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großen Bestßungen zurückzugeben versprach. Schon ehe der König diesen Vertrag beschworen, hatte er seinen Räthen erklärt, daß er ihn, als erzwungen, nicht halten werde, und als er sich frei und auf Frankreichs Boden sah, bestieg er sein Pferd und jagte mit den Worten davon:,,nun bin ich wieder König!" Sehr bald wurde er dann von dem Papste Clemens VII seines Eides entbunden, trat mit dem Papste, England und Venedig in ein Bündniss gegen Karl und der Krieg ging wieder an. Der Kaiser war eben so erzürnt gegen den treulosen Papst als gegen den treulofen König. Die kaiserliche Armee stand in Mailand und Karl von Bourbon, welcher aus Frankreich zum Kaiser geflohen war, zog nun mit ihr nach Rom.

Die Päpste hatten sich bis zum Jahre 1521 mehr zu Frankreich hingeneigt, als zu Spanien. Nachdem aber am 1 Dec. 1521 Leo X gestorben war"), wurde nach wenigen Wochen der Erzieher Karls V, als Papst Hadrian VI, zu seinem Nachfolger gewählt, der dann auf des Kaisers Seite trat. Dieser Papst, ein gelehrter Niederländer, war ein gutmüthiger Mann, der es redlich meinte, die Gebrechen der Kirche erkannte und auf ihre Abstellung ernstlich bedacht war. Eine solche Gesinnung des Papstes war aber keinesweges den Cardinälen recht. Doch war Hadrian ein Feind Luthers und seiner Bestrebungen; denn obgleich er selbst die vorhandenen Missbräuche nicht billigte, so hielt er es doch für ganz unpassend und höchst strafbar, daß ein unbedeutender Mönch es sich herausnahm, diese eigenmächtig abstellen zu wollen. Eine Befferung der Kirche musste, seiner Ansicht nach, nur vom Oberhaupt derfelben, dem Papste selbst, ausgehen; doch beschränkten sich die von ihm beabsichtigten Reformen mehr auf das sittliche Leben der Geistlichkeit und sollten nicht so tief eingreifend und umfafsend sein als die Reformen Luthers. Aber ehe er noch irgend etwas Bedeutendes hatte ausrichten können, starb er schon am 14 Sept. 1523 zur großen Freude der Römer, daher dann einige meinen, sein Tod sei kein natürlicher gewesen, obschon er ein alter Mann war, von dem man kein langes Leben

*) Die Reihe der zunächst folgenden Päpste ist folgende:

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Leo X 11 März 1513 1 Dezember 1521.
Adrian VI 9 Januar 1522
Clemens VII 19 November 1523
Paul III 13 October 1534

26. September 1534. 10 November 1549.

mehr erwarten konnte. Sein Nachfolger Clemens VII, ein Mediceer, hielt es wieder mit Frankreich, weil er nicht wollte, daß der Kaiser zugleich König von Neapel sei. Es schlug aber übel für ihn aus.

Karl von Bourbon wusste nicht mehr, wie er sein Heer im Mailändischen erhalten und besolden sollte. Der Kaiser hatte ihm wohl Verstärkungen an Truppen zugeschickt, aber an Geld und Lebensmitteln fehlte es ganz. Da nun der Papst sich durch Freisprechung des Königs von Frankreich und durch Beitritt zum Bündnisse gegen Karl V als Feind gezeigt hatte; so kam Bourbon auf den Gedanken, mit seinem Heere nach dem Kirchenstaate zu ziehen und den Papst die Kriegskosten bezahlen zu lassen. Unter dem kaiserlichen Heere, welches aus Spaniern und Deutschen bestand, befanden sich auch viele Evangelische; aber selbst die Katholischen, deren Ehrfurcht vor dem Papste in Italien sehr gesunken war, folgten ihm bereitwillig. Nach einem beschwerlichen Zuge kamen sie nach Rom; die Stadt wurde am 6 Mai 1527 erstürmt und nach der Eroberung grausam geplündert und verwüstet, der Papst selbst in der Engelsburg belagert und von den deutschen Landsknechten verhöhnt. Diese hatten auch die Ordenskleider der Cardinäle erbeutet, verkleideten sich als Cardinäle und Papst, zogen vor die Engelsburg, sagten, sie wollten jegt einmal einen frommen Papst wählen und riefen: „wer soll Papst sein? Doctor Luther soll Papst sein!" Der Papst musste, um sich zu lösen, eine große Summe Goldes zahlen; entfloh aber doch, weil er glaubte, man könne eine zweite Summe von ihm erpressen. Der Kaiser, welcher wohl einsah, wie man diese Behandlung des heiligen Vaters in Spanien sehr übel aufnehmen werde, hatte jezt, da Karl von Bourbon bei der Erstürmung von Rom gefallen war, freie Hand, seine Missbilligung derselben auszusprechen. Er sagte, daß er, wie auch wohl wahr, nichts davon gewusst habe, und ließ sogar die Feste für die Geburt seines Sohnes Philipp einstellen und für die Befreiung des Papstes Gebete halten. In dieser ganzen Zeit konnte also der Kaiser nichts gegen die Reformation unternehmen; und so hatte sie ihren ungestörten Fortgang.

Bei einer, im Jahre 1528 von Johann dem Beständigen angeordneten Kirchenvisitation hatte Luther als Vifitator viele traurige Erfahrungen von der großen Unwissenheit der evangelischen Pfar

rer gemacht und gesehen, wie übel es mit dem Unterricht des Volks in Kirchen und Schulen stehe. Ein Pfarrer soll auf die Frage, wer Pontius Pilatus gewesen? zur Antwort gegeben haben: „die Mutter Christi." Da that es denn Noth, irgend etwas dem Volke in die Hände zu geben, worin die Lehren des evangelischen Glaubens in einfacher, flarer Sprache enthalten wären. Luther wollte diesem Bedürfniss abhelfen und so entstand im Jahre 1529 sein kleiner Katechis mus. Während dieser für die Schule und das Volk bestimmt war, sollte sein großer Katechismus, welcher in demselben Jahre erschien, eine Anweisung für die Pfarrherren und Lehrer selbst sein. Hiermit kommen wir zu den Bekenntnissschriften der Kirche.

Sechster Vortrag.

Die Lutherische Kirche rechnet sechs Schriften zu ihren symbolischen Büchern, nämlich die beiden Katechismen Luthers, die Augsburgische Confession, die Apologie dieser Confession, die Schmalkaldischen Artikel und die Concordienførmel. Über das Wort Symbolum haben wir uns schon in der Einleitung näher erklärt. In der christlichen Kirche heißen Symbola diejenigen Lehren und Schriften, welche Zeugniss und Erklärung des Glaubens sind, wie jederzeit die heilige Schrift in streitigen Artikeln in der Kirche Gotes von den damals Lebenden verstanden und ausgelegt worden ist." Solche kürzere Symbole, wie das apostolische, waren schon in der frühsten christlichen Kirche vorhanden, wurden dann später, um den reinen Glauben der Kirche gegen einbrechende Irrlehren zu verwah ren, erweitert, und so entstanden aus ihnen ausführlichere Schriften, die symbolischen Bücher. Die einzelnen Bekenntniss schriften der Lutherischen Kirche wurden erst 1580 gesammelt, publicirt und symbolische Bücher genannt. Sie sind, ihrem Inhalte nach, von zweierlei Art, nehmlich solche, die nach Außen hin und solche, die nach Innen gerichtet sind. Die ersteren sind abwehrend gegen die römische Kirche und aus dem Kampf mit dieser hervorgegangen. Jeder evangelische Geistliche kann sich zu den Lehren, welche gegen

das Papstthum gerichtet sind, bekennen, weil er, wenn er es nicht könnte, auch kein evangelischer Christ wäre. *) In ihnen find die Glaubenslehren der evangelischen Kirche als Gegenfäße gegen die Lehren der römischen aufgefasst.— Anders ist es mit der letteren Art von Schriften, mit denen, welche wie die Katechismen auf das Innere gehen. Sie sind dazu bestimmt, die Glaubenslehren in kurzen, einfachen Worten dem Volke mitzutheilen. In ihnen sind daher auch die Lehren nicht so gelehrt vorgetragen, wie in jenen, welche Versammlungen vor Kaiser und Reich übergeben wurden. Die Katechismen Luthers sind aber ihrer großen Vortrefflichkeit wegen durch stillschweigende Übereinkunft unter die symbolischen Bücher aufgenommen worden. Weil der Katechismus sich nicht auf das Abwehren der römischen Lehren einlässt, sondern nur in einfältigen, kräftigen Worten die evangelische Lehre klar darlegt, ist er recht eigentlich das Glaubensbuch des Volkes. Die unterscheidenden Lehren der reformirten Kirche sind in dem kleinen Katechismus auch nicht so hervorgehoben, daß er nicht zugleich als Glaubensbuch der reformirten, also auch der unirten evangelischen Kirche angesehen werden könnte. Wir wollen hier etwas näher aufden Inhalt dieses Katechismus eingehen.

Der Katechismus zerfällt in fünf Hauptstücke: 1) die zehn Gebote; 2) der Glaube; 3) das Gebet des Herrn; 4) die Taufe ; 5) das Abendmahl. Wenn man das ganze Mittelalter überschaut, so wird man zu der Frage hingedrängt: wie hat denn die christliche Lehre erhalten werden können in den vielen dunklen Jahrhunderten, da man das Wort Gottes selbst nicht hatte, die heilige

*) In diesem Sinne schlägt Schleiermacher, wenn überhaupt solche Be= kenntnisse nothwendig sind, vor, daß jeder Geistliche sollte angehalten werden, seine Zustimmung zu den symbolischen Büchern etwa in folgender Formel zu geben: „Ich erkläre, daß ich Alles, was in unsern symbolischen Büchern gegen die Irr„thümer und Missbräuche der römischen Kirche besonders in den Artikeln von ,,der Rechtfertigung und den guten Werken, von der Kirche und der kirchlichen Ge„walt, von der Messe, vom Dienste der Heiligen und von den Gelübden - gelehrt „ist, mit der heiligen Schrift und der ursprünglichen Lehre der Kirche völlig überein„stimmend finde, und daß ich, so lange mir das Lehramt anvertraut ist, nicht aufhö„ren werde, diese Lehren vorzutragen, und über den ihnen angemessenen Ordnungen „in der Kirche zu halten." Reformations Almanach auf 1819 von F. Keyser, Erfurt. S. 376 in der Abh. über den eigenthümlichen Werth und das bindende Ansehn symbolischer Bücher.

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Schrift unbekannt nicht nur, fondern auch verworfen war, und im Volke niemand wußte, daß es etwas anderes von der Bibel gebe, als die Evangelien und Episteln? War ja seit dem dreizehnten Jahrhundert, wo die Secten der Waldenser und Albigenser sich das Lesen und Verbreiten der Bibel angelegen sein ließen und dadurch manches Irrige der herrschenden Kirchenlehre ans Licht zogen, das Lesen der Schrift den Laien ganz verboten, und die Geistlichen durften sie nicht anders erklären, als es von der Kirche vorgeschrieben war. Was aber außer der Schrift dem Volke gegeben wurde, wie die Legenden der Heiligen und Märtyrer, waren nur Fabeln und nicht wahres Christenthum. Was ist denn nun in dieser ganzen traurigen Zeit dem Volke geblieben, woran es seinen christlichen Glauben noch einigermaßen nähren und stärken konnte? Wir finden außer dem auch wenig beachteten Anhören der sonntäglichen Abschnitte der Evangelien und Episteln drei Stücke, welche dem Volke geblieben sind und durch welche die Grundwahrheiten des Christenthums aufbewahrt wurden: die Gebote, den Glauben und das Gebet des Herrn. Diese sind durch das ganze Mittelalter gegangen, denn überall wurden sie bei der Befehrung dem Volke in die Hände gegeben. Daher sind auch diese drei Stücke aus jenen Zeiten, namentlich aus der Zeit Karls des Großen, in altdeutscher Sprache auf uns gekommen *). Sie waren schon lange vor Luther in den Katechismen der katholischen Kirche enthalten, und er nahm sie nur als die drei ersten Hauptstücke in seinen Katechismus auf.

Die zehn Gebote waren in der Form, wie sie dieser enthält, bereits im Mittelalter entstanden, und Luther hat sie so aufgenommen, wie sie schon seit Jahrhunderten im Munde des Volkes waren. Man hatte nehmlich die ursprünglichen Gebote (2 Mos. 20, 2 17) abgekürzt, um sie für das Volk verständlicher und behaltbarer zu machen. Be sonders war dies mit dem Gebote geschehen, welches der Praris der katholischen Kirche ganz entgegen war, mit dem ersten oder zweiten, von dem man nur den Anfang: Du sollst keine andere Götter haben neben mir" beibehielt, das Folgende aber: „Du sollst

"

*) Siehe z. B. die deutschen Abschwörungs-, Glaubens- und Beichtformeln vom 8-12 Jahrhundert von F. Maßmann. 1839. 8.

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