren Abschluß gefunden hat. Und wie der Kaiser und die deutschen Fürsten, so nahmen auch die übrigen Staatsgewalten für oder gegen die Reformation Partei, je nachdem sie ihr oder der alten Lehre zugethan waren und die politischen Folgen der reformatorischen Grundsäge fürchteten oder begünstigten, die nationalen Gegensäße traten zurück, Europa spaltete sich in zwei große kirchliche Heerlager. So unheilvoll indeß dies territoriale Princip in politischer wie kirchlicher Beziehung geworden ist, so läßt sich doch nicht leugnen, daß bei der Feindseligkeit des Kaisers das Emporkommen des Protestantismus allein durch die Reichsstände möglich ward, welche dem Wormser Edict die Ausführung versagten. So lange die Stellung der Reichsgewalt noch in der

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