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den hierauf um so mehr, als sie einsahen, daß es dem weiteren Fortschreiten der Reformation ein mächtiges Hinderniss sein würde, wenn die geistlichen Herren bei ihrem Übertritt Land und Leute, schöne Besizungen und reiche Einkünfte um das Evangelii willen aufzuopfern gezwungen wären.

Hieran wäre fast das ganze Friedenswerk gescheitert. Nach langem Streiten sahen endlich beide Theile ein, daß sie auf diese Weise zu keiner Vereinigung kommen würden, und entschlossen sich daher, diesen Punkt ganz unentschieden zu lassen; doch aber den geistlichen Vorbehalt sowohl, als auch die Protestation der Evangelischen dagegen in den Friedensvertrag aufzunehmen. Dieser geistliche Vorbehalt wurde dann späterhin wieder ein Gegenstand von mancherlei Kämpfen, weil beide Parteien sich darauf beriefen, daß hierüber nichts festgestellt worden wäre und sich dies zu ihren Gunsten auslegen wollten.

Ein anderer Streit entstand daher, daß die Protestanten für alle Unterthanen beider Theile vollkommene Religionsfreiheit forderten. Die Katholiken aber blieben dabei stehen, daß nur den Reichsständen selbst die Wahl der Religion frei gestellt sei; die Unterthanen dagegen, welche einem andern Glauben, als ihre Landesherren, zugethan wären, nur dadurch vor Bedrückung und Verfolgung geschügt werden sollten, daß ihnen das Recht eines freien Abzugs ausbedungen werde. In den Reichsstädten allein sollten beide Religionen neben einander bestehen dürfen. Hierin mussten sich die Proteftanten, nach langem Widerstreben, fügen; nur so viel erlangten sie noch, daß nachträglich bestimmt wurde, diejenigen Unterthanen, besonders der geistlichen Stände, welche seit Jahren sich zur Augsburgischen Confession bekannt hätten, sollten ungestört dabei gelassen werden.

Dies war der lang ersehnte Religionsfriede. Durch ihn hatten die Protestanten endlich das hohe Ziel erreicht, welches Luther von Anfang an im Auge gehabt hatte: daß das Evangelium frei gepredigt werden durfte. Der Jubel der Evangelischen war groß und allgemein. Im Jahre 1548, als der Kaiser auf dem Gipfel seiner Macht den Herzog Moriz mit der Churwürde belehnte und bald darauf mit seinem Interim hervortrat, hätte man wohl

nicht erwarten sollen, daß nach sieben Jahren seine große Macht vernichtet und alle seine weit umfassenden Pläne vergeblich gewesen sein würden. So verlassen wir Deutschland und wenden uns nach der Schweiz und Frankreich, wo die andere Ausprägung des Evangeliums als reformirte Kirche uns entgegentritt.

Dreizehnter Vortrag.

Geschichte der reformirten Kirche seit 1531.

Die Geschichte der schweizerischen Reformation haben wir bis zum Jahre 1531 fortgeführt, wo Zwingli seinen Tod gefunden hatte, und Ökolampadius ihm bald darauf gefolgt war. Nachdem diese beiden großen Häupter der Reformirten nicht mehr vorhanden waren, blieben zwar noch einige treffliche Männer, wie Heinrich Bullinger und Leo Jud, für die Aufrechthaltung und Verbreitung des Evangeliums thätig; ein eigentlicher Führer aber, auf den die Autorität Zwinglis ganz übergegangen wäre, fehlte. Die Schweizer hielten fest an dem Zwinglischen Lehrbegriffe, und alle Bemühungen Bucers, sie zu einem Anschluss an die Wittenberger Concordie, durch welche, wie wir gesehen haben, sich 1536 die oberdeutschen Städte mit den Lutherischen vereinigt hatten, zu bewegen, blieben fruchtlos. Im Jahr 1536 kam dann aber ein anderes Licht des Glaubens nach der Schweiz, der große und herrliche Calvin aus Frankreich. Ehe wir ihn näher kennen lernen, müssen wir uns zuvor die damaligen Zustände in Frankreich klar zu machen suchen.

Hier war, als Luther in Deutschland auftrat, Franz I an der Regierung, ein Fürst von guten. Anlagen, der aber äußerst leichtfinnig war, die Genüsse der Welt über alles liebte und sich stets seinen Gelüsten und Launen hingab. Dabei war er eitel, ruhmbegierig, ohne Treu und Glauben, daß es ihm nicht darauf ankam, ein gegebenes Wort zu brechen, wenn dies zu seinem Vortheil gereichte. So hatte er sich auf der einen Seite insgeheim mit den Evangelischen in Qeutschland gegen den Kaiser verbunden, weil er ein Feind

des östreichischen Hauses war, und unterdrückte doch auf der andern Seite die Reformation in seinem eigenen Lande auf das grausamste und schrecklichste, indem er ihre Anhänger öffentlich verbrennen ließ. Obgleich Calvin sein berühmtes Werk über den evangelischen Glauben,,institutiones religionis christianae" Franz I 1535 zueignete; so hat dieser, der viel zu sehr mit seinen Vergnügungen beschäfftigt war, es wohl nie gelesen und überhaupt nie eine richtige Ansicht von der evangelischen Lehre gehabt. Am schmerzlichsten war es ihm, daß selbst mehrere von seinen Vewandten ihr anhingen. Dies waren die beiden Töchter Ludwigs XII von Anna von Bretagne: Claudia, die eigene Gemahlinn Franz I, und Renata, Herzoginn von Ferrara; dann die Königinn Margarethe von Navarra, die Schwester Franz I. So wurde trop aller Verfolgungen die reformirte Lehre dennoch nach und nach in Frankreich verbreitet.

Johann Calvin *) wurde am 10 Juli 1509 zu Noyon an den Grenzen der Picardie und Normandie geboren. Franz I bestieg 1515 den Thron. Unter seiner Regierung wuchs also Calvin heran. Calvin, dessen Vater ein angesehener Mann und Procurator in der bischöflichen Curie war, seine Mutter Jeanne le Franc, wurde mit den adligen Kindern der Familie Mommor in seinem Wohnorte, die den kleinen Knaben lieb gewonnen hatten, erzogen. Mit diesen ging er dann auch nach Paris und besuchte dort eine Schule, wo er sich bald vor allen seinen Mitschülern auszeichnete. Er war schon früh dem Dienste der Kirche bestimmt, hatte bereits in seinem zwölften Jahre eine Präbende der katholischen Kirche bekommen und widmete sich der Theologie. In seinem achtzehnten Jahre erhielt er bereits eine Pfarre zu Marteville, im zwanzigsten zu Pont l'Evesque, ohne jedoch einem Orden anzugehören. Auf den Rath seines Vaters aber, der für seinen Sohn von dem Studium der Rechte mehr Ehre erwartete, verließ er bald wieder die eingeschlagene Lauf

*) Über Calvin verweisen wir überall anf das gründliche Werk: Das Leben Johann Calvins des großen Reformators. Von Dr. Paul Henry. Hamb. 1835-1844. Drei Theile. gr. 8. wovon so eben ein vollständiger Auszug als Lehrbuch für Familien erschienen ist: Das Leben Calvins. Ein Zeugniss für die Wahrheit. Von Dr. Paul Henry. Hamb. 1846. welchen wir aufe angelegentlichste empfehlen möchten.

bahn und ging zuerst nach Orleans, wo er unter l'Etoile, und dann nach Bourges, wo er unter Alciat die Rechte studirte. Зи Bourges lernte er aber, nachdem er schon durch Robert Olivetanus mit der Schrift bekannt geworden war, einen eifrigen Freund der Reformation, den Profeffor Wolmar, einen Deutschen aus Rothweil, kennen, von dem er für die evangelische Lehre und das Studium der griechischen Sprache gewonnen und dadurch den Rechtswissenschaften wieder entfremdet wurde. Er lernte nun gründlich griechisch und predigte mit großem Beifall in der Nähe von Bourges zu Linieres bei Berry. In Bourges wurde er auch mit Theodor Beza, einem Schüler Wolmars, bekannt, den wir später mit ihm vereint wirken sehen.

In diese Zeit fällt Calvins innere Umwandlung. Auch er war ja in dem Aberglauben des Papstthums verhärtet und er hatte, als ihm das Auge geöffnet wurde, manchen herben Seelenkampf zu bestehen, aber eine plößliche Bekehrung wurde ihm zu Theil, welche ihn an die Stelle der innerlichen unverföhnten Angst eine völlig gewisse Ruhe des Gemüths gab. Von da an war er fest im Glauben und hat sich nie geändert, von da an war er gewiss, daß Gott ihn zum ewigen Leben bestimmt habe, und ohne Wanken ist er in diesem freudigen Glauben geblieben. Darum hat er ihn auch so unerschütterlich fest vertheidigt, und er hat seine ganze Seele so erfüllt, daß er nun alles Ungemach, alle Verfolgungen und Gefahren an sich vorüber gehen lassen konnte, ohne je entmuthigt zu werden. Damit war auch seine ganze Seelenrichtung auf immer bestimmt und so erklärt es sich, wie er, ein sonst schüchterner und in sich zurückgezogener Mensch, ein solch gewaltiges Werkzeug in der Hand Gottes werden konnte. Sonst wird er geschildert als von edler Gestalt, von Natur schwach, nicht grämlich, nicht mürrisch, aber oft in Zorn gerathend, daneben mild, liebenswürdig und sanftmüthig, aber ernst, gewissenhaft, durchaus wahr, voll demüthigen Vertrauens auf den heiligen Geist und dadurch voll Muth, felsenfest im Glauben, ein majestätischer Character.

Von Bourges wurde Calvin nach Hause an das Sterbebett seines Vaters gerufen, nach dessen Tode er sich ungehindert dem Evangelium hingeben konnte. Er ging nach Paris, widmete sich

dort ganz der Theologie, schloss sich den heimlichen Anhängern der Zwinglischen Lehre an, suchte die Verbreitung des Evangeliums durch Wort und Schrift zu befördern und predigte in den stillen Versammlungen der Evangelischen (damals Lutheraner genannt) mit großer Kraft, stets seine Rede mit den Worten schließend: ist Gott für uns, wer mag wider uns sein! - Bald aber nahmen die schon erwähnten Verfolgungen unter Franz I ihren Anfang.

Calvin hatte zuerst als Schriftsteller auftretend mit großer Kühnheit, um Franz wegen seiner grausamen Härte zu beschämen, die Bücher Senecas de clementia (Wohlwollen gegen alle Menschen), an Nero gerichtet, mit einem freien Commentar 1532 herausgegeben; doch sie waren überhört worden, wie die des Seneca. Nun wollte Calvin Paris und den Hof reformiren und arbeitete für den neu erwählten Rector der Sorbonne Nicolas Cop eine Rede aus, welche dieser, merkwürdig genug, am Fest La Toussaints hielt, worin mit der größften Freiheit vom reinen Evangelium und der Rechtfertigung durch den Glauben geredet wurde. Dies war der Sorbonne und dem Parlament zu viel. Cop entkam nach seiner Vaterstadt Basel, Calvin musste sich durchs Fenster und als Weingärtner verkleidet retten und 1533 aus Paris fliehen.

Er hielt sich nach und nach in der Saintonge, in Angouleme und in mehreren Gegenden Frankreichs auf. Es nahm sich aber seiner die edle Königinn Margarethe von Navarra an, an deren Hofe zu Nerac er eine Zeitlang lebte.

Schon damals kam ihm ein Mann in den Weg, der später noch einen Schatten auf seinen Ruhm werfen sollte. Michael Servede, ein durch seine kezerischen Meinungen übel berüchtigter spanischer Arzt, der sich der Lehre der Wiedertäufer hingegeben hatte, verlangte mit Calvin in Paris öffentlich zu disputiren, und dieser ging wirklich unter Todesgefahren dorthin zurück, weil er es für seine Pflicht hielt, gegen einen solchen Gegner furchtlos die Wahrheit zu vertheidigen und ihn von seinen Irrwegen abzubringen. Servede aber stellte sich nicht zur Disputation, und Calvin musste abermals Paris und nachdem er noch sein Werk „Psychopannychia“ (über den Seelenschlaf) 1534 zu Orleans herausgegeben hatte, da die Verfolgungen immer größer wurden, auch Frankreich gänzlich

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