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Siebenter Vortrag.

In der Reformationsgeschichte ist das Jahr 1529 durch zwei große Hauptbegebenheiten ausgezeichnet. Der erste ist der berühmte Reichstag zu Speier, die zweite das oben berührte Religionsgespräch zu Marburg. Der Reichstag zu Speier hat einen bedeutenden Einfluss auf die Bildung der evangelischen Kirche ausgeübt und bedarf deshalb einer genaueren Darstellung; doch ehe wir diese geben können, müssen wir zuvor einen Blick auf die damaligen Verhältnisse Deutschlands werfen.

Leider stand es damals wieder schlimmer für die evangelische Kirche. Der Kampf des Kaisers mit dem Papste war geendigt; beide hatten sich verbunden und Karl war von dem Papste eingeladen worden, zur Krönung nach Italien zu kommen. Die evangelischen Fürsten selbst hatten die Verlegenheit, in der sich der Kaiser durch seine Kriege mit Frankreich und Rom befunden, nicht so be= nugt, wie sie wohl gekonnt hätten; sondern ihre Sache nur lässig betrieben, wozu zum Theil weltliche Rücksichten mitwirkten. So hatte sich der Churfürst von der Pfalz neutral gehalten, wegen einer mit einer östreichischen Prinzessinn beabsichtigten Heirath. Auch die Städte waren wankelmüthig. So lange der Kaiser mit dem Papste in Streit war, hatten die katholischen Stände es sorgfältig vermieden, auf eine Entscheidung der Reformationsangelegenheit zu dringen, weil sie fürchteten, Karl könne gegen den Papst Partei ergreifen. Als aber der Kaiser nun freie Hand hatte, dachte er auch sogleich wieder daran, die Sache der Evangelischen zur Entscheidung zu bringen und schrieb, als er noch in Spanien war, einen neuen Reichstag nach Speier aus, welcher unter dem Vorsiz seines Bru= ders Ferdinand, Königs von Ungarn und Böhmen, abgehalten werden sollte und am 15 März 1529 eröffnet wurde. Die Evangelischen durften nicht viel Gutes erwarten, denn der Kaiser hatte in seiner Instruction erklärt, daß er als das Haupt der Christenheit nicht länger die Verachtung seiner Befehle dulden wolle, und alle Neuerungen in Sachen der Religion verboten. Zwar wurde nun von dem Reichstagsausschusse, in welchem die katholischen Stände

das Übergewicht hatten, beschloffen, daß, da ein Missverständniss über den Sinn des Speierschen Reichstagsabschieds vom Jahre 1526 entstehen könnte, eine Milderung und Erkläruug desselben nöthig geworden sei; und die evangelischen Stände waren hiermit zufrieden. Man erfuhr aber leider bald, was für eine Milderung und Erklärung jenes Reichstagsabschiedes die Katholischen gemeint hatten. Es war in demselben vorgeschrieben, daß jeder sich in Sachen der Religion verhalten solle, wie er es vor Gott und Kaiser verantworten könne. Die hierdurch den Evangelischen eingeräumte Freiheit sollte wieder beschränkt und jene milde Erklärung durch neue strengere Beschlüsse umgewandelt werden. Schon nach wenigen Berathungen wurde am 24 März von dem Ausschusse eine Verordnung erlassen, worin bestimmt war, daß diejenigen Stände, welche bisher das Wormsrr Edict gehalten, auch ferner bei demselben verbleiben und ihre Unterthanen dazu anhalten sollten. „Bei den an,,dern, bei welchen nicht sonder große Gefahr die andre Lehre zu ,,heben, solle man fortan alle weitere Neuerung bis auf das Con„cilium so viel müglich und menschlich verhüten, die Ämter der „Messe sollten nicht abgethan und an denen Orten, wo die neue „Lehre überhand genommen, niemand Messe zu halten und zu „hören verboten sein. Auch sollten die Prediger das Evangelium ,,nach Auslegung der von heiliger christlicher Kirchen approbirten „Schriften auslegen. Kein geistlicher Stand sollte seiner Obrig,,keit, Rente, Gülte entsegt werden dürfen bei Acht und Aberacht. ,,Die Secten, welche dem Sacrament des wahren Leibes und Blu,,tes widersprechen, solle man ganz und gar nicht dulden, so wenig ,,wie die Wiedertäufer.“

Aus der ganzen Abfassung dieses Beschlusses geht hervor, mit welcher Klugheit die Katholischen die evangelische Lehre nach und nach wieder zu unterdrücken suchten. Die, welche das Wormser Edict bisher gehalten, sollten also ferner dabei bleiben, also nicht zur neuen Lehre übergehen dürfen; wer aber die neue Lehre angenommen habe, sollte doch nicht hindern dürfen, daß die Meffe überall gehalten und so die katholische Kirche wieder über die Länder verbreitet werde, wo die evangelische die Oberhand habe. Sollten ferner die Geistlichen nur nach den von der christlichen Kirche ap

Bischon Verträge.

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probirten Schriften predigen, so war die große Streitfrage, welches die wahre Kirche Christi sei? schon entschieden, denn die Katholischen verstanden darunter nur die ihrige. Durfte bei Strafe der Acht kein geistlicher Stand seiner Herrschaft und seiner Einkünfte entsezt werden; so konnten die Evangelischen keine von einem römischen Geistlichen verwaltete Stelle einziehen, noch einen evangelischen an jenes Stelle sezen. Endlich benußte man schlau den Zankapfel zwischen Zwingli und Luther, um die Uneinigkeit der Evangelischen zu vergrößern und sie ganz von einander zu trennen. —-Die Katholischen hatten die großen Fortschritte gesehen, welche die Reformation in der Schweiz gemacht, und fürchteten einen Bund zwischen den Schweizern und den süddeutschen, zunächst den schwäbischen Städten. Philipp von Hessen hatte sogar von einer Verbindung der Fürsten und Städte Norddeutschlands mit denen Oberdeutschlands und der Schweiz geschwärmt, mit der er auch Venedig und die anden Feinde des Hauses Östreich zu vereinigen hoffte. Um solchen Bündnissen entgegen zu wirken, hatte man nun bestimmt, die Secten, welche dem wahren, d. h. dem körperlichen Leib und Blut des Herrn im Sacrament widersprächen, also auch die Anhänger Zwinglis, sollten gar nicht geduldet werden. Die römische Kirche wollte demnach, was sie seitdem so oft gethan hat, trennen und theilweise die Gegner vernichten, um über alle herrschen zu können.

So würde dieser Reichstagsbeschluss die weitere Verbreitung des Reformationswerks ganz gehemmt und die Evangelischen nach und nach wieder in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückgeführt haben, darum konnten ihn sich die evangelischen Stände nicht gefallen lassen. Sie erklärten daher sogleich, daß diese Sache, die Gottes Ehre und ihre Seligkeit betreffe, sich nicht durch Stimmenmehrheit abmachen lasse. Sie könnten in einen Schluss dieser Art nimmermehr einwilligen, in welchem nichts weniger als eine Milderung oder Erklärung des früheren Speierschen Artikels, sondern vielmehr eine gänzliche Abschaffung desselben zu finden sei. Sie baten daher den König Ferdinand und die Reichsversammlung, es bei dem vorigen Speierschen Abschied verbleiben zu lassen. Ferdi, nand aber behauptete, die Minderzahl müsse sich dem Beschlusse der Mehrzahl unterwerfen, und so wurde denn jener Beschluss ungeachtet

aller Gegenvorstellungen der Evangelischen als förmlicher Reichstagsabschied genehmigt. Hierauf seßten die evangelischen Fürsten nach einigen Tagen eine vollständige Appellation an den Kaiser auf, welche sie den noch versammelten Ständen am 19 April übergaben, und auch am 20 April dem Erzherzoge Ferdinand, der den Reichstag schon verlassen hatte, zusandten. Dieser jedoch nahm sie nicht an; sondern schickte sie wieder zurück.

Von dieser Appellation oder Protestation kommt nun der Name Protestanten, oder der protestirenden Stände, und durch ste hat der Reichstag zu Speier eine so große Wichtigkeit erlangt. Es hat hiernach mit dem Namen der Protestanten keinesweges das auf sich, daß ein Protestant Alles, was ihm etwa in Glaubenssachen nach seiner eigenthümlichen Ansicht nicht gefällt, verwerfen oder dagegen protestiren sollte, wenn es auch Glaubenssäge wären, die von Anfang der christlichen Kirche an als wahr anerkannt worden sind; sondern nur das ist gemeint, daß die Protestanten gegen jede Unterdrückung ihrer Kirche und gegen die Irrlehren und Missbräuche, die sich im Widerspruch mit dem Worte Gottes in die römische Kirche eingeschlichen haben, und gegen allen Glaubenszwang proteffiren; dagegen aber fest halten wollen an Gottes Wort und den durch die Schrift begründeten chriftlichen Glaubenswahrheiten. So erklärten denn auch in dieser Protestation die Evangelischen, daß sie niemand zum Glauben zwingen, doch herzlich Gott bitten wollten, daß er alle zur wahren Erkenntniss seiner und ihrer selbst bringen wolle. Sie aber könnten wider ihr Gewissen nicht einwilligen, die rechte Lehre zu verwerfen. Wollten sie unsern Herrn und Heiland Jesum Christum und sein heiliges Wort verleugnen; so würde Christus sie wieder verleugnen vor seinem himmlischen Vater. Sie erkenneten mit ihren Predigern für das Gewisseste, bei Gottes Wort zu bleiben und Schrift durch Schrift zu erklären, wobei sie auch mit Gottes Gnade und Hülfe zu bleiben gedächten. „Sollte aber“ so lautet der Schluss „dies Alles nichts verfangen, so protestiren „wir hiermit öffentlich vor Gott, unserm einigen Erschaffer, Erhal,,ter, Erlöser und Seligmacher, der allein unser aller Herzen er„forscht, und demnach recht richten wird, und auch vor allen Men„schen und Creaturen, daß wir für uns, die Unsrigen und aller„männiglichshalben in alle Handlungen und vermeint Abschied, so

,,in gemeldten oder andern Sachen wider Gott und sein heiligs „Wort, unser aller Seelen Heil und gut Gewissen, auch wider den „Speierschen Reichs- Abschied fürgenommen, beschlossen und gemacht „worden, nicht gehelen *) noch willigen, sondern aus angezeigten ,,und andern redlichen Gründen für nichtig und unbündig halten, „auch unsre Nothdurft **) öffentlich ausgehen lassen und kaiserlicher ,,Majestät davon gründlichen Bericht thun, anbei aber uns nach dem ,,vorigen Speirischen Abschied verhalten wollen." Nur wenige Fürsten (Churfürst Johann von Sachsen, Markgraf Georg von Brandenburg, Herzog Ernst und Franz von Braunschweig - Lüneburg, Landgraf Philipp von Hessen und Fürst Wolfgang von Anhalt) hatten diese Protestation unterschrieben, und auch die Städte standen eine Zeit lang an, weil sie, wie jene, den Zorn des Kaisers fürchteten. Bald aber entschlossen sich vierzehn Städte zur Unterschrift. Man hat bestreiten wollen, daß die Reformirten auch zu den Protestanten gehörten. Will man aber diesen Namen auch nur denen geben, welche wirklich diese Protestation unterschrieben haben, so gebührt er auch den Reformirten, denn die reformirten Städte Kostniß, Lindau, Memmingen, Straßburg und St. Gallen haben sie mit unterzeichnet. Geht man aber von dem Ursprung des Namens ab, so kommt er ihnen mit noch größerm Rechte zu; weil sonst auch ganze große Länder, wie Dänemark, welche sich zur evangelischen Kirche bekennen, nicht zu den Protestanten gehören würden.

Durch diese Protestation war die Lage der Evangelischen nicht besser geworden, vielmehr waren sie mit Recht besorgt, wie der Kaiser ihre Appellation aufnehmen werde. Man musste fürchten, daß dieser jezt, wo er auch seinen Krieg mit Frankreich beendigt hatte, im Verein mit den katholischen Ständen Alles anwenden werde, um, wie er sich gegen den Papst verpflichtet hatte, die Keger in Deutschland zum Gehorsam zurückzuführen. Man suchte daher ein Bündniss der protestantischen Fürsten zu Stande zu bringen und hatte dazu auch die oberdeutschen Städte in einem solchen Sinne eingeladen, daß sie sich mit den norddeutschen recht gut hätten vereinigen können. *) cig. gehellen, zustimmen, einstimmen, noch im Worte einhellig sein vorhanden.

**) nothgedrungene Erklärung.

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