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kann also kein weltliches Gesetzgebungsrecht noch Gerichtsbarkeit, der Pabst keinerlei weltliche Gewalt beanspruchen, sowenig dies die Apostel gethan, die Krönung des Kaisers räumt ihm nicht mehr Recht über denselben ein als die Salbung des Königs von Frankreich dem Erzbischof von Rheims über diesen. Als Autorität der Kirche, welche als die Gesammtheit der Gläubigen, sowohl Laien als Geistlichen bestimmt wird, anerkennt Marsilius nur die Bibel und die Concilien, nicht die Decrete der Päbste, die sich widersprechen. Die päbstliche Würde ist zweckmäßig um die Einheit der Kirche zu erhalten, aber sie ist ein Ergebniß der Geschichte, nicht göttlichen Ursprungs, die Apostel sind in ihrer Stellung gleich gewesen, haben nicht Petri Bestätigung gebraucht. Der Pabst steht unter dem Concil, ist nur dessen Commissar, nicht er soll dasselbe berufen, sondern die christliche Staatsgewalt und dabei Laien zuziehen. Ebenso verlangt er im engern Kreise, daß die Gemeinde ihre Priester wähle und ohne ihre Zustimmung keine Excommunication ausgesprochen werden könne.

Die kühnen reformatorischen Ideen dieser Schrift fanden damals noch keinen empfänglichen Boden, weil die Bewegung sich noch nicht gegen die kirchliche Stellung des Pabstes gewandt hatte. Als Ludwig diese angriff, indem er Johann für einen Irrlehrer erklärte, fand er nirgend Unterstüßung.

Nun aber gerieth das Pabstthum auf seinem eignen Gebiet in eine Verwirrung und Schwäche, welche dasselbe von den politischen Mächten abhängig machte, welche sich bisher nur gegen seine Eingriffe auf ihr Gebiet vertheidigt hatten. Nach der kurzen Regierung des Nachfolgers von Bonifaz VIII., Benedikt's XI., brauchte Philipp der Schöne seine gewonnene Macht um die Wahl des Erzbischofs von Bordeaux als Clemens V. durchzusehen, der alle seine Forderungen bewilligte, namentlich dem König den Zehnten von allen geistlichen Gütern auf fünf Jahre zugestehen und die Aufhebung des Tempelherrn-Ordens bestätigen mußte, welche ein Concil zu Vienne ausgesprochen hatte. Unstreitig konnte diesem Orden Entartung vorgeworfen werden, die geistlichen Ritterorden hatten sich überhaupt meist überlebt, seit der Zweck, für den sie gestiftet,1) die Vertheidigung der Christen

1) Eine Ausnahme machte nur der deutsche Ordensstaat, in welchem alle kirchlichen Functionen von Mitgliedern des Ordens vollzogen wurden, die eben

heit durch Bekämpfung von Heidenthum und Islam nicht mehr verfolgt ward; aber der Proceß gegen die Templer bleibt nichts desto weniger eine Gewaltthat, Philipp wollte um die Macht der Krone zu befestigen den Staat im Staate brechen, welchen der Orden bildete, und durch Einziehung seiner Güter die eignen Finanzen heben. Indem der Pabst selbst die Hand dazu bieten. mußte diesen Willkürakt zu legalisiren, half er das geistliche Ritterthum zerstören, welches soviel beigetragen die Hierarchie auf ihren Gipfel zu bringen. Namentlich aber ward es von Bedeutung, daß Clemens der erste Pabst war, der nicht nach Rom kam, sondern seinen Sig in Avignon aufschlug, wo auch seine sechs nächsten Nachfolger residirten. Noch heute steht dort der päbst= liche Pallast, ein Gemisch von Kloster und Castell, nach Außen vollständig erhalten, im Innern seit der französischen Revolution zu einer Kaserne umgewandelt, noch heute sieht man einzelne Reste der Fresken, mit denen Giotto und Luca di Siena die Mauern geschmückt, noch heute die von den Schwefeldämpfen geschwärzten Gewölbe, in denen man das Geschrei der Opfer der päbstlichen Folter erstickte. Mit Recht wird diese Epoche des Pabstthums die babylonische Gefangenschaft der römischen Kirche genannt, denn während die Päbste dort große Reichthümer er- . warben, namentlich durch die 1319 von Johann XXII. verfügte Einführung der Annalen, wonach von allen Pfründen der ganzen Christenheit die Einkünfte des ersten Jahres an die päbstliche Schazkammer abgeliefert werden mußten, 1) während sie die Stadt und Grafschaft von Avignon und Venaissia erwarben, wurden sie die Vasallen der Könige von Frankreich, ja, wie ein zeitgenössischer Schriftsteller sagt, Diener von Dienern französischer Großen und hiedurch sowie durch ihr lasterhaftes Leben in deu Augen der Welt immer mehr verächtlich. Während dieser Periode war Rom der Schauplag heftiger Kämpfe aristokratischer Parteien, dann einer abentheuerlichen Republik, an deren Spize

zugleich Geistliche sein konnten; alle Bisthümer waren mit solchen bescht, der Clerus verkehrte nur durch den Orden mit dem Pabst, so blieb der geschlossnen Einheit dieses geistlichen Staates der Kampf mit der Kirche erspart. cf. Treitschke, Aufsätze II. S. 15.

1) Um diese Quelle noch ergiebiger zu machen wurden zahlreiche Verseßungen verfügt, so daß die Vacanz einer höhern Pfründe ziemlich regelmäßig die von 3-4 andern nach sich zog.

der eitle Phantast Cola di Rienzi als Tribun stand, nach seinem Sturz ward die Sehnsucht allgemein, das Pabstthum nach Rom zurückkehren zu sehen, denn so verderblich dasselbe für Italien geworden war, so gewinnbringend war es für die ewige Stadt gewesen, in Folge des Erils hatte dieselbe alle Vortheile verloren, die es ihr brachte Mittelpunkt der Christenheit zu sein, und war tief herabgekommen. Zweimal versuchten die in Avignon residirenden Päbste nach Rom zurückzukehren, aber Urban V. floh vor ausbrechenden Unruhen und Gregor XI. starb bald nachdem er von den Römern im Triumph eingeholt. Nach seinem Tode sezten diese die Wahl eines Italieners von den eingeschüchterten Cardinälen durch, obwohl von ihnen 17 Franzosen und nur 4 Italiener waren. Als aber der Erwählte, Urban VI. den Franzosen scharf entgegentrat, vernichteten sie seine Wahl als unfrei und wählten Clemens VII., der nach Avignon zurückging, und nun trat das große Schisma ein, welches 55 Jahre dauerte. Dasselbe mußte die ganze Stellung des Pabstthums auf das tiefste schädigen; was seiner behaupteten göttlichen Autorität die festeste Stüße im Bewußtsein der abendländischen Christenheit gab, war die Continuität seiner Stellung, welche bis auf Petrus zurückzureichen schien, und die Einheit seines Regimentes. Dieser majestätische geschichtliche Zusammenhang aber war zerrissen, diese imposante Einheit, wie sie sich in der Regierung der großen Päbste darstellte, gebrochen, sobald zwei monarchische Gewalten. in der Kirche auftraten, von denen jede beanspruchte, die echte zu sein. Nothwendiger Weise konnte nur ein Pabst der Statthalter Christi sein, der andere, welcher dasselbe zu sein behauptete, mußte ein Verführer und Antichrist sein, damit fiel das ganze System der durch den heil. Geist geleiteten unfehlbaren Wahl, die Gebrechlichkeit der Institution selbst war aufgedeckt, welche göttliche Einsehung und demzufolge die höchste richterliche und Regierungsgewalt auf Erden in Anspruch nahm, der Zauber, den sie bisher ausgeübt, mußte auch für das blödeste Auge vernichtet werden. Man kann sich heute schwer einen Begriff von der Furchtbarkeit dieses Zustandes für die damalige Zeit machen. Schon der Zweifel über die Rechtmäßigkeit eines Herrschers zerrüttet ein Land, die Noth dieser Kirchenspaltung ergriff die ganze Christenheit und stellte den gesammten Rechtszustand der Kirche in Frage. Die Zwieträchtigkeit im obersten Regimente mußte

sich auf die ganze Kirche übertragen, wie die beiden Päbste, so befehdeten und verfluchten sich die Cardinäle, welche zu dem einen oder dem anderen hielten, die Bischofsstühle waren getheilt, indem der eine Pabst diesen, der andere jenen beseßte, jeder der Gegenpäbste suchte die Anerkennung der weltlichen Gewalten mit allen möglichen Mitteln zu erkaufen, ein System, welches Lorenz treffend das der Obedienzbewerbung nennt. Frankreich, Schottland, Savoyen, Lothringen, Castilien, Arragon und Neapel anerkannten Clemens VII., das übrige Italien, Deutschland, England, Dänemark, Schweden, Polen, Preußen Urban VI., es entstand eine grenzenlose Verwirrung.

Eine Macht, die so in sich gespalten war wie damals das Pabstthum, konnte nicht aus sich selbst wieder zur Einheit gelangen, der Streit der Gegenpäbste konnte nur durch die Macht einer Repräsentation der gesammten Kirche geschlichtet werden, man versuchte daher auf die ältere Zeit der christlichen Kirche zurückzugehen, wo die Einheit der Kirche durch den versammelten Episcopat vertreten war. Wir sahen, wie Marsilius von Padua die conciliare Idee vertrat, Ludwig selbst hatte wiederholt an ein Concilium appellirt, da der Pabst zugleich als Partei und Richter auftrete, Erzbischof Baldewin von Trier hatte sich 1334 zu gleichem Zwecke an die italienischen Cardinäle gewandt um den Streit zwischen Kaiser und Pabst beizulegen.

Das Schisma förderte diese Idee, während desselben hatte sich die französische Kirche ohne Pabst mit geordnetem Instanzenzug innerhalb des Landes eingerichtet und damit den Beweis geliefert, daß ein nationales Kirchenthum zur Noth ohne Rom bestehen könne. Da aber immerhin die gallikanische Kirche nur ein Glied der gesammten christlichen sein wollte, so machte sich doch in ihr das Bedürfniß geltend, die Spaltung, unter der die Christenheit so schwer litt, zu heilen. Die Pariser Universität vornehm lich nahm hier die Führung, ihr berühmter Kanzler Gerson legte in seiner Schrift über die Reformation der Kirche dar, daß der Pabst nicht über alle weltliche Macht erhaben sei und noch weniger über das Evangelium, man dürfe ihn vielmehr entfernen, wenn das Wohl der Kirche es verlange, auch sei er keineswegs allein berechtigt ein Concil zu berufen, zumal wenn es über ihn urtheilen solle, von diesem aber allein könne unter den gegenwärtigen Umständen die Reformation der Kirche ausgehen. Diese

Ansichten widersprachen durchaus denen, welche der ausgebildete päbstliche Supremat bisher behauptet, wonach nur durch den Pabst ein Concil berufen werden konnte, dem keine Gewalt über ihn zustand, aber die Noth der Zeit trieb dazu mit dieser Tradition zu brechen. Auf Antrieb der Universität und des Königs von Frankreich kam es zu einer Versöhnung der Cardinäle beider Gegenpäbste, welche ein allgemeines Concil nach Pisa beriefen. Zwar gelang es diesem noch nicht das Schisma zu beseitigen, vielmehr trat der von ihm gewählte Pabst zunächst nur als dritter den beiden andern zur Seite, aber diese Kirchenversammlung bildete nur die Einleitung zu der viel wichtigeren, welche vom Kaiser Sigismund und Johann XXIII. berufen 1414 in Constanz zusammentrat. Wie es die weltlichen Gewalten waren, welche das Concil besonders betrieben und auf demselben nachdrücklich die Abstellung der Mißbräuche forderten, so ward gemäß der die Zeit beherrschenden nationalen Strömung dort die Abstimmung nach Nationen, nicht nach Köpfen beliebt, namentlich damit nicht durch die am zahlreichsten vertretnen Italiener jede Reform vereitelt werde. Jede der Nationen, die französische, die englische, die deutsche, die italienische, später (1416) auch die spanische berieth in vorbereitenden Versammlungen über ihr Votum, die Gesammtbeschlüsse sollten gefaßt werden »secundum maiorem et saniorem partem votorum, facta collatione zeli et numeri.<< Die Cardinäle, welche verlangten, daß man ihnen neben den Nationen wenigstens eine Gesammtstimme zugestehe, drangen hiemit nicht durch, erst später gestattete man ihnen außer der Theilnahme an ihren Nationen gesonderte Berathungen und holte mehr der Form wegen ihr Placet ein.

Die Versammlung definirte nun zunächst ihre Vollmacht, indem sie erklärte, daß ein allgemeines Concil seine Macht unmittelbar von Christus habe, daß Jeder, weß Standes und welcher Würde er auch sei, selbst der Pabst, verpflichtet sie, ihm in Allem zu gehorchen, was sich auf den Glauben, die Beseitigung der Kirchenspaltung und die Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern beziehe (30. März 1415). Sodann ging sie an ihre fachlichen Aufgaben, 1) drei Dinge wurden von ihr erwartet:

1) Raumer. Die großen Kirchenversammlungen des 15. Jahrh. Histor. Taschenb. 1840. Hübler. Die Constanzer Reformation 1867.

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