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1756.

Der Feldzug von 1756. Pirna und Lobosiz.

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und die Sachsen. Die Lage des unglücklichen Heeres war fürchterlich. Sturm, Regen und Nebel hüllten Alles in das einförmigste Grau und vereitelten zugleich alle Versuche, sich mit Browne durch Signale in Verbindung zu setzen. Bis auf die Haut durchnäßt, ohne irgendwelches Obdach, ohne Gepäck, ohne Lebensmittel, seit 24 Stunden ohne Nahrung auf dem Marsche, rings um sich den weit überlegenen Feind hinter starken Verhauen, so lagerten die Sachsen um die schroffen Felsenmauern des Liliensteins. Auf die Desterreicher konnten sie nicht mehr rechnen, denn am 14. Oktober früh 7 Uhr lief von Königstein die Meldung ein, daß Browne in der verabredeten Stellung angelangt sei, jedoch selbst schon von den Preußen gedrängt, nur noch bis 9 Uhr warten könne. Er wartete in der That noch sechs Stunden länger, aber die Sachsen waren uicht mehr fähig zu marschiren und zu fechten, es blieb nur die Uebergabe.

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Waffenstreckung der Sachsen bei Pirna. Zeichnung von Ludwig Burger. So schloß denn Rutowski mit Winterfeldt einen Waffenstillstand ab, worauf Friedrich sofort 72,000 Pfd. Brot ins sächsische Lager abgehen ließ und die Preußen, was sie an Lebensmitteln hatten, mit den verhungerten Sachsen mitleidig theilten. Umsonst befahl nun noch der Kurfürst den Angriff und schickte seine eigenen Pferde für die Kanonen, am 16. Oktober unterzeichnete Rutowski die Kapitulation. Die sächsische Armee gab sich kriegsgefangen, die Offiziere verpflichteten sich, während der Dauer des Krieges nicht gegen Preußen zu dienen, der Königstein wurde für neutral erklärt, und der Kurfürst erhielt die Erlaubniß nach Warschau abzureisen, wo er bis zum Frieden von 1763 geblieben ist. Gegen den Wortlaut des Vertrages muthete dann Friedrich den sächsischen Offizieren zu, in seine Dienste zu treten; die sich dessen weigerten

bei weitem die Mehrzahl wurden in verschiedenen Städten internirt. Die Soldaten

aber zwang er, ihm den Fahneneid zu schwören, und bildete aus ihnen zehn Regimenter. In der Folge sind diese jedoch fast Alle mit Sack und Pack zum Feinde übergegangen.

Mit der Kapitulation von Pirna schloß der Feldzug des Jahres 1756; Sachsen war in Friedrich's Hand. Alle Behörden waren gleich beim Einmarsche angewiesen worden, die Zahlungen nur noch an das preußische Felddirektorium in Torgau zu machen, dazu gesellten sich jest schwere Kriegsleistungen. Der kostspielige Hoffstaat wurde natürlich aufgelöst, die Gehalte der Beamten herabgesezt. Aber der König hatte sein Ziel nur zur Hälfte erreicht: einen entscheidenden Druck auf Desterreich auszuüben, daran hatte ihn der zähe Widerstand der Sachsen verhindert. So geschah es, daß der längst vorbereitete europäische Kriegsbund zur Vernichtung Preußens sich jetzt wirklich schließen konnte. Der Kampf um Sein und Nichtsein des preußischen Staates begann.

Abschluß des europäischen Kriegsbundes. Zuerst sezte sich die sonst so schwerfällige Maschinerie des Deutschen Reiches gegen ihn in Bewegung. Schon am 13. September erließ auf den Hülferuf Sachsens der Kaiser, der allerdings Gemahl Maria Theresia's war, ein Abmahnungsschreiben (Dehortatorium) an Friedrich, des Inhalts: „abzulassen von friedbrüchiger Vergewaltigung", allen Schaden zu erstatten und nach Hause zu gehen. Gleichzeitig erging die kaiserliche Aufforderung an das preußische Heer, dem König den Dienst aufzusagen, ein Schritt, der nur die klägliche Ohnmacht dieses Kaiserthums offenbarte, denn er blieb nicht nur vollkommen fruchtlos, sondern erregte auch bei sonst gut österreichisch gesinnten Reichsständen die stärkste Mißbilligung. Preußen aber wies ihn scharf als ungeseßlich zurück, da es nicht mit dem Reiche im Kriege begriffen sei, sondern als souveräne Macht ihn gegen Desterreich zur Selbstvertheidigung begonnen habe (3. November). Dessen ungeachtet berieth bereits am 10. Jannar 1757 der Regensburger Reichstag die kaiserliche Vorlage (Proposition) auf Reichsbewaffnung, und obwol Preußen dagegen Verwahrung einlegte und auch Hannover eine Vermittlung von Reichswegen vorschlug, so beschloß doch der Reichstag mit neunundneunzig gegen sechzig Stimmen, unter denen fast sämmtliche katholische Stände sich befanden, den Reichskrieg gegen den „Kurfürsten von Brandenburg.“

Weit gefährlicher erschien die drohende Haltung sämmtlicher Großmächte des Festlandes. Zuerst kam es zwischen Preußen und Frankreich zum Bruch, denn in Versailles arbeitete die sächsische Gemahlin des Dauphin (s. S. 580), wie begreiflich, eifrig für den Krieg gegen Preußen, um ihrem Heimatlande Hülfe zu bringen. Den erwünschten Vorwand gab die Zurückweisung des französischen Gesandten in Dresden, Graf Broglie, welcher durchaus in das sächsische Lager bei Pirna hatte durchdringen wollen. Im Oktober 1756 erhielt deshalb der französische Vertreter in Berlin Befehl zur Abreise, und im November verließ auch der preußische Gesandte Paris. Immerhin stellten sich dem Abschlusse des großen Bündnisses noch mancherlei Schwierigkeiten in den Weg. Namentlich fand Rußland kaum eine vernünftige Grundlage zu einer Vereinbarung mit Frankreich, da es mit den Staaten, die herkömmlicher Weise sich auf dasselbe stüßten, mit Schweden, Polen und der Türkei, stets auf gespanntem Fuße stand. Indeß der Haß kittete den Bund, und am 11. Januar 1757 trat Rußland dem österreichisch-französischen Vertheidigungsbündniß von Versailles förmlich bei.

Leichter gestaltete sich das Abkommen zwischen Oesterreich und Rußland (22. Januar 1757), denn dies sezte sich eben das zum Zweck, was zwar noch nicht vertragsmäßig festgestellt, aber schon längst verhandelt worden war: Wiedereroberung Schlesiens, überhaupt möglichste Schwächung Preußens, dazu Entschädigung Sachsens. Dazu wollten beide Mächte einander beistehen, auch keinen Sonderfrieden schließen. Außerdem verpflichtete sich Desterreich, eine Million Rubel jährliche Hülfsgelder an Rußland zu zahlen. Für Frankreich, Schweden und Dänemark blieb der Beitritt offen.

Schon diese Aussicht, vor Allem aber die Nothwendigkeit, Rußland Subsidien zu ge= währen, wozu Desterreichs Mittel nicht reichten, nöthigten zu einer näheren Vereinbarung mit Frankreich. Sie erfolgte im Februar 1757 nach peinlichen Verhandlungen in der Weise, daß die französischen Heere nicht in Böhmen, wie der Wiener Hof gewünscht hatte, sondern nur

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Abschluß des europäischen Kriegsbundes.

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ausschließlich im nordwestlichen Deutschland entweder unmittelbar gegen Magdeburg, oder falls Hannover aus seiner Neutralität heraustrete, erst gegen Wesel zur Verwendung kommen sollten. Um die dafür erforderlichen Streitkräfte aufzubringen, schloß die französische Regierung Soldverträge mit einer Reihe geldbedürftiger deutscher Kleinstaaten ab. Kurköln lieferte 1800 Mann, Kurpfalz 6000 Mann, Kurbayern 4000 Mann, Württemberg 5000 Mann, den Kern der nachmaligen glorreichen „Reichsarmee“. In ein ähnliches Verhältniß trat Mecklenburg-Schwerin, welches wegen einiger Aemter mit Preußen und Hannover im Streite lag (1. April 1751), und noch etwas früher Schweden, troß des Widerstandes, den hier der ohnmächtige König Adolf Friedrich (1751—1772) und die preußischen Sympathien des Volkes dem entgegen= sezten (21. März 1757). Sollte das schwedische Vorpommern von Preußen angegriffen werden, dann sollte Schweden auch den preußischen Antheil des Landes erhalten. Zunächst gaben nun die beiden Mächte in Regensburg am 31. März 1757 die ebenso feierliche als heuchlerische Erklärung ab: als Bürgen des Westfälischen Friedens (s. S. 83) hätten sie sich vereinigt, „um den Lauf der das Reich verwüstenden Drangsale zu hemmen“, den Beschädigten Wiedererstattung zu verschaffen, die drei Religionen im Reiche aufrecht zu erhalten und überhaupt die deutsche Freiheit wider alle Eingriffe sicher zu stellen. Preußen, das auch hier die Antwort nicht schuldig blieb, führte dem gegenüber aus, es habe aus Nothwehr losgeschlagen und sei bereit, Sachsen sofort zu räumen, sobald ihm sein Besißstand verbürgt werde, von Bedrängnissen der Katholiken im Reiche könne keine Rede sein, wohl aber von Bedrückungen der Evangelischen in Desterreich (14. April). Nun folgten rasch die entscheidenden Schritte.

Am 26. April zeigte Frankreich den Einmarsch seiner Truppen in Deutschland als bevorstehend an, am 1. Mai 1757 unterzeichneten die Vertreter Frankreichs und Desterreichs in Versailles den berufenen Vertrag über die Theilung Preußens, das Programm ihrer Kriegführung. Sie wollten vereinigt Desterreich und Sachsen entschädigen und Preußen so schwächen, daß es nicht mehr im Stande sei, die Ruhe zu stören. Deshalb sollten Schlesien und Glaz an Desterreich fallen, Magdeburg, der Saalkreis und Halberstadt an Sachsen, Vorpommern an Schweden. Von Belgien wurde dann Frankreich der südliche Grenzstrich um Ostende, Mons, Ypern an Stelle Luxemburgs, dessen Festungswerke aber geschleift werden sollten, die Hauptmasse Philipp von Spanien zugesprochen, dessen italienische Herzogthümer Parma und Piacenza dagegen an Desterreich übergehen sollten. Für diese Zwecke stellte Frankreich 105,000 Mann eigener Truppen auf, zahlte Subfidien an Oestereich (jährlich 12 Millionen Gulden), und mit diesem zusammen an Schweden und Sachsen; Oesterreich verwandte gegen Preußen nicht unter 80,000 Mann. Der Beitritt sollte dem Kaiser, Rußland, Polen, Schweden und den Reichsfürften offen gehalten werden. Das war die Urkunde, unter welche die französischen Bevollmächtigten ihren Namen seßten, um damit den glänzendsten diplomatischen Sieg Desterreichs über die französische Politik zu genehmigen. Denn nicht nur gewann Frankreich ganz unverhältnißmäßig wenig Gebiet im Vergleich mit Desterreich, es half diesem auch die Macht zerstören, die allein ihm in Mitteleuropa ein Gegengewicht geboten hatte, und erhielt dagegen für den Kampf mit England nicht die geringste Hülfe. War der Vertrag ein Triumph für Habsburg, so enthielt er das Todesurtheil über die Zukunft Deutschlands. Was seit mehr als einem Jahrhundert die Hohenzollern in mühsamer Arbeit für Deutschland errungen hatten, was als werthvollste Grenzmark mit Strömen Blutes vertheidigt worden war, das gaben die Habsburg-Lothringer gleichgiltig preis: Pommern und die Oder, Ostpreußen (das Rußland für sich begehrte) und Belgien; sie zerstörten mit Luxemburg das festeste Bollwerk des deutschen Westens und sie unterwarfen Schlesien aufs Neue ihrer entdeutschten Herrschaft. Gelang dies Alles, dann war zugleich die unter schweren Kämpfen gewonnene Gleichberechtigung des Protestantismus aufs Aeußerste gefährdet. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, daß Oesterreich aufgehört habe, eine deutsche Macht zu sein, so gab ihn dieser Vertrag. Und indem dann Kaiser und Reich dieser Politik sich anschlossen, erhärteten sie urkundlich, daß nicht mehr die Reichsgewalten die Sache der Nation vertraten. Seit dem 1. Mai 1757 wurde der Kampf, den Friedrich der Große als einen Vertheidigungskrieg für seinen Staat begonnen

hatte, zum nationalen Rettungskampfe für Deutschland gegen die Eroberungsgier fremder! Mächte, und nicht die Truppen des Reichs, sondern die Heere des rebellischen Markgrafen von Brandenburg schlugen die Schlachten für die Zukunft der deutschen Nation.

Englisch-preußisches Bündniß. Die Last fiel in der That fast allein auf Friedrich's Schultern. Mit England stand er vorläufig noch in einem sehr lockeren Verhältniß. Ein Glück wenigstens, daß dort rechtzeitig noch ein Ministerwechsel erfolgte. Unter dem Eindruce des Verlustes von Minorca und empfindlicher Schlappen an den canadischen Seen (f. unten) trat Newcastle zurück (November 1756), und der Herzog von Devonshire wurde Premierminister, William Pitt Staatssekretär des Auswärtigen. Einer der größten Staatsmänner des parlamentarischen Englands trat damit ans Ruder. Er hatte in Eton und Oxford seine Studien gemacht, dann in einem Garderegiment als Fähnrich gedient, war aber bald als Parlamentsmitglied dem käuflichen Regimente Walpole's so heftig gegenübergetreten, daß er den Dienst verlassen mußte, um fortan sich ganz den öffentlichen Angelegenheiten zu widmen, und zwar als Führer der Opposition. Die Wirkung seiner Worte verstärkte eine silberhelle klangvolle Stimme von ungewöhnlicher Kraft, der leuchtende Blick seiner ausdrucksvollen Augen, die schlanke und edle Gestalt. Durch Studium des Demosthenes geschult, verband er durchsichtige Klarheit des Ideenganges mit mächtiger Gedankenfülle, und so ungestüm brach der Strom seiner Rede hervor, daß es zuweilen schien, als werde er selber willenlos von ihm fortgerissen. Und niemals diente die Beredsamkeit Pitt's einem niedrigen Zweck. Erhaben in seiner Gesinnung, uneigennüßig und unbe stechlich, wollte er sein Volk zum ersten der Welt machen und riß dazu auch die Widerstrebenden mit sich fort. Keiner beurtheilte so klar die Lage wie er; er wußte, daß es die Zukunft der germanisch-protestantischen Mächte in Europa wie in Amerika gelte, und erfüllt von lebhaftester Bewunderung für Friedrich den Großen, war er entschlossen, den herrlichen Mann nicht sinken zu lassen.

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Generalfeldmarschall Graf Kurt Christoph von Schwerin.

So kündigte schon am 2. Dezember 1756 die Thronrede energische Maßregeln an, und am 11. Januar 1757 kam das englisch-preußische Bündniß zu Stande. Ein englisches Beobachtungsheer, verstärkt durch 20,000 Mann Preußen, sollte in Westfalen aufgestellt, eine Flotte in die Ostsee entsandt werden, überdies empfing Preußen jährlich 1 Million Pfund Sterling Hülfsgelder. Große Rüstungen begannen auch in oder durch England. Es galt 50,000 Mann zu Lande, 55,000 Mann für den Seekrieg aufzustellen, ungerechnet die Milizen. Subsidienverträge verpflichteten nach englischer Weise eine Reihe kleiner norddeutscher Fürsten, ansehnliche Kontingente für Preußen zum deutschen Krieg zu stellen: Hessen Kassel 12,000 Mann, Braunschweig 6000 Mann, Gotha 2000 Mann, Schaumburg-Lippe 1000 Mann. Doch kreuzte diese energischen Anstrengungen die welfische Familienpolitik Georg's II., der selbst jezt noch über die Neutralität Hannovers verhandelte, und da der von ihm ernannte Oberbefehlshaber für Deutschland, der Herzog von Cumberland, ein entschiedener Feind Pitt's war, so schied dieser sogar vorübergehend aus dem Ministerium (April 1757), und Friedrich II. sah sich zunächst von dieser Seite her nur sehr ungenügend und halb widerwillig unterstüßt.

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ereitungen. Der König brachte den Winter 1756-1757 in Dresden ftlichen Studien und politisch-militärischen Vorbereitungen beschäftigt. r seinem vertrauten Kabinetsminister Karl Wilhelm Graf von Finkenster seit 1749) eine genaue Instruktion für alle denkbaren Fälle. Bei derlage sollte er den Schaß, die Ministerien und die königliche Familie cg oder Stettin retten, je nach dem Drt des Schlachtfeldes, im Falle folger, dem Neffen des Königs, Friedrich Wilhelm (II.), sofort huldigen Gefangennahme auf seine Person weiter keine Rücksicht nehmen. Für Ene Armee von 152,000 Mann Feldtruppen und 58,000 Mann Beerdings 22,000 Sachsen eingerechnet, die hinterher meist übergingen.

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Schwerin's Heldentod bei Prag. Zeichnung von A. Beck.

rde einberufen, und bei den preußischen Ständen eine Anleihe von jaler gemacht, deren Ueberzeichnung um 80,000 Thaler dem König 3 des Vertrauens gab. Der Kriegsplan war im Wesentlichen derselbe, er König durch einen raschen Einbruch in Böhmen Prag zu nehmen, bend zu schlagen und zum Frieden zu nöthigen, bevor die übrigen re Ueberlegenheit entfalten konnten. Es sollte ganz anders kommen. Die Hoffnung Friedrich's war zunächst gar nicht ungegründet. Die der Stärke von 133,000 Mann quer durch das nördliche Böhmen it und erwarteten, durch preußische Vertheidigungsanstalten an den n feindlichen Einmarsch. So überschritten (18.-20. April 1757) on Sachsen her in drei Kolonnen die böhmische Grenze über Marientau; die leßtere warf bei Reichenberg die österreichischen Vortruppen on Schlesien her über Braunau kam Schwerin mit 41,000 Mann.

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