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geschoß ist Werkstatt oder Laden, das Obergeschoß sieht, wenn die Fensterläden offenftehen, mit offenen, leicht vergitterten Räumen nach der Straße und gibt ihr eine feine Luftigkeit, die Bauten sind farbig vers pugt, meist heftig waschblau, was im starken Licht der Tropen kühl und nobel aussieht. Die Vorderräume der Obergeschoffe ruhen auf Pfeilern, und so entsteht auf beiden Seiten jeder Straßenflucht eine Kolonnade, fröhlich anzusehen und voll von Bildern des Weinen Lebens. Der reiche Chinese freilich hat sein Landhaus im Villenquartier, luxuriös und meist europäisch bes einflußt, darum her ein stiller, steifer, sonniger Garten, wo jede Pflanze erhöht und isoliert in einer Vase steht.

Die Europäer haben nun alle Städte ganz neu ges ftaltet und damit viel Hygiene und Bequemlichkeit, aber wenig Schönheit hereingebracht. Von allen Europäerbauten hier draußen sind einzig die Bungalows schồn, die in den Villenvorstädten erquidend wohnlich und lieblich in der üppigen Parklandschaft stehen. Diese Bungalows find darum schön, weil sie notge= drungen fich den Bedürfnissen des Klimas fügen und sich darum an den Artyp des indischen Wohnhauses halten mußten. Alles andere, was die Weißen hier gebaut haben und bauen, wäre durchaus würdig, in einer deutschen Bahnhofstraße aus den achtziger Jahren zu stehen. Die Engländer tun Großes für ihre Kolos

nien, die Anlage vieler Geschäftsstraßen, Häfen, Villenviertel und Parkvorstådte samt Straßenbau, Bewässerung und Beleuchtung sind musterhaft und oft von glänzender Großzügigkeit, aber schöne Häuser (mit Ausnahme des Bungalowtyps) konnten auch sie nicht bauen. And nun wütet falscher Marmor, Wellblech und Gewerbeschulrenaissance weiter und verfeucht auch die Modernen und Wohlhabenden unter den einheimis schen Bauherren. Japanische Zahnärzte und chinesische Wucherer bauen sich Häuser, die in die geschmacklosesten Straßen deutscher Mittelstädte passen würden. Entsprechend find Brücken, Brunnen und Denkmäler. Das Übelfte aber find die Kirchen. Von einem feinen stillen Palmenwalde, von einer weitern hübschen Malayendorfgaffe oder von einer tiefblauen, diskret uniformen Chinesenstraße aus auf eine Kirche zu blicken, die auf ödem Plag in entwurzelter und entgleister englischer Gotik das kulturelle Anvermögen des Wes stens predigt, das gehört weit mehr als Schmutz und Fieber zu den Peinlichkeiten einer indischen Reise; denn hier fühlt man sich im Innerften mitverantwort lich. And diese Dinge find alle, gleich einem deutschen Postgebäude, ebenso solide wie häßlich gemacht. Ein Malayenhaus, das gestern fertig wurde, wird in drei Monaten wetterfarben und angepaßt und võllig eins gewachsen sein, als stände es fünfzig Jahre da; eín holländisches Residentenpalais aber, eine englische Kirche

oder ein französisch-katholisches Schulhaus wird unfer Auge nicht erfreuen können, ehe es seine schuldbe ladene Existenz zu Ende gelebt und seine Bestandteile der Natur zurüægegeben hat.

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Singapur-Traum

en Vormittag hatte ich zwischen den Gärten der

Europäer auf den grasbewachsenen, laubig umrahmten Wegen Schmetterlinge gefangen, war in der weißen Mittagsglut zu Fuß in die Stadt zurüægegangen und hatte den Nachmittag mit Spazierengehen, Lädenbesuchen und Einkaufen in den schönen, lebendig wimmelnden Straßen von Singapur hingebracht. Nun faß ich im hohen Säulensaal des Hotels mit meinen Reisegefährten beim Abendessen, die großen Flügel der Fächer furrten fleißig in der Höhe, die weißleinenen Chinesenboys schlichen still und gelaffen durch den Saal und trugen das schlechte englisch-indische Effen auf, das elektrische Licht blitzte in den ¤leinen schwimmenden Eisstückchen der Whiskygläser. Müde und ohne Hunger saß ich meinen Freunden gegenüber, schlürfte kaltes Getränk, schälte eine goldgelbe Bananen und rief frühzeitig nach Kaffee und Zigarren.

Die andern hatten beschlossen, in einen Kinemato= graphen zu gehen, wozu meine von der Arbeit in voller Sonne überangestrengten Augen keine Luft hatten. Dennoch ging ich schließlich mit, nur um für den Abend versorgt zu sein. Wir traten barhaupt und in leichten Abendschuhen vor das Hotel und schlenderten durch die wimmelnden Straßen in gekühlter blauer Nachtluft; in ruhigern Seitengaffen hockten bei Windlich

tern an langen rohen Brettertischen Hunderte von chinesischen Kulis und aßen vergnügt und fittsam ihre vielerlei geheimnisvollen und komplizierten Speisen, die fast nichts kosten und voll unbekannter Gewürze ftecken. Getrocknete Fische und warmes Kokosöl dufteten intensiv durch die von tausend Kerzen flimmernde Nacht, Rufe und Schreie in dunkeln östlichen Spra chen hallten in den blauen Bogengängen wider, ge= schminkte hübsche Chinesinnen saßen vor leichten Gittertüren, hinter denen reiche goldene Hausaltäre düfter funkelten.

Von der dunkeln Brettertribüne des Kinotheaters blickten wir über unzählige langzopfige Chinesenköpfe hinweg auf das grelle Lichtviereck, wo eine Parífer Spielergeschichte, der Raub der Mona Lisa und Szenen aus Schillers Kabale und Liebe, alle in derselben seelenlosen Anschaulichkeit, vorübergeisterten, doppelt gespensterhaft in der Atmosphäre von Unwirklichkeit oder peinlicher Zweifelhaftigkeit, welche diese westlichen Angelegenheiten hier zwischen Chinesen und Malayen annehmen.

Meine Aufmerksamkeit war bald erlahmt, mein Blic ruhte zerstreut in der Dämmerung des hohen Saales aus, und meine Gedanken fielen auseinander und blieben leblos liegen wie die Glieder einer Marionette, die man im Augenblick nicht braucht und weggelegt hat. Ich senkte den Kopf in die aufgestützten Hände

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