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Organisation von Behörden der spätern Curie, der römische Clerus war ebenso zusammengesett, wie jeder andre. Niemand dachte daran sich durch den römischen Bischof von der Erfüllung kirchlicher Vorschriften entbinden zu lassen, Niemand bezahlte Abgaben an ihn, er vermochte keine Person aus der Gemeinschaft der ganzen Kirche auszuschließen, wenn er einzelnen Bischöfen oder Provinzialkirchen die Gemeinschaft kündigte, so blieb dies ohne rechtliche Folge für deren Verhältniß zu andern Bischöfen und Kirchen, troß des wachsenden Ansehens des römischen Stuhles behaupteten die armenische, die syrische, die äthiopische, die irische und altbritische Kirche ihre Autonomie noch Jahrhunderte lang, selbst ein Mann wie Gregor I. dachte nicht daran in die kirchlichen Kreise der andern Patriarchen, Metropoliten und Bischöfe einzugreifen, er wies mit Entrüstung den Titel eines allgemeinen Bischofs zurück, den ja selbst der Apostel, welchem die Sorge für die ganze Kirche übertragen, nie geführt, »denn, sagte er, es ist klar und von allen frühern römischen Bischöfen wohl eingesehen, daß sobald ein Bischof sich den allgemeinen nennt und er das Unglück hat in irgend einen Frrthum zu verfallen, die ganze Kirche Gefahr läuft, zusammenzustürzen und daß folglich die Einwilligung in den Gebrauch dieses Wortes eine wahre Gotteslästerung und Verläugnung des Glaubens ist« (Ep. ad Eulogium, ad Joannem etc.), er nannte deshalb die Annahme desselben durch den Hofpatriarchen von Byzanz die Usurpation eines frevelhaften und dummen Titels. 1) Die Stellung des römischen Patriarchen, der seit dem 6. Jahrhundert wie schon früher der alexandrinische, vorzugsweise Pabst genannt wird, 2) war die eines primus inter pares; noch 631 theilt Isidor von Sevilla bei der Beschreibung der Kirchenämter, die Bischöfe in vier Klassen, Patriarchen, Erzbischöfe, Metropoliten und Bischöfe, und noch 789 stellt der spanische Abt Beatus die Hierarchie ebenso dar, auch er kennt als oberste Amtsstufe nur die Patriarchen, als deren ersten er den römischen nennt. (Der Pabst und das Concil von Janus. Leipzig 1869, S. 96.)

1) Vocabulum stultum, superbum, pestiferum, profanum, scelestum, imitatio antichristi et usurpatio diabolica.

2) Erst auf einer Synode von Rom 1074 ward übrigens gesetzlich bestimmt: ut Papae nomen unicum esset in universo orbe christiano, nec liceret alicui, se ipsum vel alium eo nomine appellare.

Geffen, Staat und Kirche.

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Mit dem 7. Jahrhundert traten nun zwei Ereignisse ein, welche entscheidend für die fernere Ausbildung des päbstlichen Primats wurden, die Ausbreitung des Islam und die Bekehrung der germanischen Stämme zum katholischen Christenthum. Die erstre vernichtete allmälig die ganze afrikanische und asiatische Kirche, aber dieser Verlust des Christenthums überhaupt, ward zu einem Gewinn für Rom, indem so die Mittelpunkte zerstört wurden, welche gegen dasselbe bisher ihre Selbständigkeit behauptet hatten. Und gleichzeitig breitete sich durch die Mission des römischen Stuhles das Christenthum unter den Germanen aus, indem derselbe mit dem scharfen politischen Blick, den das geistliche Neurom als Erbschaft von Altrom überkommen, in den nordischen Barbaren, welche das sinkende Reich stürzten, die Empfänglichkeit für das Christenthum erkannte und ihre zukunftsreiche Kraft in seinen Dienst stellte. Jene Völker aber empfingen mit dem Evangelium die Lehre, daß der Pabst als Nachfolger Petri das göttlich verordnete Haupt der Kirche sei und in derselben nur stehe, wer sich ihm unterordne. So rückte Rom, während die byzantinische Kirche der Stagnation und Entartung immer mehr verfiel, in den Mittelpunkt der christlichen Welt und alles war für die Ereignisse vorbereitet, welche der römischkatholischen Kirche die Alleinherrschaft im Abendland geben sollten.

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Die deutschen Stämme, welche das westliche Römerreich stürzten, begründeten auf seinen Trümmern Herrschaften, welche sämmtlich nur verhältnißmäßig kurzen Bestand hatten und in denen die germanischen Erobrer mit den romanischen unterworfenen Völkern bald zu neuen Nationalitäten verschmolzen. Von der weitreichendsten Bedeutung ward es nun, daß der stärkste der bisher mit der römischen und christlichen Welt nicht in Berührung getretnen germanischen Stämme, der fränkische, unter der Führung seines Königs Chlodwech und dessen Nachfolger ein Reich aufrichtete, welches vom Golf von Biscaya bis an den Inn und die Saale reichte und zugleich das katholische Christenthum annahm, welchem das bis dahin in zwei Theile gespaltne römische Gallien angehörte. Das Christenthum hatte verhältnißmäßig früh in Gallien Wurzel gefaßt; die druidische Religion war im Verfall, der Dienst der siegreichen Götter Roms noch nicht angenommen, als in Massilia, das von Alters her in genauer Verbindung mit Kleinasien stand, die erste christliche Gemeinde begründet ward; vom Rhonethale verbreitete sich der neue Glaube rasch ins Innere des Landes. Die Erobrer fanden ein durch die Stürme der Völkerwandrung erschöpftes Land, nur ein Stand, die Geistlichkeit, war in dem Verfall der bürgerlichen Ordnung gewachsen, je gebrechlicher die weltliche Gemeinde, desto fester war die kirchliche geworden. In den Bischöfen hatte das Volk die einzigen Vertreter in der Noth gegen die rasch wechselnden Gewalthaber gefunden, sie gehörten ihm an und wurden von ihm und dem Clerus gewählt, sie waren die einzigen Träger der Bildung in dieser Zeit der Barbarei. So er=

schienen sie auch den Franken zugleich als Repräsentanten der romanischen Bevölkerung und der christlichen Gemeinschaft; der eifrige Anschluß der Neubekehrten an diese förderte die Ausbreitung der fränkischen Herrschaft und andererseits fanden die Bischöfe in derselben nur Vortheil; sie waren die Einzigen, deren Stellung durch den Sturz des Römerreichs nicht berührt wurde, sondern an Bedeutung wuchs. Die gallischen Bischöfe hatten zu den ersten gehört, die das oberhoheitliche Recht des Bischofs von Rom anerkannt und ihm selbst dann treu blieben, als sie sich mit der Begründung der Reiche der Westgothen und Burgundionen, die zwei Drittel des Landes einnahmen, der weltlichen Herrschaft der Arianer unterwerfen mußten; durch die katholischen Merovinger gewannen sie fortan im Norden Schuß gegen das früher drohende Heidenthum, im Süden durch die Verdrängung der Westgothen bis über die Garonne und die Unterwerfung der Burgundionen Befreiung von den kezerischen Arianern. So durfte wohl Pabst Anastasius II. die neue Ordnung der Dinge mit Jubel begrüßen, die fränkischen Könige werden die geliebten Söhne ihrer Mutter, der römischen Kirche, ihre eisernen Säulen genannt. So eng wie demnach die Interessen der neuen Dynastie und der Kirche verbunden waren, kann es nicht Wunder nehmen, daß leztre, welche schon unter römischer Herrschaft einen nicht unbeträchtlichen Grundbesit erworben, von den Königen reich ausgestattet ward, die Verlegung kirchlicher Personen und Sachen ward besonders hoch gestraft, das bedeutende Wehrgeld der Geistlichkeit in den Gesezen zeigt ihr steigendes Ansehen, die Sonntagsfeier ward gesetzlich durchgeführt, das kirchliche Asylrecht in weiterm Umfang gewährt, der eines Verbrechens ange= flagte Bischof durfte wohl von der weltlichen Gewalt zur Untersuchung gezogen und verhaftet, aber nur von der Synode verurtheilt werden. Unter den Großen des Reiches nahmen die Bischöfe die erste Stelle ein, ihre Synoden werden vom König veranlaßt, die Beschlüsse derselben werden ihm zur Bestätigung vorgelegt, damit sie zu wirksamer Geltung gelangen. »Die Kirche sieht ein, heißt es in dem Beschluß einer Synode von 590, daß sie unter Mitwirkung des heiligen Geistes durch das Gebot der Fürsten zusammengehalten und gekräftigt wird.«

Wenn aber in diesem Reiche, in welchem altheidnische Traditionen mit christlicher Lehre, sowie die verschiedenen Nationa

litäten untereinander noch im Kampfe lagen und in welchem romanisch-keltische Verdorbenheit sich mit fränkischer Rohheit verband, die Kirche die große civilisatorische Macht war, wenn sie Milde gegen Gefangne und Unfreie predigte und sie loskaufte, für Arme und Kranke sorgte, sich der Wittwen und Waisen annahm, Flüchtlingen ein Asyl gewährte, die Großen, welche das Volk unterdrückten, durch den Bann in Schranken zu halten suchte und dabei keine Verfolgung Irrgläubiger hervorrief, so entging doch auch sie nicht der Verweltlichung und dem sittlichen. Verfall. Durch die Freigebigkeit der Könige, mehr noch durch Stiftungen von Privatpersonen, deren Eifer oder Reue die Geistlichkeit wohl auszubeuten wußte, 1) durch Einverleibung des persönlichen Vermögens der Bischöfe in das Kirchengut, aber auch durch Erbschleicherei und Urkundenfälschung wuchs das Vermögen der Kirche derart, daß man glaubt ihren Grundbesig zu Ende des siebenten Jahrhunderts auf 3 des gesammten Grundeigenthums in Gallien annehmen zu dürfen. (Roth, Beneficialwesen. S. 249.)

Allerdings stand der Staat der Kirche nicht wehrlos gegenüber, die oberhoheitliche Gewalt des Königthums über dieselbe war anerkannt, die Appellation an den römischen Stuhl unterlag seiner besondern Erlaubniß, sämmtliche Geistlichen mußten den Treueid leisten wie alle übrigen Unterthanen, die Kirche hatte kein Gericht im Sinne der öffentlichen Verfassung, aber alles dieses konnte nicht hindern, daß mit dem massenhaft zunehmenden Vermögen, namentlich des Grundbesizes der Kirche, das Verhältniß derselben zum Staate und zur Gemeinde sich sehr ändern mußte.

Was die lettre betraf, so war der. Bischof nicht nur das kirchliche Haupt seiner Diöcese und der von ihm ganz ab

1) Wie durch das Wehrgeld Verbrechen, so wurden durch Schenkungen an die Kirchen die Sünden gesühnt, da die Priester lehrten, alles der Kirche Gegebne sei Gott selbst geschenkt. So schreibt Eligius, Bischof von Noyon, (639) Schenkungen an die Kirche und die Armen allein seien als unverlierbare Güter zu betrachten. „Quod si observaveritis securi in die judicii ante tribunal aeterni judicis venientes dicetis: Da Domine, quia dedimus." Hier ist also das Princip des einfachen Abkaufs aufgestellt, während früher doch wenigstens die Bedingung gestellt ward, daß die Gaben der Barmherzigkeit auch mit zerknirschtem Herzen gegeben werden müßten, um zu nüßen (Salvianus ad ecclesiam etwa 480.)

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