Abbildungen der Seite
PDF
EPUB
[ocr errors]

von Weinegen (Weineck) in dessen Rhaetia oder Beschreibung von Graubündten" (lib. 10, p. 156 b) in der Schweiz aufgetreten; nach Brückner, Versuch einer Beschreibung histori scher und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel" (Stück VIII, S. 853) im Jahre 1422 unter ihrem Herzog Michael von Aegypten nach Basel gekommen sein. Diese ältern und andern Angaben sind mit der ältern Zigeunerliteratur kritisch beleuchtet von Thomasius in der schon angeführten Dissert. de Cinganis", §. 17-21; ebenso später von Grellmann, a. a. D., S. 155. Die älteste ausführliche Nachricht gibt Seb. Munster (1489-1552) in seiner,,Cosmographie“ (lib. 5, c. 5, p. 603 der neuen deutschen baseler Ausgabe von 1628), und del Rio (1551-1608) ,,Disquis. magic.", lib. 4, c. 3, quaest. 5. Beide sind gerade in jener Zeit mit den Zigeunern persönlich in Berührung gekommen, zu welcher die Zigeuner noch ziemlich ungestört ihr Wesen treiben konnten. Es ist daher interessant, aus den gegebenen Darstellungen die Farbigkeit und penetrante Einbürgerung der Zigeuner an allen Orten, wohin sie gelangten, zu erkennen. Die bezüg liche Stelle bei Munster lautet:

,,Als man zahlt von Christi Geburt 1417 hat man zum ersten in Teutschland gesehen die Zygeuner, ein vngeschaffen, schwarz, wüst vnd vnflätig Volck, das sonderlich gern stielt, doch allermeist die Weiber, die also jhren Mannen zutragen. Sie haben vnder jhnen ein Graffen vnd etliche Ritter, die gar wol bekleydet, vnd werden auch von jnen geert. Sie tragen bey ihnen etliche Brieff vnd Siegel, vom Kayser Sigmund vnd andern Fürsten gegeben, damit sie ein Gleyd vnd freyen Zug haben durch die Länder vnd Stätt. Sie geben auch für, daß jnen zur Buß auffgelegt sey, also vmbher zu ziehen in Bilgerweiß, vnd daß sie zum ersten auß klein Egypten kommen seyen. Aber es sind Fabeln. Man hat es wol erfahren, daß diß elend Volck erboren ist, in seinem vmbschweiffen ziehen, es hat kein Vatterlandt, zeucht also müssig im Landt vmbher, ernehret sich mit stelen, lebt wie ein Hund, ist kein Religion bey ihnen, ob sie schon ihre Kinder vnder den Christen lassen tauffen. Sie leben ohne Sorg, ziehen von einem Landt in

das ander, kommen vber etlich jahr herwider. Doch theilen sie sich in viel Schaaren, vnd verwechßlen jre Zug in die Länder. Sie nehmen auch Mann vnd Weib in allen Ländern, die sich zu jnen begern zu schlahen. Es ist ein seltzams vnd wüst Volck, fan vil Spraache vnd ist dem Bawersvolck gar beschwerlich. Wann die armen Dorffleut im feldt sind, durchsuchen sie ihre Häuser, vnd nehmen was ihnen gefällt. Ihre alte Weiber ernehren sich mit Wahrsagen, vnd dieweil sie den fragenden antwort geben, wie viel Kinder, Männer vnd Weiber sie werden haben, greiffen sie mit wunderbarlicher Behendigkeit jhnen zum Seckel oder zu der Taschen, vnd leeren sie, daß es die Person, deren solches begegnet, nicht gewahr wirdt.

[ocr errors]

Es ist mir Munstero vor etlich vergangnen jahren1) bei Heydelberg begegnet, dz ich mit jnen zu Eberbach in ein Gespräch kam, vnd von ihren Obersten zu wegen bracht, zu lesen einen Brieff2), daß sie sich berühmbten, vnd das war ein Vidimus, so

1) In der lateinischen Ausgabe steht: ,,Sunt anni plus minusve viginti sex ab hoc tempore, quando ego Munsterus ista scribo etc. Die Vorrede zur „Cosmographie“ ist vom 17. März 1550 datirt.

2) Der Brief war damals schon über hundert Jahre alt, und erscheint allerdings stark apokryph. Vgl. Ahasv. Fritsch,,, Diatribe historico-politica de Zygenorum origine vita ac moribus", membr. IV. Thomafius, (a. a. D., §. 27) hält den Brief für echt und bündig. Wurstisen (,, Baseler Chronik“, S. 240); Matth. Wehner, (,,Observ. practicae" - verbò Zigeuner), und Crufius (,,Annal. Suev.", S. 384) reden auch noch von andern Freiheitsbriefen und von der Erlaubniß, die von päpstlicher Seite den Zigeunern ertheilt sei, alle christliche Länder zu durchwandern. Abgeschmackt ist die von Muratori, ,, Rerum Italicae", t. 18 ad annum 1422, angeführte Behauptung einer Zigeunerhørde: Aveano un decreto del Re di Vngheria,

[ocr errors]

per vigore di cui essi poteano rubare per tutti que' setti anni per tutto dove andassero e che non potesse essere fatta loro giustizia!! Vergl. Grellmann, a. a. D., S. 170. Uebrigens ist diese Freiheit der Zigeuner schon bald sehr b. schränkt worden. Joh. Bodinus erwähnt zu Ende des zweiten Kapitels im fünften Buch seiner Sechs Bücher,,De republica“ eines Edictes Ferdinand's von Spanien von 1492: quo haec pestis, quod in Hispania quoque latissime grassaretur, coërceri coepit. Das Beispiel fand in Deutschland rasche Nachahmung; denn schon im Reichsabschied zu Augsburg, 1500, §. 27, wird allen Ständen des Reichs geboten, die Zigeuner als Erfahrer, Außspeher und Verkund

"

sie von Keys. Sigmunden zu Lindaw hatten erlangt, in dem stund, wie ihre Vorfahren in klein Egypten etliche jahr lang vom Christl. Glauben weren abgefallen. Vnd als sie sich widerum bekehrten, ward jnen zur Buß auffgeseßt, daß sie oder etliche von den ihren also 4 jahr solten im Elend vmbherziehen vnd Buß wircken, so lang sie im Vnglauben waren gelegen. Aber nach Außweisung solches Brieffs, ist die Zeit ihres Vmbherziehens vor viel jahren außgewesen, vnd vber das schweiffen sie noch im Lande herumb, vnd ernehren sich mit stehlen, liegen, triegen vnd wahrsagen, daß sie nicht köndten in jhr Vatterland kommen, ob schon die zeit der Buß vor langen hinüber. Vnd da ich weiter sie rechtfertiget, es stünd im Brieff, daß sie solten Buß wircken, das theten sie nicht, denn sie hetten mit Weibern zu schaffen, vnd nehmen den Leuten das ihr, etc. Antworten sie: Sie hetten sonst nichts zu thun."

Steph. Pasquier thut auß einem alten französischen Buch nachfolgenden Bericht. Anno 1427 kamen solcher Zigeuner 12 gen Paris, der eine war ein Herzog (wie sie fürgaben) vnd der ander ein Graff, die vbrigen 10 waren alle zu Pferd, gaben sich für gar gute Chriften auß vnd sagten, sie kommen auß Egypten, vnd were nicht lang, daß sie von den Christen bezwungen worden, also daß ihr ganz Land jezt zum Christen Glauben kommen. In solcher Bekehrung ließ man jhnen ein König vnd Königin, mit dem Geding, daß sie in dem Christen Glauben steiff und vest bleiben sollen. Aber sie wurden von den Saracenen vberfallen,

"

schaffter der Christeuland“, weder zu dulden noch zu geleiten, vielmehr haben die Zigeuner „hie zwischen Ostern nechstkünftig aus den Landen deutscher Nation sich zu thun"; sonst sollen die Zigeuner für vogelfrei erklärt werden. Diese Verfügung scheint denn doch nicht recht angeschlagen zu haben. Denn fie wird wörtlich wiederholt in der Reform guter Polizei zu Augspurg, 1530" tit. 35; in §. 75 des,,Reichsabschiedes zu Speyer“ von 1544; in ,,Reform guter Polizei zu Augspurg 1548", tit. 27; und in der,, Reform guter Polizei zu Frankfurth 1577“, tit. 28. Auch wird im ,,Reichsabschied zu Augspurg“ von 1551 in §. 82 befohlen, daß den Zigeunern nicht nur keine neue Paßporten" ertheilt, sondern auch die alten abgenommen und vernichtet werden sollen.

der

"

vnd vom wahren Glauben verführt, welches als der Teutsche Keyser und König in Polen vernommen, hat er also bald die Abtrünnigen vberzogen, vnd sie auß dem Land verschickt, doch dß sie widerumb dareyn solten kommen, wenn sie von dn Bapst zu Rom erlaubniß vnd jres Abfalls halben verzeyhung haben wurden. Als sie nun samptlich gen Rom kommen, vnd der Bapst jre Beicht angehört, hat er jnen zur Buß aufferlegt, daß sie 7 jahr an einander nach in der Welt herum in Armut ziehen, vnd auff keinem Bett ligen sollten. Der Bapst ordnete auch dz jnen ein jeder Bischoff solte 10 Francken geben. Nun waren diese Zygeuner allbereit schon 5 jahr in d' Welt herum gezogen, eher sie gen Pariß kammen. Obgedachte 12 Zygeuner hatten bey sich in die 80 Weib vnd Kind, vnd sagten, es seyen jrer 1000 oder 1200 gewesen, weren also die vbrigen, sampt dem König und der Königin vnder wegen gestorben. Man wolt sie aber zu Paris nicht eynlassen, sondern man losiert sie gen S. Denis. Hatten silberne Ring an jren Ohren hangen: waren von Leib ganz schwarz, hatten krause schwarze Haar, vnflätige Angesicht, trugen an stat ihrer Kleyder ein alte Decke, vber den Achßlen zusammen gebunden: waren treffliche Zauberer, vnd gaben für sie kondten weissagen, damit sie denn auch groß Vnglück erhebten, vnd sagten: dein Weib hat dieses gethan, vnd dein Mann hat jenes gethan: sie leerten den Leuten die Seckel mit vnbegreifflicher Behendigkeit. Als solches der Bischoff von Paris vernommen, hat er ein Prediger mit sich genommen, derselbe that zu S. Denis ein treffliche Predigt, vnd ercommuniciert alle diejenigen, die sich zu den Zygeunern gesellet, vnd ihnen lassen wahr sagen: darnach wurden die Zygeuner vertrieben. Anno 1561 als die Ständ zu Orliens beysammen gewesen, war ein Mandat, an alle Amptleut, durch das ganze Königreich geschrieben, daß man solche Zygeuner innerhalb 2 Monat auß allen Provinzen schaffen, vnd vertreiben solte, vnd wo sie nicht weichen wurden, folte man sie an die Galeren schmiden oder sonsten am Leben straffen. Volaternus vermeynt, diese Leuth seyen erstlichen aus Persien kommen: sonsten ist es gewiß, daß es ein verrucht, Zauberisch, Mörderisch vnd Diebisch,

.

verloffen Gesind, welchs in keinem Land zu dulden, sondern mit äußerstem Ernst zu vertreiben ist."

Mit gleicher Schärfe und Bitterkeit läßt sich del Rio, a. a. D., über die Zigeuner aus, die er eine Colluvies nennt, welche ganz Europa durchziehe. Er bestätigt nicht nur das von ihm angeführte Urtheil des Munster als vollkommen richtig, sondern bricht auch in lauten Unwillen gegen die Nachsicht der Fürsten aus, welche das Gesindel dulden. 1) Ueber die Fertigkeit der Zigeuner in der Taschendieberei läßt er sich dann wörtlich aus wie Munster, und citirt nun den Aventinus (eigentlich Thurnmayr von Abensperg, 1466–1534) in dessen „Annales Bojorum", lib. 7, fol. 826, der die Zigeuner „lauter Buben, ein zusammengeklaubtes Rott auß der Grenz Vngern und der Türkey" nennt, die alle Gegenden durchziehen, von Diebstahl, Raub und Wahrsagerei allenthalben ungestraft ihr Leben fristen, aus Aegypten stammen und deswegen von dort gezogen sein wollen, weil ihre Vorfahren die heilige Mutter Gottes mit dem Jesuskind auf der Flucht nach Aegypten aufzunehmen sich geweigert hätten, was nun die Zigeuner durch ein siebenjähriges Eril sühnen sollten. Weiterhin erzählt del Rio, daß er im Jahre 1584 in Spanien eine Zigeunerhorde getroffen habe2), unter der sich sogar viele Spanier befunden

1) „Unde saepe animum subit admiratio, quo jure, vel injuria in quibusdam provinciis hoc genus flagitii a principibus toleretur: non sine maximo scandalo, et damno rusticorum. Nam scelerum impunitatem permittit, qui sceleratos tolerat. Si hos fures liceat tolerare, certe et alios. Notoria sunt flagitia quae Munsterus memorat et iisdem plane verbis Albertus Krantzius lib. XI. Saxoniae 6. 2. ut alter ab altero, vel ambo a tertio acceperint.“

2) Die Stelle ist in mehr als einer Hinsicht merkwürdig:,, Cum adhuc in Hispania anno 1584 versarer Legione: magna tum multitudo istorum per pagos illos inundarat, festum corporis Domini tum celebrabatur. petierunt aditum in Civitatem ut (honoris caussa) praesultarent, quod illic consuetum; fecere, sed a meridie propter furacitatem faeminarum ortus tumultus, fugere in suburbia et ad S. Marci (D. Jacobi equitum magnifica est habitatio et hospitale) se conglobarunt et justitiae administros militari vi repulerunt. Mox tamen, nescio quo pacto, dissimulata omnia. Huic hordae Comes erat; sic appellant: in turba multi re

« ZurückWeiter »