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zwar zuerst das gewaltsame Vorgehen Constantin's gegen die Arianer gefallen, als aber das Blatt sich gegen ihn wendete, ging ihm ein Licht über die Verwerflichkeit des Religionszwanges auf, er bekämpfte denselben lebhaft und anerkannte die Excommunication, die Ausschließung aus der kirchlichen Gemeinschaft als die einzige zulässige Strafe der Kezer. Augustin vertheidigt deren Verfolgung im Princip, wie man denn überhaupt troß aller ausgezeichneten Eigenschaften im Keime die Grundsäße der mittelalterlichen Kirche bei ihm findet, er stellt Natur, Individualität, Familie, Nationalität, Staat als etwas verhältnißmäßig Gleichgültiges hin und ordnet alles der sichtbaren, allgemeinen Kirche unter, außerhalb deren es kein Heil giebt, er stellt die Autorität ihrer Tradition neben die der Schrift, behauptet den sacramentalen Charakter der Ordination und des Priesterstandes. Und wenn er die Vertretung der Kirche noch in die Aristokratie der Bischöfe seßt, so war es, nachdem einmal ein gesonderter Stand der Leviten hingestellt war, nur ein Schritt, diesen auch einen Hohepriester als einheitlichen Mittelpunkt der Kirche zu geben.

Freilich breitete sich die Kirche von jezt ab immer mächtiger aus, der Versuch Julian's, des Romantikers auf dem Thron der Cäsaren (wie Strauß ihn nennt), eine ideale Restauration des alten Cultus durchzuführen, brach rasch zusammen. Gratian entzog 392 demselben alle Privilegien und Gehalte und confiscirte die Grundstücke der Tempel, gegen Ende des 4. Jahrhunderts erhob ein Decret des Theodosius das Christenthum zur ausschließlichen Staatsreligion, zum einzig erlaubten Cultus der Bürger, von allen Stellen in der Verwaltung und im Heere wurden die Nichtchristen ausgeschlossen, nur in einzelnen entlegnen Landgemeinden, in aristokratischen Familien und Philosophenschulen erhielt sich das Heidenthum. Aber wenn so die Kirche zur herrschenden ward, so war die Reinheit und Geisteskraft, welche sie troß des Abweichens von der apostolischen Tradition während des Fegefeuers der Verfolgung bewährt, unwiederbringlich verloren, überall sehen wir den Fluch hervortreten, der die Religion trifft, welche mit weltlichen Mitteln herrschen will, aus der verfolgten wird sie zur verfolgenden. Der christliche Pöbel, von fanatischen Mönchen aufgereizt, zerstört die Tempel und Statuen und ermordet heidnische Priester und Philosophen, einem solchen Ausbruch fiel die edle Hypatia in Alexandrien zum

Opfer. Das erste Keherblut fließt, die Verehrung der Maria, der Engel, der Heiligen, der Reliquien tritt immer mehr hervor; mit einem Wort das Heidenthum und Judenthum dringt immer tiefer in die Kirche ein, während die Orthodoxie die Dogmatik zu einem zusammenhängenden System ausbaut. Ich verfolge hier nicht weiter die Schicksale der morgenländischen Kirche, weil sie principiell in den nächsten Jahrhunderten nichts Neues bietet, in dem Maße aber als sie der Herrschaft des Staates verfiel und ihr Patriarch Hofbischof ward, als andererseits die politische Macht Ostroms abnahm, ging die geistige Führung der Kirche auf die westliche Hälfte des Reichs über, in welcher unbehindert von den goldnen Fesseln der orientalischen Geistlichkeit, die Herrschaft des Bischofs von Rom zu dem Primat des Pabstthums emporwuchs.

7. Der päftliche Primat.

Wir sahen, daß unter dem Einfluß der Synoden aus dem Episcopat sich die Metropoliten erhoben, indem den Bischöfen der Hauptstädte als den natürlichen Pflanzstätten und Centralpunkten des Christenthums die Leitung der kirchlichen Angelegenheiten einer Provinz und die Aufsicht über die übrigen Bischöfe derselben zufiel. Unter diesen Metropoliten stiegen nun wiederum einige im Laufe der Zeit durch die hervorragende Bedeutung ihrer Size zu höherm Range, die Patriarchen; zunächst drei, von Alexandrien für Afrika, von Antiochia für Asien, von Rom für Europa, dann traten Constantinopel und Jerusalem hinzu. Die Eroberungen des Islam schwemmten später die morgenländischen Patriarchate hinweg, nur der von Constantinopel blieb bestehen, im Abendland aber ward der Patriarchat nicht zu einer bleibenden hierarchischen Stufe, weil hier die Entwicklung einer monarchischen Spize im Primat des Bischofs von Rom zustrebte.

Die römische Kirche besaß schon in alter Zeit das Ansehen aller von den Aposteln selbst gestifteten Gemeinden in besonders hohem Grade, die Tradition bezeichnete sie als die einzige Apostelkirche im Abendland, die von Petrus und Paulus gegründet sei.

Gleichwohl beruht diese Ueberlieferung nicht nur auf keinem geschichtlichen Zeugniß, sondern alles, was wir wissen, spricht dagegen. Pompejus hatte nach der Bezwingung Judäa's zahlreiche Kriegsgefangne nach Rom gebracht, sie gründeten dort als Freigelaßne eine jüdische Gemeinde, der sich viele heidnische Prose= lyten anschlossen, mit dieser Gemeinde trat Paulus in Verbindung als er nach Rom kam, sie wurde unter Claudius vertrieben. Der Brief des Paulus an die Römer ist offenbar an eine Ge

meinde gerichtet, die er nicht selbst gegründet, deren Bedeutung und Glauben er anerkennt, der er aber seine eigenthümlichen geistlichen Gaben mittheilen will, und mit welchem Erfolg er dies gethan, sehen wir daraus, daß als er gefangen nach Rom kommt ihm die Glieder der Gemeinde bis zum Forum Appii und den Tres Tabernae entgegeneilen. Aber er so wenig als irgend ein anderes Zeugniß erwähnt, wer dieser Gemeinde zuerst das Evangelium gepredigt. Dagegen daß es Paulus gethan, spricht nicht nur das vollständige Schweigen des Römerbriefes (nur die Gemeinde im Hause des Aquilas wird erwähnt c. 16) sondern namentlich, daß Paulus es sich für seine apostolische Wirksamkeit zur Richtschnur gemacht, niemals »auf einem fremden Grunde zu bauen« (Röm. 15, 20), vielmehr mit Petrus, Jacobus und Johannes das Abkommen getroffen, daß diese Israel, er den Heiden das Evangelium predige (Gal. 2, 9), die römische Gemeinde, an die Paulus sein Schreiben richtete, kann also nicht eine judenchristliche gewesen sein. 1) Auch die Behauptung, daß Petrus ein zweitesmal nach Rom gekommen und von dort aus sein Sendschreiben an die asiatischen Gemeinden gerichtet, indem das Babylon welches er am Schluß erwähnt, Rom bedeute, ist ebenso reine Hypothese, als daß er mit Paulus in der neronischen Christenverfolgung den Tod erlitten, er kann im Gegentheil mit diesem nicht zugleich in Rom gewesen sein, da die leßten Verse der Apostelgeschichte, welche von dem dortigen ausgebreiteten Wirken des Paulus berichten, seiner mit keinem Worte gedenken. Seit er aus der Apostelgeschichte verschwindet, wissen wir nur aus dem Galaterbrief daß er in Antiochia einen Conflict mit Paulus gehabt und daß er, wie dieser gelegentlich erwähnt, mit seiner Frau das Evangelium predigend reiste. Wann und wo er seinen Tod gefunden, ist gänzlich unbekannt.2) Auch das nächste

1) Die späte Notiz des griechischen Chronicon des Eusebius, der vom zweiten Jahre des Claudius meldet. πέτρος, ὁ κορυφαῖος τὴν ἐν Ἀντιοχείς πρώτην θεμελιώσας ἐκκλησίαν, εἰς Ρώμην ἔπεισι κηρύττων τὸ εὐαγγέλιον trägt so sichtlich den Stempel einer spätern Anschauung, daß sie als geschichtliches Zeugniß eben so wenig in Betracht kommen kann, wie die übrigen constructiven Hypothesen, welche darzuthun suchen, weshalb Petrus sich nach seiner Vertreibung aus Jerusalem nach Rom gewendet (so: Thiersch die Kirche im Apostol. Zeitalter S. 97 ff.).

Daß Renan trotz der Arbeiten der protestantischen Kritik in seinem Antichrist noch wieder die alten Sagen über Petrus' römische Thätigkeit aufwärmen konnte, giebt seinem geschichtlichen Sinn ein wenig günstiges Zeugniß.

authentische Zeugniß aus der römischen Gemeinde, der Brief des Clemens (90-99 p. Chr.) an die Korinther weiß nichts von der Begründung derselben durch Petrus oder auch nur von dessen Aufenthalt und Martyrium in Rom, er stellt ihn dem Paulus gleich, aber spricht von diesem in weit bestimmteren Ausdrücken und schließt sich genau an dessen Lehrweise an, ein Beweis, wie lebendig die paulinische Predigt in der Gemeinde blieb. Zu Anfang des zweiten Jahrhunderts dagegen entstand im Schooß der judenchristlichen Partei eine Schrift mit der Tendenz Petrus als den wahren Apostel auf Kosten des Paulus zu verherrlichen. Um dies richtig zu würdigen, muß man auf den Streit zurückgehen, der in der apostolischen Zeit über das Verhalten der Heidenchristen zum jüdischen Geseß entstand. In die von Paulus gegründete Gemeinde zu Antiochia waren einige Judenchristen gekommen, welche für die Heidenchristen die Nothwendigkeit der Beschneidung d. h. der Unterwerfung unter das ganze mosaische Gesez behaupteten. Um dem Zwist, der dadurch entstand, ein Ende zu machen, begaben sich Paulus und Barnabas nach Jerusalem, wo diese Frage in einer Versammlung der Apostel und Aeltesten eingehend erwogen wurde. Entgegen der Ansicht einiger gläubig gewordenen Pharisäer, welche die Verbindlichkeit des alten Gesezes unbedingt anerkannt wissen wollten, entschied man namentlich auf den Rath des Petrus und Jacobus, den Heidenchristen keine andre Beschwerung aufzuerlegen, als die Vermeidung einiger den Juden besonders anstößiger Dinge z. B. des Blutessens. Dieser Beschluß schlichtete indeß den Streit keineswegs allgemein, vielmehr hielten die strengen Judenchristen an ihren Ansichten so fest, daß Petrus, der diese nicht theilte, als er nach Antiochia kam, sich aus Furcht vor ihnen von den Heidenchristen absonderte, weshalb ihn Paulus lebhaft öffentlich zur Rede stellte. Daß eine Ausgleichung zwischen beiden Aposteln stattgefunden, wird uns nicht erzählt, obwohl offenbar Petrus nur aus Schwäche seine in Jerusalem warm ausgesprochene bessre Ueberzeugung verläugnet hatte, ein Vorgang, der ganz seinem zwischen Glaubensmuth und Schwäche schwankenden Charakter entspricht. Jedenfalls dauerte, wie wir aus den ferneren Briefen des Paulus ersehen, der Zwist fort und er selbst trifft bei seinem lezten Aufenthalt in Jerusalem (Act. 21, 15) auf das stärkste Vorurtheil der Judenchristen, die ihn beschuldigen, daß er ihre unter den

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